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Aber dann würde er Kiina niemals wiedersehen, und das allein war der Grund, aus dem er sich zwang, weiterzugehen, wie eine Maschine, die zu nichts anderem gemacht war als dazu, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und nichts anderes konnte. Schließlich blieb Titch wieder stehen und sagte etwas, aber Skar war so erschöpft, daß er einfach weiterging, bis der Quorrl ihn am Arm zurückhielt.

»Hör«, sagte er warnend.

Skar lauschte. Zuerst hörte er nichts außer dem Rauschen seines eigenen Blutes und dem Wispern Carans, das nur in seinem Kopf Realität war, aber nach einer Weile vernahm er ein anderes Geräusch - eine Mischung aus Lauten, einzeln nicht zu identifizieren, die in ihrer Gesamtheit aber etwas ergaben, was er nur zu gut kannte: Schreie, das Klirren von Metall, Schritte, das Kreischen sterbender Pferde und Quorrl...

»Sie kämpfen«, sagte Titch.

Skar war zu müde, um ihn zu fragen, wer da gegen wen kämpfte, oder gar warum. Er blickte den Quorrl an, und es fiel ihm schwer, sich zu besinnen, wer er war. Warum sie in diesem kalten, roten Gang waren, wo sie waren. Er nickte, machte einen weiteren Schritt - und taumelte mit einem Schrei gegen die Wand, als Titch ihm so wuchtig die Hände in den Rücken stieß, daß er glaubte, seine Rippen müßten brechen. Ungeschickt fing er die ärgste Wucht des Anpralles mit den Unterarmen auf und fuhr zornig herum.

Er sah die Bewegung aus den Augenwinkeln und zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern. Ebenso instinktiv und ohne zu denken hob er die Arme in die Höhe, um sein Gesicht zu schützen. Etwas klatschte weich und widerlich feucht gegen seine hochgerissenen Unterarme und schleuderte ihn ein zweites Mal gegen die Wand.

Erst dann erkannte er seinen Gegner.

Es war ein Quorrl - und doch wieder nicht. Seine Beine und die untere Hälfte des Körpers waren normal, aber was darüber lag, war ein Alptraum aus zerfetztem Stoff und aufgedunsenem, brodelndem schwarzen Gewebe, das zum Doppelten seiner normalen Größe angeschwollen schien, kaum mehr ein erkennbarer Körper, sondern eine formlose, zuckende Masse aus pulsierender Schwärze, aus deren oberem Teil Skar ein einzelnes, mißgestaltetes Auge anstarrte.

Skar versuchte sein Schwert zu ziehen, aber das grauenerregende Etwas, in das der Parasit den Quorrl verwandelt hatte, ließ ihm keine Chance. Sein verkrüppelter Körper suggerierte eine Plumpheit, die ganz und gar nicht da war. Das Ungeheuer sprang vor, packte ihn und schleuderte ihn mit fürchterlicher Wucht zu Boden. Eine riesige, feuchte Hand, schwammig und aufgedunsen, aber noch immer von unmenschlicher Stärke, preßte Skar zu Boden, während sich die andere Pranke seinem Gesicht näherte. Zwischen den halb zusammengewachsenen Fingern glitzerte etwas Kleines, Gelblichgrünes.

Der Anblick ließ Skar aufschreien. Mit einer verzweifelten Anstrengung riß er sich los, versuchte zur Seite und aus der Reichweite des mutierten Quorrl zu gelangen und gleichzeitig sein Schwert zu ziehen. Es gelang ihm, aber die Waffe behinderte ihn mehr, als sie nutzte. Er stolperte über seine eigene Klinge, taumelte ein zweites Mal gegen die Wand und stieß blindlings zu. Das Tschekal glitt scheinbar widerstandslos in das aufgeblähte Fleisch der Quorrl-Brust und tötete den Angreifer auf der Stelle, aber im gleichen Moment berührte dessen Pranke Skars Hüfte und zerbrach die Eihülle. Ein kleines, schwarzes Etwas mit haarigen Beinen und dünnen scharfen Zähnen wirbelte heraus und bohrte sich in Skars Haut.

Skar erstarrte. Wie in Trance sah er zu, wie sich die rasiermesserscharfen Zähne des winzigen Monsters in seine Haut gruben und rissen, seine Beine rasend schnell zu arbeiten begannen, wie kleine scharfkantige Scheren, die die gewaltsam geschaffene Öffnung vergrößerten und - erstarrten.

Für eine Sekunde hockte die schwarze Scheußlichkeit einfach reglos da, jetzt wirklich wie eine fette schwarze Spinne, die sich in Skars Hüfte verbissen hatte, dann begann sie plötzlich zu zittern, versuchte rückwärts zu kriechen, ihre Fänge aus Skars Bein zu ziehen.

Und starb.

Skar sah es nicht nur - er fühlte es. Für die gleiche, winzige Zeitspanne, in der sich die Zähne der Kreatur in sein Fleisch gebohrt hatten, hatten sich auch andere, unsichtbare Fänge in seinen Geist gewühlt, weißglühende Ströme aus Schmerz und unvorstellbarem Haß, der jedes bißchen Menschlichkeit in ihm auszulöschen drohte. Aber plötzlich war der Druck fort. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Skar einen lautlos gellenden Schrei zu hören, den Todesschrei einer Kreatur, die bisher nicht einmal gewußt hatte, daß es so etwas wie den Tod überhaupt gab, dann verhallte auch er, und im gleichen Moment fiel das kleine Ungeheuer von seinem Bein. Sein Körper begann sich aufzulösen, kaum daß es den Boden berührt hatte.

Skar taumelte. Der Tunnel schwankte vor seinen Augen wie das Deck eines Schiffes im Sturm. Übelkeit breitete sich in seinem Leib aus, gefolgt von Schwäche und ein heftiges Schwindelgefühl.

»Skar!« Titch sprang vor und fing ihn auf, als er zusammenbrach. Der Quorrl schrie etwas, aber Skar verstand ihn nicht, denn er verlor für Sekunden das Bewußtsein.

Als er die Augen wieder aufschlug, lag er auf dem Boden, der linke Arm des Quorrl stützte seinen Kopf, und Titchs Gesicht hing nur einen Fingerbreit über dem seinen. Der Quorrl hatte auf seinen Pulsschlag gelauscht.

Skar richtete sich stöhnend in eine halb sitzende Position auf, versuchte Titchs Arm beiseite zu schieben und registrierte mit einem Gefühl von Resignation und Bitterkeit, daß ihm selbst dazu die Kraft fehlte. Irgendwie brachte er das Kunststück fertig, nach Titchs Arm zu greifen und sich daran in die Höhe zu ziehen. Er stand, aber er wankte. Die Wunde an seinem Bein brannte wie Feuer.

Titchs Hände hielten ihn immer noch, und der Quorrl ließ auch nicht los, als Skar versuchte, seinen Arm beiseite zu schieben. Sein Blick glitt besorgt über Skars Gesicht. »Großer Gott, ich dachte, es wäre vorbei«, sagte er.

»Wo ist er... so plötzlich hergekommen?« murmelte Skar. Er sah Titch an, aber die Gestalt des Quorrl wankte und verbog sich immer wieder vor seinem Blick, als betrachte er sie durch einen Zerrspiegel.

»Er muß hier gewartet haben. Wahrscheinlich wimmelt es hier unten von diesen ... diesen...« Er suchte sekundenlang vergeblich nach Worten, zuckte schließlich mit den Schultern und lehnte Skar wie ein krankes Kind gegen die Wand. Pedantisch überzeugte er sich davon, daß er aus eigener Kraft stehen konnte, ehe er sich umdrehte und in die Hocke ging, um den Quorrl zu untersuchen, der Skar angegriffen hatte.

Skar sah bewußt in eine andere Richtung. Der Quorrl war tot, und das, was immer in ihm gewesen war, auch; gestorben im gleichen Augenblick, in dem sein Wirt starb. Ein Parasit, dachte Skar. Sie waren nichts anderes als Parasiten, winzige, mörderische Monstren, die in die Körper ihrer Opfer eindrangen und ihr Fleisch in... etwas anderes verwandelten. Aber sie töteten sie nicht, sowenig wie das Netz seine Opfer getötet hatte. Was sie taten, war tausendmal schlimmer.

»Sie müssen Rowl und die anderen verfolgt haben«, sagte Titch, als er sich nach einer flüchtigen Untersuchung des toten Quorrl wieder aufrichtete. »Wahrscheinlich haben wir nur Glück gehabt, bisher auf keinen von ihnen zu stoßen. Du hast Glück gehabt«, fügte er betont hinzu. »Eine halbe Sekunde später, und du hat...«

Er brach mitten im Wort ab. Seine Augen weiteten sich, als sein Blick auf die heftig blutende, daumentiefe Wunde in Skars Hüfte fiel.

»Du ... du hast es nicht getötet«, flüsterte er. In seiner Stimme war ein Entsetzen, das Skar im ersten Moment nicht einmal verstand. »Du hast -«