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»Ennart?« Skar blickte in die Richtung, in die Titchs Hand wies. Er seufzte tief. »Du wirst es mir wahrscheinlich nicht glauben«, sagte er, leise und im Tonfall tiefster Verwirrung. »Aber er hat mich um Hilfe gebeten.«

Der Quorrl war nicht einmal sehr überrascht. »Sie fürchten die Kreatur, die sie selbst erweckt haben«, sagte er. Mit einem verächtlichen Verziehen der Lippen fügte er hinzu: »Und sie nennen sich Götter!«

Sie gingen zurück ins Innere Carans. Auch der stählerne Dom hinter dem Felsspalt hatte sich mit Quorrl gefüllt, aber Skar wußte nur zu gut, wie trügerisch der Schutz der stählernen Kuppel war; und Titch mußte es auch wissen. Sein Gesicht zeigte nicht die mindeste Regung, während sie die Kuppel durchquerten und sich dem eigentlichen Eingang Carans näherten. Skar verspürte ein plötzliches, heftiges Mitleid mit dem Quorrl. Vielleicht würde keiner dieser Krieger am nächsten Morgen noch leben, und vielleicht würde Titch sein Heer ein zweites Mal verlieren.

Die Stille kam Skar doppelt unheimlich vor, nach dem Lärm und den Schreien und dem Chaos flüchtender und durcheinanderstürzender Quorrl in der gewaltigen Höhle. Zwei von Rowls Männern erwarteten sie, um sie sicher weiter ins Innere des Berges zu begleiten, aber ihre Nähe vermittelte Skar nicht das Gefühl von Sicherheit; ganz im Gegenteil - der Anblick der beiden breitschultrigen Kolosse schien die Fremdartigkeit Carans noch zu betonen. Wie beruhigend, überlegte Skar, wirkte ein Beschützer, der selbst Angst hatte?

»Was wird Rowl tun?« fragte er. Seine Worte rief unheimliche hallende Echos in dem halbrunden Gang aus Metall hervor. Die Schatten schienen sich zu bewegen, als hätte der Klang seiner Stimme sie aus ihrem äonenlangen Schlaf gerissen, so daß sie sich nun formierten, um ihn für diesen Frevel zu bestrafen. Titch zuckte mit den Schultern und sah zu ihren Begleitern zurück, ehe er antwortete. Auf den Gesichtern der beiden Quorrl war nicht zu erkennen, ob sie Skars Worte verstanden hatten oder nicht. »Ich weiß es nicht«, gestand er. »Frage mich, wie jemand reagieren wird, der völlig unberechenbar ist. Ich glaube, er selbst hat nicht viel mit den Ssirhaa im Sinn. Warum sollte jemand, der die Gesetze der Götter haßt, sie selbst verehren? Was seine Männer allerdings tun werden ...«

Er sprach noch weiter, aber mit einem Male gelang es Skar nicht mehr, sich auf seine Worte zu konzentrieren. Ein unwirkliches Gefühl ergriff von ihm Besitz. Titchs Stimme schien zu zerbröckeln, Trümmer aus Schall, die an ihm vorüberglitten, ohne daß er sie greifen und in die richtige Reihenfolge bringen konnte.

Die Schatten wogten heftiger, und Skar spürte mit fast körperlicher Intensität, wie etwas geschah. Es war ein Hauch jener anderen, unendlich fremden und feindseligen Welt, von der ein Teil in ihm schlummerte, der plötzlich in die Wirklichkeit hinüberzugreifen schien.

Auch Titch und die beiden anderen Quorrl spürten es. Sie blieben stehen. Titch sah auf, sah sich zuerst verwirrt und dann erschrocken um und machte eine hilflose Geste; begleitet von Worten, die Skar so wenig verstand wie die zuvor. Er versuchte nicht, zu antworten, sondern gab Titch nur mit einer Geste zu verstehen, daß er schneller gehen sollte. Und plötzlich war die Angst da, die er in Ennarts Gegenwart vermißt hatte.

Nach einer Weile begann er zu laufen, schließlich zu rennen, und er verfiel erst wieder in einen etwas langsameren Trab, als ihn sein jagender Herzschlag und dünne Schmerzpfeile in seinen Lungen dazu zwangen. Skar war völlig erschöpft, als sie endlich in die oberen, bewohnten Etagen Carans zurückkehrten. Auch hier war es still, aber das war es schon immer gewesen; trotz der unheimlichen Akustik im Inneren des stählernen Berges, die alle Laute zu verstärken und verzerren schien, herrschte eine fast unheimliche Ruhe, in der jeder menschliche Laut isoliert und fehl am Platze schien, und so dauerte es eine Weile, bis Skar die Veränderung überhaupt auffieclass="underline" das fast magische Schweigen Carans war noch da, aber alle anderen Geräusche waren verschwunden.

Er blieb stehen, hob die Hand und machte eine rasche, abwehrende Geste, als Titch den Mund öffnete. Der Quorrl runzelte die Stirn, legte den Kopf schräg, lauschte - und erschrak ebenfalls.

»Irgend etwas stimmt hier nicht«, flüsterte er. Er zog sein Schwert, gab den beiden Quorrl neben ihm einen Wink, sich ebenfalls zu bewaffnen, und trat mit einem geschmeidigen Schritt an Skar vorbei. Auch Skar zog seine Waffe. Aufmerksam sah er sich um, während er dem Quorrl in drei Schritten Abstand folgte. Narrten ihn nur seine überreizten Nerven, oder war das blutige Licht Carans dunkler geworden, seine Farbe etwas mehr ins Rot verschoben und düsterer?

Nach ein paar Schritten blieb Titch stehen, hob warnend die Hand und deutete mit der anderen auf eine Tür, nur wenige Schritte entfernt und auf der anderen Seite des Ganges. Skar nickte. Mit einer wortlosen Geste wies er die beiden Bastarde an, zurückzubleiben und ihren Rücken zu decken, überquerte den Gang und preßte sich dicht neben der offenstehenden Tür gegen den rostigen Stahl der Wand. Titch vollzog die Bewegung auf der anderen Seite der Tür nach, wechselte das Schwert von der rechten Faust in die linke - und bewegte sich plötzlich rasend schnell. Mit einem einzigen, geschmeidigen Satz sprang er durch die Tür und nach links, und Skar folgte ihm, ebenso schnell und bereit, sich bei der geringsten verdächtigen Bewegung zur Seite zu werfen und gleichzeitig zuzuschlagen.

Aber ihre Vorsicht war unbegründet.

Das Zimmer war leer. Düsterrotes Licht und ein fremdartiger, stechender Geruch hingen in der Luft, auf dem pilzförmigen Tisch aus verrostetem Eisen standen Teller und Schalen mit den Resten einer Mahlzeit, und direkt neben der Tür lag ein achtlos fallen gelassenes Kleidungsstück, aber von seinem Bewohner war keine Spur zu sehen.

Skar tauschte einen raschen, fragenden Blick mit Titch und schob sein Schwert in die Scheide zurück. Während der Quorrl mit gezückter Waffe neben der Tür stehenblieb, um ihn und den Gang gleichzeitig im Auge behalten zu können, durchsuchte er die Kammer in aller Eile.

Er wußte selbst nicht genau, warum er es tat - an einem leeren Zimmer war nun wirklich nichts Besonderes, schon gar nicht in einem Gebilde wie Caran, das im Grunde aus nichts anderem als leeren Zimmern bestand - sehr vielen leeren Zimmern sogar - aber er spürte, daß er sich nicht täuschte: und daß es Titch genauso erging wie ihm: das Gefühl von Gefahr war nicht kleiner geworden; im Gegenteil. Es war nicht mehr nur ein Gefühl- es war Gefahr, eine mörderische Drohung, die greifbar in der Luft lag.

Der Anblick des Zimmers jedenfalls erbrachte nichts. Skar durchsuchte es so gründlich, wie dies in aller Hast möglich war, aber alles, was er fand, waren weitere Beweise dafür, daß der Raum von seinem Bewohner in aller Hast verlassen worden war. Und daß - Draußen auf dem Gang erscholl ein gellender Schrei.

Titch wirbelte herum und stürzte mit einem einzigen Satz aus der Tür, und Skar flankte kurzerhand über den Tisch und raste hinter ihm her. Das Tschekal glitt wie von selbst aus dem Gürtel und sprang in seine Hand. Mit zwei, drei gewaltigen Schritten stürmte er aus der Kammer, sprang an Titchs Seite und drehte sich erst dann herum, bereit, sich zu verteidigen oder auch anzugreifen, je nachdem.

Der Korridor hinter ihnen war leer. Nur rotes Licht und Schatten wogten zwischen den rostzerfressenen Wänden. Aber das stimmte nicht. Da war noch etwas. Etwas, das unsichtbar und drohend in der Welt zwischen den Dingen lauerte, und das er kannte...

Verwirrt sah er sich um, schob schließlich sein Schwert wieder in den Gürtel und wandte sich an den Quorrl, der geschrien hatte. »Was war los?«

»Ich ... ich weiß es nicht«, stammelte der Quorrl. Sein Gesicht war bleich, soweit Skar dies in der unsicheren Beleuchtung erkennen konnte, und seine Hände hielten das Schwert viel fester, als nötig gewesen wäre. Sie zitterten. Der Blick seiner dunklen, schreckgeweiteten Augen tastete unstet in der roten Dunkelheit hinter Skar.