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»Die Ssirhaa haben den Wächter erschaffen, du Narr«, sagte Titch leise.

»Und selbst, wenn es nicht so wäre«, fügte Skar hinzu. »Was glaubst du, wie lange es dauert, bis sie das Wort in Erfahrung bringen? Einen Tag? Zwei? Sie sind Götter.«

»Hast du nicht gerade behauptet, genau das wären sie nicht?«

»Für mich. Für Titch. Vielleicht für dich. Für viele deiner Männer werden sie es sein, wenn sie ihnen gegenüberstehen, Rowl. War Cron der einzige Quorrl außerhalb Carans, der das geheime Wort kannte?«

»Nein«, gestand Rowl widerstrebend. »Aber es gibt nicht viele. Nur eine Handvoll, und die -«

»Einer reicht«, unterbrach ihn Skar. »Du kennst die Macht der Ssirhaa nicht.«

»Ich brauche Zeit«, beharrte Rowl. »Ich... kann das nicht entscheiden. Nicht so schnell, und nicht allein. Ich muß... Erkundigungen einziehen. Mit ein paar Leuten sprechen. Und mit meinen Männern.«

»Bist du ihr Führer oder nicht?« fragte Skar.

»Das bin ich«, sagte Rowl. »Ihr Führer, Satai. Nicht ihr Herrscher. Ich befehlige sie nur so lange, wie sie es wollen. Ich kann ihnen nicht befehlen, ihre Götter zu verleugnen.«

»Dann mach ihnen klar, daß alles, was sie von ihren Göttern zu erwarten haben, der Tod ist«, erwiderte Skar. Verzweiflung begann sich in ihm breitzumachen. Er spürte, daß Rowls Selbstsicherheit gründlich ins Wanken geraten war, aber er spürte auch ebenso deutlich, daß der Bastard keinen Schritt mehr nachgeben würde. Nicht jetzt. Und wahrscheinlich hätte er umgekehrt kaum anders reagiert, wäre er an Rowls Stelle gewesen. Der Quorrl brauchte einfach Zeit, um all das zu verarbeiten, was er innerhalb der letzten Stunden gehört hatte.

Aber Zeit war genau das, was sie am allerwenigsten hatten. Er vor allem.

Als hätte er seine Gedanken gelesen, sagte Rowl noch einmaclass="underline" »Ich brauche Zeit. Zwei Tage, vielleicht drei.«

»So viel Zeit haben wir nicht«, sagte Titch.

»O doch, die habt ihr«, widersprach Rowl, plötzlich wieder hart, in befehlendem, herrischem Ton. »Ihr habt nichts zu befürchten. Bis ich mich entschieden habe, steht ihr unter meinem persönlichen Schutz.«

»Du hast uns dein Wort gegeben -«

»Euch am Leben zu lassen und nach Ninga zu bringen, ja«, fiel ihm Rowl ins Wort. »Ich habe nicht gesagt, wann ich euch dorthin bringe.«

»Skar stirbt«, sagte Titch ernst. »Und das Mädchen auch.«

»So schnell stirbt es sich nicht«, erwiderte Rowl gereizt. Er stand auf. »Kein Wort mehr jetzt! Ich werde euch meine Entscheidung wissen lassen, sobald ich sie gefällt habe. Geht jetzt!« Skar erhob sich niedergeschlagen, während sich Titch nicht von seinem Platz rührte. »Hältst du so dein Wort, Bastard?« fragte er bitter.

Rowl starrte ihn an. Seine Augen blitzten zornig. »Du hast die Wahl, Krieger«, sagte er betont. »Du kannst aus freien Stücken in dein Gemach gehen, oder als Gefangener. Aber gehen wirst du. Jetzt.«

Titch hielt seinem Blick noch eine weitere Sekunde lang stand, ehe er mit einem Ruck von seinem Stuhl aufsprang und sich zum Ausgang wandte. Als Skar ihm folgen wollte, rief ihn Rowl noch einmal zurück: »Satai!«

Skar blieb stehen, und auch Titch verharrte mitten im Schritt und drehte sich mit mißtrauisch gerunzelter Stirn zu Rowl um. Der Bastard starrte ihn an, und es war etwas in seinem Blick, was Titch bewog, nur noch eine Sekunde stehenzubleiben, ehe er abermals herumfuhr und davonstürmte.

»Auf ein Wort, Satai«, sagte Rowl, als sie allein waren.

»Was willst du wissen?« fragte Skar grob. »Ob Titch die Wahrheit sagt?«

»Nein.« Rowl schüttelte heftig den Kopf, setzte sich wieder und ließ schwer die Arme auf die Lehnen seines Sessels fallen. »Ich weiß, daß er mich belügt.« Er lächelte flüchtig, als Skar antworten wollte, und hob abwehrend die Hand. »Gib dir keine Mühe, Satai. Ihr belügt mich. Beide. Zumindest verschweigt ihr mir etwas.«

Fast zu seiner eigenen Überraschung fühlte Skar sich nicken. »Das stimmt«, sagte er. »Aber es ist nichts, was dich anginge. Es hat mit... mit mir zu tun. Nur mit mir. Was Titch über die Sternengeborenen und die Ssirhaa erzählt hat, ist die Wahrheit.«

»Ich weiß«, sagte Rowl.

Skar sah überrascht auf. »Du weißt, was -«

»Ich wußte, daß etwas passiert«, sagte Rowl. »Nicht was. Aber eure Geschichte paßt zu gut zu dem, was hier geschieht, als daß sie völlig erlogen sein könnte. Trotzdem: ich habe dich nicht zurückgerufen, um darüber mit dir zu reden.«

»Sondern?«

Rowl zögerte. Sein Blick blieb weiter auf Skar gerichtet, und trotzdem brachte er irgendwie das Kunststück fertig, ihm auszuweichen. Skar hatte das Gefühl, daß es ihm schwer fiel, weiter zu reden.

»Über dich, Satai«, sagte er schließlich.

Skar schwieg.

»Du bist mehr, als du zugibst, Satai«, fuhr Rowl fort, als die erhoffte Reaktion ausblieb. »Ich sehe dich an, und ich sehe einen alten Mann. Einen Satai, der von sich behauptet, nur noch wenige Tage zu leben zu haben, und der ganz so aussieht, als wäre das die Wahrheit. Einen Krüppel. Aber da ist noch mehr. Etwas an dir macht mir angst, Satai, und das verstehe ich nicht. Warum habe ich Angst vor dir?«

»Vielleicht, weil ich schlechte Nachrichten bringe«, sagte Skar ausweichend. Er begann sich immer unbehaglicher zu fühlen. Er hatte das Gefühl, aus Glas zu sein. Rowl mußte ihn einfach durchschauen, so mühelos, wie er Titch durchschaut hatte. »Schlechte Nachrichten sind nichts Besonderes für einen Mann wie mich«, antwortete Rowl.

»So schlechte Nachrichten?«

»Du bist nicht der erste, der das Ende der Welt prophezeit.« Rowl beugte sich in seinem bizarren Sessel vor, legte die Handflächen flach auf den Tisch und starrte Skar durchdringend an. »Es ist nicht das, was du tust oder sagst, Satai. Es ist das, was du bist.«

Skar schwieg weiter, denn er spürte, daß es nichts gab, was er sagen konnte. Jedes Wort, gleich welches, hätte Rowls Mißtrauen mehr geschürt. Und Rowl schien auch nicht wirklich mit einer Antwort gerechnet zu haben, denn nach einigen Sekunden ließ er sich im Sessel zurücksinken, legte den Kopf gegen die wuchtige Lehne aus rissigem Metall und schloß die Augen. Er seufzte tief. »Weißt du, was das hier ist?« fragte er plötzlich.

»Was?«

Rowl machte eine weit ausholende Armbewegung, ohne die Augen zu öffnen. »Dies alles hier. Caran.«

»Nein«, antwortete Skar. »Woher sollte ich? Ich war niemals zuvor hier.«

»Aber du weißt, was es nicht ist.«

»Wofür es die meisten halten«, sagte Skar nickend. »Ein Berg. Höhlen.«

»Ja.« Rowl seufzte, öffnete endlich die Augen und stand wieder auf. Als er an Skars Seite trat, überragte er ihn wieder um mehr als eine Haupteslänge. Und trotzdem schien er etwas von seiner Größe eingebüßt zu haben, auf eine schwer in Worte zu fassende Weise müder geworden zu sein. Voller Schrecken begriff Skar, daß es die gleiche, unheimliche Veränderung war, die auch mit Cron vonstatten gegangen war, kurz vor seinem Tod. Längst nicht so heftig, aber spürbar.

Es beginnt auch hier, Bruder. Du bringst den Tod, egal, wo du hingehst.

»Es ist ein Berg, Satai«, murmelte Rowl. »Aber er wurde gemacht. Jemand hat ihn gebaut. Jemand hat dieses ungeheuerliche ... Ding erschaffen, so mühelos, wie wir eine Burg bauen, oder eine Stadt. Ein Ding von der Größe eines Berges, mit Tausenden von Räumen und Meilen über Meilen von Gängen und Fluren. Wir sind viele, Skar. Tausende. Und doch bewohnen wir nur einen kleinen Teil der Höhlen. Weißt du, warum?« Skar schüttelte stumm den Kopf.