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»Er... starb?« Rowl schüttelte verwirrt den Kopf. »Cron ist tot, sagst du?«

»Ja. Und ich fürchte, auch alle, die auf seinem Hof gelebt haben.«

»Habt ihr es gesehen?« fragte Rowl mißtrauisch. Die Nachricht von Crons Tod hatte ihn sichtlich erschüttert. »Wart ihr dabei?«

»Nicht direkt«, antwortete Skar. »Aber wir sahen den Hof brennen. Und es sah nicht so aus, als wäre irgend jemand entkommen.«

Rowl starrte ihn an. Seine mächtigen Kiefer mahlten, und zum ersten Mal bemerkte Skar so etwas wie ein Gefühl in dem Gesicht des Quorrl. Die Nachricht von Crons Tod ging ihm sichtbar nahe. Aber er fand seine Fassung auch ebenso schnell wieder, wie er sie verloren hatte.

»Was ist passiert?« fragte er. »Wer war es? Die Garde?«

»Das wissen wir nicht«, antwortete Titch. »Er schickte uns fort, ehe sie kamen. Aber es muß die Garde gewesen sein - oder andere von Ningas Schergen. Cron hat einen Bestimmer getötet.« Rowl blickte Titch zweifelnd an, sagte aber nichts, sondern gab ihm nach einem Augenblick mit einer Geste zu verstehen, weiterzureden. Und Titch tat es.

Natürlich erzählte er nicht die Wahrheit. Damit hatte Skar nicht gerechnet. Titch konnte unmöglich erzählen, was wirklich passiert war - selbst, wenn Rowl ihm geglaubt hätte, wäre das einzige Ergebnis wohl gewesen, daß er ihn und Skar auf der Stelle hätte töten lassen.

Und trotzdem war er überrascht, wie überzeugend und vor allem phantasievoll Titch lügen konnte. Die Geschichte, die er Rowl erzählte, hatte mit der Wahrheit nur insofern zu tun, daß er von Crons Auseinandersetzung mit dem Bestimmer und ihrer abschließenden Flucht vom Hof sprach, aber sie hätte selbst Skar überzeugt, hätte er die Wahrheit nicht gekannt.

»Er ist tot«, schloß Titch. »Wir haben seinen Tod nicht miterlebt, aber du kennst Cron so gut wie ich - er war kein Mann, der davongelaufen wäre.«

»Das bist du auch nicht«, antwortete Rowl. Skar suchte vergeblich nach irgendeiner Reaktion in seinem Gesicht. Rowls Züge waren wie aus Stein, Es war nicht zu erkennen, ob er Titchs Geschichte glaubte oder nicht. »Trotzdem bist du geflohen. Warum?«

»Weil wir nicht nach Cant gekommen sind, um in einem sinnlosen Kampf zu sterben«, antwortete Titch.

»Dann war es doppelt dumm, zu mir zu kommen«, sagte Rowl hart. »Wenn du glaubst, ich lasse dich am Leben, nur weil du mir die Nachricht vom Tod meines Bruders -«

»Wir bringen dir seinen letzten Wunsch«, unterbrach ihn Titch. »Und sein Erbe.«

Rowls Augen wurden schmal. »Sein Erbe?«

»Der Grund, aus dem er den Bestimmer tötete.« Er legte eine lange, genau bemessene Pause ein und fuhr mit veränderter Stimme fort: »Cron und ich schlossen einen Handel, ehe er starb, Rowl.«

»Und was habe ich damit zu tun?«

»Skar, ich und ein Menschenjunges, das draußen bei meinen Kriegern zurückgeblieben ist, sind auf dem Weg nach Ninga«, antwortete Titch. »Wir müssen in den Goldenen Tempel. Und du bist der einzige, der uns den Weg dorthin zeigen kann.« Für eine einzelne Sekunde verlor Rowl seine scheinbar so unerschütterliche Haltung. Fassungslos starrte er Titch an. »Du... du denkst...«

»Ich habe das, was der Bestimmer wollte, Rowl«, unterbrach ihn Titch. »Crons Brut. Fünfhundert befruchtete Eier, die niemals in Ninga waren. Ich versprach Cron, sie zu dir zu bringen. Das war unser Handel, Rowl - fünfhundert neue Leben gegen den Weg in den Goldenen Tempel.«

»Du lügst!« behauptete Rowl impulsiv. »Cron hätte sie niemals dir anvertraut.«

»Das stimmt«, antwortete Titch unbeeindruckt. »Er vertraute sie Skar an. Du kennst seinen Ruf, Rowl. Er ist ein erbarmungsloser Krieger, aber er hat noch nie sein Wort gebrochen. Cron wußte, daß er sterben würde, und er wußte, daß Ninga Truppen schicken würde, um sich zu holen, was er ihnen freiwillig niemals gegeben hätte. Er hatte nur die Wahl, die Brut zu vernichten - oder zu euch zu bringen.«

»Selbst, wenn es so wäre«, antwortete Rowl unsicher. »Was sollte mich daran hindern, hinauszugehen und sie mir einfach zu nehmen?«

»Crons Wort.«

»Crons Wort!« Rowl lachte, aber es klang nicht einmal halb so kalt und abfällig, wie es sollte. »Crons Wort!« sagte er noch einmal. »Es war sein Wort, nicht das meine.«

»Cron war dein Bruder.«

»Und?« schnappte Rowl. »Das sind eure Gesetze, nicht unsere. Ihr wollt nach Ninga? Dann geht. Ich werde euch nicht aufhalten. Geht und versucht, wie weit ihr kommt, ihr Narren. Ich werde hinausgehen und mir nehmen, was mir zusteht.«

»Das dürfte dir schwerfallen«, sagte Skar ruhig. »Ich habe dafür gesorgt, daß die Eier vernichtet werden, wenn irgendein anderer als Titch oder ich ihnen auch nur nahe kommen.« Es war ein Bluff, und es war ein Fehler, das spürte er schon, während er die Worte aussprach. Rowls Gesicht erstarrte wieder zu Stein, während in Titchs Augen ein jäher Schrecken aufglomm. »Vernichtet?« vergewisserte sich Rowl. »Bist du sicher?«

»Probier es aus.«

»Das werde ich, Satai«, antwortete Rowl. »Ich weiß jetzt, daß du lügst. Nicht einmal Titchs Mörderbande würde sich an der ungeschlüpften Brut vergreifen, Mensch.«

»Sie vielleicht nicht«, antwortete Skar gelassen. »Aber Kiina.«

»Kiina? Wer soll das sein?«

»Das Mädchen«, sagte Skar. »Das ... Menschenjunge, von dem Titch dir erzählt hat. Ich glaube nicht, daß sie sonderliche Hemmungen hat, ein paar hundert Quorrl-Eier zu verbrennen. Sie hält nicht sehr viel von den Quorrl, glaube ich.«

Rowl starrte ihn an; eine Sekunde, zwei, drei, vier. Es fiel Skar mit jedem Herzschlag schwerer, dem durchdringenden Blick seiner Augen standzuhalten, aber irgendwoher nahm er die Kraft, es dennoch zu tun - vielleicht aus dem sicheren Wissen heraus, daß es sein und Titchs Tod war, wenn er es nicht schaffte. Und schließlich erlosch das drohende Funkeln in Rowls Augen und machte hilflosem Zorn Platz. »Also gut«, sagte er gepreßt. »Was verlangt ihr?«

»Dein Wort«, sagte Skar. »Freies Geleit für Titchs Männer und einen Führer, der Kiina, Titch und mich nach Ninga bringt.«

»Der Weg auf die verbotenen Inseln ist gefährlich«, antwortete Rowl. »Selbst der, den ich euch zeigen kann. Die Männer werden nicht zurückkommen. Ich schicke sie in den sicheren Tod, Satai. Du verlangst viel.«

»Ich biete viel.«

Wieder vergingen Sekunden, in denen Rowl ihn nur anstarrte. Dann, ganz plötzlich, fiel die Spannung von ihm ab. Er lachte leise. »Du wärst ein guter Händler geworden, Satai«, sagte er. »Weißt du das?«

»Ich bin es«, antwortete Skar.

Rowl lachte erneut, und jetzt hörte es sich fast echt an.

»Kommt«, sagte er. »Laßt uns gehen und Crons Eier holen. Und dieses Menschenweibchen, das so gut darauf aufpaßt.«

14.

Sein Zeitgefühl hatte ihn nicht getrogen. Es war wieder Tag geworden, als sie den Berg verließen und den schmalen Saumpfad hinuntergingen, der zum Felsplateau und den wartenden Kriegern führte. Skar hatte damit gerechnet, daß Rowl eine kleine Armee zu seinem Schutz mitnehmen würde, aber der Führer der Bastarde hatte nur vier Krieger ausgewählt, ihn zu begleiten. Und die - wenigstens vermutete Skar das - wahrscheinlich auch eher, um Titch und ihn zu bewachen statt Rowl zu beschützen. Aber je weiter sie sich dem Lager näherten, desto klarer wurde Skar auch, warum Rowl auf jeglichen Schutz verzichtet hatte. Es spielte keine Rolle, ob er vier oder vierzig Männer mitnahm; oder vierhundert. Die Anzahl der Krieger, die auf der kreisrunden Felsplatte lagerten, hatte sich beinahe verdoppelt: es mußten weit über tausend Quorrl sein, die sich auf dem steinernen Plateau drängten. Zelte und Lagerstätten und Feuer waren verschwunden, denn der vorhandene Platz reichte nicht einmal ganz aus, um jedem der Krieger ein Fleckchen zum Sitzen zu gewähren. Die Kette grünbraun geschuppter, dicht an dicht stehender Körper reichte noch weit den Weg hinab, der zum Plateau führte. Der Anblick beunruhigte Skar, denn es machte auch den Quorrl sicherlich keinen Spaß, dichtgedrängt wie eine Schafherde auf einer zu kleinen Koppel dazustehen. Wenn sie es trotzdem taten, konnte es eigentlich nur einen Grund dafür geben: in der einzigen Richtung, in der Platz zum Ausweichen gewesen wäre - nämlich hinter ihnen, war etwas, was sie daran hinderte.