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Das war es, was sie erwartete, dachte er. Angst. Das Lebenselixier der Sternengeborenen, die Energie, die ihre furchtbare Vernichtungsmaschinerie antrieb. Die Quorrl würden vielleicht etwas erleben, was keinem anderen Volk auf dieser Welt je widerfahren war - von ihren eigenen Göttern beherrscht zu werden, nicht im übertragenen Sinne, sondern wortwörtlich. Aber sie würden einen entsetzlichen Preis dafür zahlen. Und er glaubte zu spüren, daß manche von ihnen es bereits wußten.

Langsam trat er auf Ennart zu. Der Ssirhaa hatte seine schwarze Rüstung abgelegt und trug jetzt wieder die Kleider, in denen Skar ihn im Turm kennengelernt hatte: eine knöchellange Toga aus fließendem Gold unter einem lose fallenden, bestickten Umhang der gleichen Farbe, und wieder hatte Skar dasselbe irrationale Gefühl, lachen zu müssen, das ihn schon einmal überkommen hatte bei Ennarts Anblick. Die Kleider unterstrichen die ehrfurchtgebietende Gestalt des Ssirhaa noch, aber alles an ihm schien eine Spur zu machtvoll, eine Winzigkeit übertrieben, um wirklich noch göttlich zu sein.

Er näherte sich dem Ssirhaa bis auf drei Schritte und blieb stehen. Seine Hand griff nach dem Schwert im Gürtel, strich fast liebevoll über seinen Griff und verharrte darauf. Ennarts Blick folgte der Bewegung. Er lächelte, aber seine Augen blieben kalt. »Es hat lange gedauert, bis wir uns wiedersehen«, sagte er, und auch dieser Satz war etwas, das Skars Mißtrauen eher noch stärkte.

»Ja«, sagte er. Seine Hand schloß sich fester um das Schwert. Er beobachtete Ennart genau, und das sonderbare Gefühl wurde immer stärker. Etwas an Ennart war... falsch. »Was willst du?«

»Dasselbe, was ich schon einmal von dir wollte, Satai«, antwortete Ennart.

»Den Tod?« Skar zog das Schwert eine Handspanne weit aus der Scheide und ließ die Klinge mit einem hörbaren Geräusch wieder zurückfallen. »Vielleicht waren Titch und ich das letzte Mal nicht gründlich genug«, sagte er böse. »Aber ich kann versuchen, es besser zu machen.«

Für Bruchteile von Sekunden blitzte es in Ennarts Augen böse auf, und für die gleiche Zeitspanne verlor der Ssirhaa auch die Kontrolle über seine Züge. Wut verzerrte das goldene Antlitz des Quorrl-Gottes, schien es zu etwas anderem zu machen, etwas, das nicht Quorrl oder Mensch war, eine Maske hinter einer Maske, und auch dahinter nicht sein wirkliches Antlitz, sondern das Gesicht eines Wesens, das kein Gesicht hatte, und ... Ein stählerner Besen schien durch Skars Kopf zu fahren und den Gedanken davonzuwirbeln. Das Gefühl, zu wissen, was sich hinter Ennarts Maske verbarg, verging, aber etwas blieb: das Wissen, daß da etwas war.

Es ist alles gelogen, Bruder. Sie sind Meister der Lüge. Dann gewann der Ssirhaa seine Fassung zurück, und mit der Wut auf seinem Gesicht verschwand auch das Flüstern seines Dunklen Bruders aus Skars Gedanken. Skar löste die Hand vom Schwert, zog sie aber nicht sehr weit zurück. Seine Finger blieben in Griffweite der Waffe, und Ennart registrierte auch das; und auch das nicht ganz so unbeeindruckt, wie Skar erwartet hatte. »Ich wiederhole mein Angebot, Skar«, sagte Ennart. »Ich bin gekommen, um dich zu holen. Du hast keine Wahl. Nur die, als Gefangener oder als freier Mann mit uns zu kommen.«

»Das hatten wir schon einmal, nicht?« fragte Skar bissig. Ennart schwieg. Nur in seinen Augen regte sich etwas. Etwas Böses, Lauerndes.

»Du kannst mich nicht zwingen, Ssirhaa«, fuhr er fort. »Du hast es schon einmal versucht. Es ist dir nicht gelungen, und es wird dir auch jetzt nicht gelingen. Ist ein Tod nicht genug, um daraus zu lernen?«

»Die gleiche Frage könnte ich dir stellen, Satai«, antwortete Ennart mit großem Ernst. »Ich habe den höchsten Preis bezahlt, den du dir denken kannst. Das Leben.«

»Eigentlich siehst du ganz munter aus«, sagte Skar. Er spürte, daß er den Boden unter den Füßen zu verlieren begann. Ennart hatte sich verändert, aber etwas war gleich geblieben: die Unmöglichkeit, ihn mit Worten zu besiegen. Sie sind Meister der Lüge. »Ihr habt mich getötet, Titch und du«, antwortete Ennart. »Ich bin ein Gott, Satai, und für mich und meine Brüder gelten andere Gesetze als für dich oder die Quorrl. Aber dieser Körper ist sterblich, und er kann Schmerzen verspüren. Ihr habt mir Schmerz zugefügt, schlimmer, als du dir vorstellen kannst, und ich habe den Tod kennengelernt, durch euch. Und trotzdem bin ich bereit, dir zu vergeben. Was soll ich noch tun, um dein Vertrauen zu erringen?«

»Wie wäre es, wenn du dein Schwert nimmst und dir die Kehle durchschneidest?« schlug Skar vor.

»Du kannst nicht gewinnen, Skar«, sagte Ennart ernst.

»Das will ich auch nicht«, antwortete Skar. »Es reicht mir völlig, wenn ich verhindere, daß ihr gewinnt.«

Ennart seufzte. Seine Stimme nahm den Ausdruck an, den man einem uneinsichtigen Kind gegenüber anschlägt. »Was muß noch geschehen, damit du einsiehst, wie sinnlos dein Kampf ist, Satai?« fragte er. »Wie viele Leben willst du noch vernichten? Wie viel Unglück willst du noch verbreiten, du und das Ding, das in dir steckt?«

Skar erschrak. »Du ... weißt -?«

»Ich bin ein Gott«, wiederholte Ennart mit einem milden Lächeln. Er streckte die Hand aus. Skar machte einen raschen Schritt zurück und griff wieder nach seiner Waffe, und Ennart zog den Arm mit einem bedauernden Seufzen wieder zurück. Skar machte einen weiteren Schritt nach hinten und zog die Waffe vollends aus dem Gürtel.

Ennart hob die Hand, und hinter ihm erklang ein Skar wohlvertrautes, warnendes Geräusch: der Laut, mit dem Dutzende von Pfeilen auf Bögen gelegt und die Sehnen straffgezogen wurden.

»Versuch es nicht, Satai«, sagte Ennart. »Ich fürchte den Tod dieses Körpers nicht, aber er wäre sinnlos. Es würde Zeit kosten, ihn neu zu schaffen. Und wir haben nicht mehr viel Zeit, du und ich.«

»Dann zaubere dir doch welche«, knurrte Skar.

»Selbst uns sind Grenzen gesetzt«, sagte Ennart lächelnd. »Nicht einmal ein Gott kann die Zeit besiegen. Steck das Schwert ein - ich bitte dich. Ich bin nicht hier, um zu kämpfen. Ich will nur reden.«

»Was willst du von mir?« fragte Skar. Ennart antwortete nicht, und das Scharren und Schleifen hinter Skar wiederholte sich. Widerstrebend ließ er die Klinge wieder in die lederne Hülle an seinem Gürtel gleiten. »Du willst mich? Dann komm und hole mich! Oder gib deinen Kriegern ein Zeichen, mich zu erschießen.« Würde er schnell genug sein? Er wollte nicht sterben, selbst jetzt noch nicht. Skar fragte sich, ob die unendlich kurze Zeitspanne, die ein Pfeil brauchte, um von der Sehne zu schnellen und sein Ziel zu treffen ausreichte, seinen dunklen Bruder um Hilfe zu rufen. »Ich will nicht deinen Tod, Satai«, sagte Ennart geduldig. »Wir brauchen dich. Enwor braucht dich. Deine Macht.«

»Ihr braucht mich, um zu gewinnen.«

»Nein«, antwortete Ennart, und trotz allem spürte Skar, daß der Ssirhaa die Wahrheit sagte. »Es gibt keinen Zweifel mehr an unserem Sieg. Die Frage ist nur, wie wir gewinnen - ob Enwor uns kampflos zurückgegeben wird oder sein Widerstand in einem Meer von Blut ertrinkt. Diese Welt gehört uns. Sie hat uns immer gehört, und wir werden sie zurückbekommen. Aber es ist deine Entscheidung, wie.«

»Enwor gehört euch nicht«, antwortete Skar. »Vielleicht hat es euch einmal gehört. Aber wenn, dann habt ihr diesen Anspruch verspielt, indem ihr es zerstört habt.«

Ennart seufzte. Er wirkte... traurig. Nicht zornig oder aufgebracht, sondern eher enttäuscht, ein Mann, der eine Antwort bekommen hatte, die er vorher kannte.