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Er verscheuchte den Gedanken und hielt nach Kiina Ausschau. Zwischen den Dutzenden riesiger Gestalten, die sich in dem schmalen Spalt drängten, war es schwer, überhaupt etwas zu erkennen. Aber er sah, daß Kiina nicht hier war.

Statt dessen sah er sich urplötzlich wieder Rowl gegenüber, der Titch und ihn mit unverhohlener Feindschaft entgegenstarrte. Der Quorrl war verletzt, wie fast alle hier. Das Blut auf seinen Kleidern und der Klinge des mächtigen Breitschwertes stammte nicht nur von den Gegnern, die er erschlagen hatte, aber der Ausdruck auf seinem breiten Barbarengesicht war nicht der von Schmerz, sondern von Zorn. »Ihr -«

»Wo ist Kiina?« unterbrach ihn Skar.

Im ersten Moment sah es so aus, als würde Rowl überhaupt nicht antworten. Dann machte er eine abgehackte, irgendwie zornige Bewegung zum Rand des Kraters hinauf. »Bei deinen Freunden, Satai.«

Wieder sah Skar nach oben. Seine Augen begannen zu tränen, denn er blickte direkt in die Sonne, so daß die gezackte Linie des Kraterwalles zu einem tiefschwarzen Scherenschnitt vor einem blendendhellen Hintergrund wurde, über dem sich die Gestalt der Quorrl-Krieger nur als daumengroße Schatten abhoben. Es war unmöglich, irgend etwas dort oben zu unterscheiden. Trotzdem glaubte er für einen Moment, Ennart selbst zu erkennen, der zwischen den Kriegern stand und voller Verachtung und Zorn auf sie herabblickte. Erst dann begriff er, was Rowl wirklich gesagt hatte.

»Sie -«

»Wir wurden angegriffen«, fiel ihm Rowl grob ins Wort. Er wirkte unsicher, trotz seines Zornes. Skars Frage hatte ihn von einem Augenblick auf den anderen in die Defensive gedrängt; eine Rolle, in der er augenscheinlich nicht sehr viel Erfahrung hatte; und in der er sich auch nicht sehr wohl zu fühlen schien. »Ein halbes Hundert dieser Hunde haben uns aufgelauert, auf halbem Weg hierher. Sie haben das Menschenjunge mitgenommen. Aber ich glaube, es war noch am Leben.«

Skar war nicht einmal sehr erschrocken, sondern empfand ganz im Gegenteil eine fast absurde Erleichterung. Ennart hatte den vielleicht einzigen schwachen Punkt erkannt, den er hatte. Aber solange er glaubte, Skar mit dem Mädchen erpressen zu können, würde er Kiina wenigstens nicht umbringen. »Konntest du es nicht verhindern?« fragte Skar müde.

In seiner Stimme war kein Vorwurf, aber Rowl faßte die Worte so auf. Zornig antwortete er: »Verhindern?« schnappte er. »Verdammt, wir sind froh, daß wir noch am Leben sind, Satai! Sie haben uns -«

»Es ist gut, Rowl«, unterbrach ihn Titch. »Skar hat es nicht so gemeint.« Er machte eine besänftigende Handbewegung und warf Skar einen fast beschwörenden Blick zu, ehe er sich wieder an Rowl wandte und mit bewußt ruhiger, sachlicher Stimme fortfuhr: »Was ist geschehen, Rowl?«

Der Bastard starrte ihn nur an. Aber eine Antwort war auch nicht nötig - was sie gesehen hatten, oben und auf dem Weg hierher, war mehr als ausreichend. Nach einer Weile wandte sich Skar müde um und humpelte zum vorderen Ende des Spaltes, in dem Rowls Krieger sich verschanzt hatten.

Der flüchtige Eindruck, den er auf dem Weg hierher gehabt hatte, hatte ihn nicht getäuscht: der Kampf war tatsächlich fast zum Erliegen gekommen. Eine Anzahl Gardekrieger bildete noch immer eine drohende Schlachtreihe, kaum zwanzig Schritte vom Versteck der Bastarde entfernt, und dann und wann flog ein Stein oder ein verirrter Speer in ihre Richtung. Aber es war kein Angriff mehr, sondern nur eine Drohung, ihnen zu sagen, daß sie bleiben sollten, wo sie waren. Er hörte, wie Titch und Rowl näher kamen und hinter ihm stehenblieben.

»Was tun sie?« murmelte Titch verwirrt.

»Was sie die ganze Zeit über getan haben«, grollte Rowl. »Sie spielen mit uns.« Hilflos ballte er die Fäuste. »Sie hätten uns längst vernichten können. Zehnmal, allein auf dem Weg hierher.« Skars Blick glitt wieder zum Kraterrand hinauf. Er war nicht sicher - aber es schien, als wäre die Reihe stumm dastehender Krieger in Bewegung geraten.

»Sie warten«, flüsterte er. »Sie haben auf uns gewartet, Titch. Auf mich.«

Eine Sekunde später bestätigte Rowl seinen Verdacht. »Sie kommen.« Er lachte, ein bitterer Laut, der sich fast wie ein Schrei anhörte. »Jetzt wird sich herausstellen, ob deine legendären Krieger wirklich so gut sind, wie man behauptet.«

»Es ist nicht Titchs Schuld«, sagte Skar. »Sie können nicht anders, Rowl. Sie gehorchen ihren Göttern.«

»Götter?« Rowl lachte böse. »Götter, Satai? Hast du gesehen, was uns dieser Gott angetan hat?«

»Ja«, antwortete Skar mit einer Geste auf die langsam näher kommenden Krieger. »Aber sie nicht.«

Rowl machte eine Bewegung, als fege er seine Worte beiseite. »Warum seid ihr gekommen?« fragte er, zitternd, mit einer Stimme, die fast nur ein Flüstern war, und trotzdem wie ein Schrei klang. »Warum seid ihr hierhergekommen, du und dieser ... Krieger!« Das Wort wurde zu einer Beschimpfung, so wie er es aussprach. »Alles war gut, bevor ihr gekommen seid.«

»Nein«, antwortete Titch. »Bevor sie gekommen sind, Rowl. Bevor Ennart und seine Brüder auftauchten.«

Die du geweckt hast, Bruder, fügte die wispernde Stimme des Daij-Djan in Skars Gedanken hinzu.

»Alles war gut«, flüsterte Rowl noch einmal. Er hatte Titchs Worte gar nicht gehört. »Ich hätte euch getötet, Satai. Ich habe mir geschworen, euch zu töten, in jeder Sekunde, seit es begann. Aber ich werde es nicht tun. Ich will sehen, wie ihr unter den Schwertern eurer eigenen Krieger sterbt.«

»Das werden wir nicht«, sagte Skar. »Keiner wird mehr sterben.«

Rowl wirkte nur irritiert, aber in Titchs Blick machte sich neuer Schrecken breit, als er begriff, was Skars Worte bedeuteten. »Es ist sinnlos, Titch«, fuhr Skar fort. »Sie wollen nur mich.« Und haben Kiina. »Ich hätte gleich mit ihnen gehen sollen. SIE Dann wäre das alles vielleicht nicht passiert.«

»Was für ein Unsinn!« Titch begann wütend mit beiden Händen zu gestikulieren; gleichzeitig warf er Skar einen fast beschwörenden Blick zu. In der Verfassung, in der Rowl war, mochten schon diese wenigen Worte reichen, daß sich Skar um seinen Kopf redete. Und um den Titchs gleich mit. »Diese... Dinger waren in Crons Gelege, oder? Sie waren für Caran bestimmt, von Anfang an. Keiner von uns konnte das wissen.«

Aber Skar hätte es wissen müssen. Der Daij-Djan hatte ihn gewarnt, mehr als einmal, und es war so, wie Titch behauptet hatte: er brachte Unglück, den Tod, gleich, wohin er kam, und warum. Er hätte nicht nach Caran kommen dürfen.

»Wer bist du, Satai?« fragte Rowl. »Der Teufel?«

Vielleicht, dachte Skar bitter. Laut sagte er: »Ich bin sowenig der Teufel, wie Ennart ein Gott ist, Rowl. Wenn wir anfangen, so zu denken, dann haben sie gewonnen.«

»Aber das haben sie doch schon«, murmelte Rowl.

Und vielleicht hatte er recht, dachte Skar. Vielleicht hatten sie schon gewonnen, noch bevor dieser Kampf begann, und vielleicht hatte er ihnen nicht nur die Freiheit, sondern auch den Sieg geschenkt, damals, an jenem Tag vor langer Zeit in der Brennenden Stadt Combat, als er den Stein der Macht von seinem Platz entfernte und damit das Siegel erbrach, das sie so lange Zeit in ihrem Gefängnis gehalten hatte. Vielleicht.

Der Gedanke weckte die Erinnerungen, und obwohl er es nicht wollte - denn es waren größtenteils keine guten Erinnerungen, sondern Momente der Enttäuschung, der Schmerzen und der Angst gewesen - glaubte er alles noch einmal zu erleben. Ihr Weg zur Brennenden Stadt, die verzweifelte Flucht vor den Mächten, die sie geweckt hatten, Velas Triumph und Niederlage, schließlich ihr Tod, und - »Sie kommen.«