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Titch rannte den ersten Krieger einfach über den Haufen, aber dann war der Schwung seines Aufpralles aufgebraucht, und Skar sah, wie er sich unter einem Hieb krümmte, den er normalerweise aufgefangen hätte, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Eine Speerspitze züngelte nach seinem Gesicht und verfehlte es um Haaresbreite, dann traf ein Keulenhieb sein rechtes Knie und ließ ihn mit einem Schmerzensschrei zusammenbrechen.

Skar war mit einem Satz bei ihm und schlug die Lanze beiseite, die ein zweites Mal nach Titchs Kehle stach. Sein Tschekal zerschnitt den Speerschaft wie dünnes Stroh, aber schon dieser eine, fast kraftlose Hieb kostete ihn das letzte bißchen Kraft. Er taumelte, fiel selbst neben dem Quorrl auf die Knie und versuchte vergeblich, die Arme zu heben, um den erwarteten Angriff abzuwehren.

Der tödliche Hieb kam nicht. Gleich drei Krieger aus Ninga waren auf ihn zugesprungen, aber sie zögerten. Ihre Waffen waren drohend erhoben, und Skar wußte, daß er nicht mehr die mindeste Chance hatte, auch nur einen von ihnen abzuwehren, aber er sah auch die Unentschlossenheit auf ihren Gesichtern - und begriff, was sie bedeutete.

Taumelnd stemmte er sich wieder in die Höhe, schwang seine Klinge und hieb ungeschickt nach dem Krieger, der ihm am nächsten stand. Der Quorrl wich dem Schwertstreich fast spielerisch aus. Aber er machte keine Bewegung zurückzuschlagen oder den Hieb auch nur abzublocken, womit er Skar zweifellos die Waffe aus der Hand geprellt hätte.

Und dann zogen sich die Krieger zurück; so schnell, wie sie aufgetaucht waren. Skar sank mühsam um Atem ringend gegen einen Trümmerbrocken, während Titch den flüchtenden Gardesoldaten fassungslos nachblickte. »Was -?«

»Sie wollen mich lebend, Titch«, flüsterte Skar. Übelkeit stieg in seiner Kehle empor und machte das Sprechen zur Qual. Unter seiner Zunge sammelte sich bittere Galle. Sein Herz schlug plötzlich ganz langsam; aber so schwer, daß er jeden Pulsschlag bis in die Fingerspitzen fühlte. Er versuchte, sich von seinem Halt zu lösen und auf Titch zuzutaumeln, aber seine Kräfte versagten.

»Hilf mir, Titch«, stöhnte er.

Der Quorrl stemmte sich ächzend in die Höhe und kam auf ihn zu, ein riesiger, verzerrter Schatten, dessen Umrisse sich vor Skars Augen aufzulösen schienen wie ein Spiegelbild auf klarem Wasser, in das jemand einen Stein geworfen hatte. Dahinter kam etwas anderes zum Vorschein, etwas dunkles, spinnengliedriges, dürres, das Skar spöttisch zuwinkte, jetzt, Bruder. Jetzt. Ich habe dir gesagt, daß ich gewinne, so oder so.

Der Daij-Djan verschwand und wurde wieder zu Titch, und aus der dürren Insektenklaue wurden die starken Hände eines Quorrl, der ihn hielt. Skars Knie gaben unter seinem Körpergewicht nach. Er fiel, spürte, wie Titch ihn auffing und ihn stützte, als ihm die Kraft fehlte, zu gehen.

Der nächste Eindruck, den er bewußt wahrnahm, war der zahlloser schwerer Körper, die sich um ihn drängten und einen lebenden Schutzwall für Titch und ihn bildeten, eine Gasse aus Quorrl-Kriegern, an deren Ende eine hünenhafte geschuppte Gestalt in einem flammendroten Mantel stand, die Titch mit einer Mischung aus Erleichterung und Entsetzen entgegensah. Er erinnerte sich nicht, gelaufen zu sein. Sein Körper hatte einfach weiter einen Fuß vor den anderen gesetzt, aber ohne Titchs Hilfe hätte er es niemals geschafft. Rings um ihn herum tobte ein Chaos aus Lauten und Bewegungen, die keinen Sinn mehr zu ergeben schienen. Die Quorrl hatten sich in einer Felsspalte aus rotem Stahl verschanzt, und er glaubte zu spüren, daß der Kampf ein wenig an Heftigkeit eingebüßt hatte, aber er hatte nicht einmal mehr die Energie, sich darauf zu konzentrieren. Kraftlos sank er auf die Knie herab, ließ sich gegen den kalten Stahl sinken und schloß die Augen. Schmerzen pulsierten durch seinen Körper, in immer schnelleren, immer heißeren Wogen. Er hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen.

»Was ist hier los?« fragte Titch, an Rowl gewandt. »Wo sind deine Männer?«

Rowl antwortete nicht sofort, sondern beugte sich über Skar und blickte ihn sekundenlang mit steinernem Gesicht an, ehe er sich mit einem Ruck umwandte und zu Titch aufsah. »Tot.« Er machte eine knappe, wedelnde Handbewegung. »Das hier sind alle, die noch leben. Aber warum«, fügte er mit veränderter, zischender Stimme hinzu, »fragst du nicht, wo deine Krieger sind, Titch?«

»Meine ...?« Titch blinzelte irritiert. »Was ... soll das heißen?« Rowl deutete mit einer zornigen Geste auf den gegenüberliegenden Rand des Kraterwalles. Skar glaubte Gestalten dort oben zu erkennen, Reihen um Reihen gedrungener schuppiger Gestalten in den graubraunen Lederharnischen quorrlscher Krieger, aber das war lächerlich, es waren Titchs Soldaten, die Krieger, die er nach Enwor gebracht hatte, um gegen die Sternengeborenen zu kämpfen, Männer, die...

Seine Gedanken begannen sich zu verwirren. Jetzt, als die unmittelbare Gefahr überstanden war, schlugen Erschöpfung und Schmerzen mit aller Wucht zu. Etwas Großes, Dunkles schob sich in sein Bewußtsein und begann sein Denken einzuweben. Das letzte bißchen Kraft versiegte, und ein Gefühl von Wärme und Schwere machte sich in ihm breit: Eine Erschöpfung, die noch tiefer war als die, die er bisher verspürt hatte, aber von völlig anderer, beinahe wohltuender Art.

War das der Tod? dachte er. Aber wenn ja, dann war er anders, als er immer geglaubt hatte, denn der Friede, den der Tod doch angeblich bringen sollte, kam nicht. Trotz der wohltuenden Mattigkeit in seinen Gliedern wurden die Schmerzen in seinem Körper schlimmer. Skar hatte das Gefühl, innerlich zu verbrennen, von einem inneren, lodernden Fieber aufgezehrt zu werden. Er glaubte zu spüren, wie sich das Fleisch von seinen Knochen löste, wie er zerfiel, bei lebendigem Leibe verbrannte von dem kalten Feuer, das er in Elay eingeatmet hatte. Und das auch Kiina töten würde, denn auch sie hatte der Hauch des Sternenfeuers gestreift.

Der Gedanke gab ihm die Kraft, der Verlockung jener großen Ruhe hinter seinen Gedanken zu widerstehen und nach den beiden Quorrl zu sehen. Titch bemerkte die Bewegung aus den Augenwinkeln und hörte unvermittelt auf, mit Rowl zu streiten. Aber als er in Skars Gesicht sah, erschrak er zutiefst. Seine Augen weiteten sich in plötzlichem, entsetzten Begreifen. Mit einer rüden, befehlenden Geste brachte er Rowl vollends zum Verstummen, kniete neben Skar nieder und streckte die Hand aus, wie um ihn zu berühren, schrak aber dann im letzten Moment wieder zurück. Seine Finger begannen zu zittern.

»Skar! Du -«

»Spar dir deinen Atem, wenn du mir sagen willst, daß ich sterbe«, murmelte Skar. »Das weiß ich selbst. Aber gib mir noch ein paar Minuten, ja? So schnell wirst du mich nicht los.« Der scherzhafte Tonfall, in den er die Worte aussprechen wollte, mißlang kläglich. Er griff nach Titchs Hand, um sich daran in die Höhe zu ziehen, aber der Quorrl reagierte nicht auf die Geste, sondern starrte ihn weiter an. Titch lächelte sogar, aber der Schrecken in seinen Augen vertiefte sich eher noch. Hatte er sich so verändert, in diesen wenigen Augenblicken?

Beinahe nur noch, um Titch zu beweisen, daß er nicht übertrieben hatte, streckte Skar abermals und fordernder die Hand aus und ließ sich von dem Quorrl auf die Beine helfen, als er endlich reagierte und seine ausgestreckte Hand ergriff. Er wankte. Hitze und Kälte jagten sich in rasend schnellen, peinigenden Wogen durch seinen Leib, und der bittere Geschmack in seinem Mund wurde unerträglich.

Abermals hatte Skar das Gefühl, daß der Kampflärm nachgelassen hatte, aber die dichtgeschlossene Verteidigungslinie der Quorrl, eine wogende Mauer aus Fleisch und blitzendem Metall, verwehrte ihm den Blick. Nur ein kleiner Teil der Bastarde kämpfte wirklich - der stählerne Spalt, in den sich Rowls Männer verschanzt hatten, war zu schmal, um mehr als vier oder fünf der riesigen Schuppenkrieger nebeneinander Platz zu bieten. Aber was auf den ersten Blick eine hervorragende Verteidigungsposition schien, konnte nur zu schnell zur Falle werden, wie Skar mit dem geübten Blick des Kriegers erkannte. Wenn die Übermacht der Feinde zu groß wurde, gab es nichts, wohin sich die Quorrl zurückziehen konnten. Ganz abgesehen davon, daß sie Pfeilen oder Speeren und anderen Wurfgeschossen praktisch schutzlos ausgeliefert waren.