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Er bewegte die Schwertspitze zum Gürtel, wie um die Waffe wieder in ihre Hülle zu schieben, führte die Bewegung dann aber nicht zu Ende, sondern behielt das Tschekal in der Hand, als er neben dem Toten niederkniete. Titch und die beiden Quorrl rührten sich nicht, sondern starrten voller Unglauben und Entsetzen auf den toten Krieger herab, so daß es an Skar war, den Leichnam genauer zu untersuchen. Skar begriff den Grund für Titchs Entsetzen. Wahrscheinlich hätte er es umgekehrt auch Titch überlassen, wäre dieser Tote ein Mensch gewesen. »Was hat ihn umgebracht, Skar?« fragte Titch. Seine Stimme war nur noch ein Hauch, ein entsetztes Flüstern, erfüllt von abgrundtiefem Grauen. »Was war es?«

Statt zu antworten, beugte sich Skar weiter vor und betrachtete den Toten genauer. Der Quorrl lag in einer bereits halb erstarrten Lache dunkler Flüssigkeit, die Skar im ersten Moment für Blut gehalten hatte. Jetzt sah er, daß das nicht stimmte: die Pfütze war zu groß, und der Geruch stimmte nicht - es war der gleiche, fremdartig-vertraute Geruch, der ihm schon vorher aufgefallen war. Skar bewegte sich in der Hocke einen halben Schritt zurück, um der schwarzen Flüssigkeit nicht zu nahe zu kommen; er hatte das Gefühl, daß es besser war, wenn er sie nicht berührte. Skar schluckte den bitteren Klumpen hinunter, der in seiner Kehle saß, hob das Schwert und berührte mit der Spitze die Schläfe des Totenschädels. Der Knochen zerbröckelte wie eine dünne Schicht aus Gips, eine leere Schale, unter der nichts mehr war. Was immer ihn angegriffen hatte (Was immer? Aber du weißt doch ganz genau, was es war, Bruder. Du hast es GESEHEN!), hatte sein Fleisch, seine Muskeln und seine Organe verzehrt und auch dem Knochen seine Festigkeit genommen, ehe es zu dieser glitzernden schwarzen Pfütze geworden war; wahrscheinlich im gleichen Augenblick, in dem der Quorrl starb. Skar betrachtete nachdenklich den Dolch, der den Quorrl und das, was ihn befiel, getötet hatte - und dann wußte er es. Die Antwort war so klar, daß er sich sekundenlang fragte, wieso er es nicht sofort gemerkt hatte.

»Es ist die Kreatur, Titch«, murmelte er. Er sah auf, begegnete dem Blick des Quorrl und sah das gleiche Begreifen und Erschrecken darin wie in sich selbst.

»Sie ist hier! Die gleiche Kreatur wie in Drasks Burg!« Vielleicht war sie die ganze Zeit über hiergewesen, ein unvermeidbarer Teil von allem, was die Sternengeborenen erschaffen und hinterlassen hatten. Vielleicht hatte er sie mitgebracht.

»Aber du hast sie vernichtet!« sagte Titch. »Sie ist tot, Skar!« Das stimmte. Aber wer hatte je gesagt, daß es nur diese eine Kreatur gab? Sie hatten ein Wesen geschaffen, das eine ganze Welt erobern sollte!

Er stand auf und entfernte sich ein paar Schritte von dem Toten, und auch Titch und die beiden anderen Quorrl wichen jetzt fast hastig aus seiner unmittelbaren Nähe zurück, als fürchteten sie, sich zu besudeln oder anzustecken, wenn sie ihm zu nahe kamen.

»Wo sind die anderen?« fragte Titch. »Rowl und die Krieger?« (Und Kiina?) »Sie können nicht alle -«

»Nein«, unterbrach ihn Skar; so hastig, daß er selbst begriff, wie groß seine Angst war, Titch könnte recht haben mit dem, was er sagen wollte. »Nein. Wir hätten Spuren finden müssen.« Skelette. Kiinas skelettierter Leichnam, verkrümmt und in einer Pfütze aus schwarzem brodelndem Schleim liegend, der... Es kostete Skars gesamte Kraft, das Bild aus seinem Kopf zu verscheuchen und sich wieder an Titch zu wenden.

»Wir hätten Spuren gefunden«, sagte er noch einmal. »Sie müssen geflohen sein. Rowl ist ein intelligenter Mann - er wird die Gefahr erkannt haben und geflohen sein.« Er muß es sein. Er muß einfach, weil dies die einzige Chance für Kiina war, noch am Leben zu sein.

Er wandte sich an einen der beiden Bastarde: »Gibt es einen... eine Zuflucht?« fragte er. »Einen Ort, an den ihr euch zurückzieht, falls... falls Caran angegriffen wird?«

»Nein, Herr«, antwortete der Quorrl. »Das ist nicht vorgesehen. Niemand... Caran ist unangreifbar. Rowl hat uns immer gesagt, daß nichts hier eindringen kann. Er hat gesagt, wir wären sicher.«

Ja, dachte Skar düster. Vor jedem Feind, der von außen kam. Nicht vor einem, der schon auf sie gewartet hatte, lange, ehe sie überhaupt kamen.

»Wir müssen sie finden«, sagte er bestimmt. »Sie müssen hier sein. Irgendwo. Es muß einen Ort geben, an den...« Er stockte, starrte eine Sekunde lang an Titch vorbei ins Nichts und setzte dann neu an. »Wo ist Rowls Quartier?«

Einer der beiden Quorrl sah weg. Der andere hielt seinem Blick stand, wurde aber zunehmend nervöser. »Ich ... verstehe nicht. Das hier -«

»Du verstehst verdammt gut!« unterbrach ihn Skar. »Ich rede nicht von dem hier. Das ist euer Thronsaal, euer ...« Er suchte nach Worten. »Nenn es, wie du willst, aber es ist nicht Rowls Schlafraum, oder?«

»Nein«, gestand der Quorrl.

»Dann bring uns dorthin«, verlangte Titch.

Der Quorrl zögerte, und Titch ergriff ihn wütend an der Schulter und zwang ihn, sich herumzudrehen und den Toten neben der Tür anzusehen. »Es sei denn, du willst sein Schicksal teilen. Willst du das?«

Das wirkte. Der Quorrl schüttelte erschrocken den Kopf, löste Titchs Hand von seiner Schulter und deutete auf die Tür. Sie verließen den Raum und gingen zurück in die Richtung, aus der sie gekommen waren.

Titch fiel ein paar Schritte zurück und signalisierte Skar mit Blicken, es ihm gleich zu tun. »Was, zum Teufel, macht dich so sicher, daß sie dort sind?« fragte er im Flüsterton.

»Nichts«, antwortete Skar. Er sah sich nervös um. Der Gang war leer wie vorhin, aber der Anblick des toten Quorrl machte es ihm unmöglich, auf seine innere Stimme zu hören. Er war halb wahnsinnig vor Angst, und er sah unentwegt den Leichnam des Quorrl vor sich; aber er trug Kiinas Gesicht. »Aber Rowl ist ein vorsichtiger Mann. Hättest du dich allein auf diese Mauern verlassen?«

»Ich wäre erst gar nicht hierhergekommen«, grollte Titch. Aber er wußte, was Skar meinte, und nickte gleichzeitig. »Wenn es einen Ausgang aus dieser Falle gibt, dann dort«, behauptete Skar mit sehr viel mehr Überzeugung in der Stimme, als er wirklich empfand. Er klammerte sich einfach verzweifelt an die Hoffnung, daß es so war.

Sie fanden noch mehr tote Quorrl, nachdem sie die Gangkreuzung wieder erreicht hatten und nach rechts abgebogen waren: zwei, drei Krieger, die ebenso grausam oder schlimmer verstümmelt schienen wie der, den sie als ersten gefunden hatten, aber auch einige, die fast unversehrt schienen; zumindest auf den ersten Blick.

Dann sah Skar etwas, das ihn unvermittelt stehenbleiben und neben einem der Toten in die Hocke sinken ließ.

Der Quorrl wies - von dem Schwerthieb, der ihn getötet hatte abgesehen - keine sichtbaren Verletzungen auf, aber über der Brust war sein Hemd eingesunken, und auch unter seinem Leib glitzerte eine Lache dieser dunklen, schlierigen Flüssigkeit, die verriet, was wirklich für seinen Tod verantwortlich gewesen war. Und seine rechte Faust umklammerte etwas. Etwas Kleines, Gelblichgrünes, von der Größe einer Kinderfaust...

Skar wollte die Hand danach ausstrecken, aber einer der Quorrl kam ihm zuvor. Er schrie auf, stieß Skar brutal von den Füßen und zur Seite und bückte sich blitzschnell nach dem Toten. Skars warnender Schrei kam zu spät.

Es ging rasend schnell, und trotzdem sah Skar alles fast übernatürlich klar und deutlich, denn seine Sinne arbeiteten mit jener phantastischen Schärfe, die sich nur in Momenten absoluter Gefahr einstellte: der Quorrl riß das Ei an sich und fuhr in der gleichen Bewegung herum und zurück, Crons Brut wie einen kostbaren Schatz gegen die Brust gedrückt und die linke Hand mit dem Schwert drohend erhoben.