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Und dann waren sie plötzlich mitten drin.

Skar erinnerte sich nicht einmal, überhaupt losgelaufen zu sein; vielleicht war er es auch nicht, vielleicht hatte Titch ihn einfach mitgerissen, oder ein Leben lang antrainierte Reflexe und Verhaltensweisen hatten einfach das Kommando über seinen Körper übernommen, so schnell und gründlich, daß sein Bewußtsein es nicht einmal mehr gemerkt hatte: von einer Sekunde auf die andere fand er sich inmitten eines wütenden Handgemenges, das nur aus ineinander verschlungenen Leibern, Bewegung, blitzenden Schwerten, Schreien und Blut zu bestehen schien. Quorrl kämpften gegen Quorrl, Giganten gegen Giganten, und es war ihm unmöglich, Freund und Feind auseinanderzuhalten. Alles wurde unwirklich. Schwäche und Erschöpfung waren vergessen, aber auch der Grund, aus dem sie diesen Ausbruch versucht hatten. Er wußte nicht einmal mehr, warum er überhaupt hier war, gegen wen er kämpfte, oder warum. Er hatte den Vergleich selbst oft benutzt, aber nun war es wirklich so - er war zu einer Maschine geworden, einem Ding, das einfach kämpfte, ganz gleich gegen wen oder aus welchem Grund. Sein Schwert bewegte sich vor und zurück, parierte Hiebe, blockte Angriffe ab und griff selbst an, traf und wurde getroffen...

Es war die Hölle. Skar fiel und wurde von einem Quorrl wieder auf die Füße gezerrt, der eine Sekunde später von einem anderen Quorrl niedergestochen wurde. Skar hieb blindlings nach dem Angreifer, verfehlte ihn und stolperte weiter. Wieder wurde er getroffen, und wieder fiel er auf die Knie herab, sprang wieder hoch und taumelte weiter.

Es war wie ein Rausch. Es war sein letzter Kampf, und etwas in ihm schien dies zu wissen und verlieh ihm die volle Kraft eines Berserkers, jedes bißchen Energie, das in seinem Körper war, einschließlich jener ungreifbaren Mächte, die das Leben in Gang hielten. Er würde sterben, selbst wenn er diesen Kampf gewann, das wußte er, denn die Kraft, die seinen Arm führte, war die Flamme des Lebens selbst, aber er war unfähig, darauf zu reagieren; nicht einmal mit Angst. Er stürmte weiter, ein Zwerg inmitten eines tobenden Heeres aus Giganten, der trotzdem von allen am schlimmsten wütete. Ohne daß er selbst es auch nur spürte, war plötzlich er es, der Rowls Bastarde anführte, und ebenso unmerklich begannen die Krieger aus Ninga vor ihm zurückzuweichen. Statt vor der geballten Macht der Quorrl spaltete sich die Schlachtreihe der Tempelkrieger mit einem Male vor ihm, und mehr als ein Quorrl warf seine Waffe fort und ergriff schreiend die Flucht, als er ihn erblickte, schreiend, einem Dämon gleich, scheinbar unaufhaltsam und unverwundbar, über und über mit Blut besudelt, seinem eigenen und dem der Quorrl, die er erschlagen hatte, blindlings mit seiner tödlichen Klinge um sich schlagend, deren jeden Widerstand durchdringender Sternenstahl längst sein Geschick ersetzt hatte.

Die Krieger aus Ninga wichen immer schneller zurück; aus den Angreifern waren längst Verteidiger geworden, die Jäger selbst zu Gejagten. Der gesamte Trupp wankte wie ein einzelner Mann, der schwer getroffen worden war - und dann zerbrach die Schar der Angreifer endgültig in zwei Teile, bildete eine Gasse, durch die Skar und die Bastarde fast ungehindert hindurchstürmten. Wie von weit, weit her hörte Skar Titch etwas schreien, wandte sich im Laufen um und hielt nach dem Quorrl Ausschau. Er verstand nicht, was Titch rief, aber der Quorrl gestikulierte wild, deutete auf etwas, das vor Skar lag - und prallte plötzlich in vollem Lauf zurück, so heftig, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis gerannt.

Und mit ihm die anderen Bastarde.

Ihr Vormarsch kam so abrupt zum Stehen, daß Skar sich in gut zehn Schritten Abstand von ihnen fand, ehe auch er stehenblieb und sich in die Richtung drehte, in die Titchs ausgestreckter Arm noch immer deutete.

Fünfzig Schritte vor ihm, auf einem mannsgroßen Felsen stehend, groß und golden und hoch aufgerichtet, ein grausames Lächeln auf den Lippen, stand Ennart.

Er war nicht allein. Am Fuße des Felsens, den er erklommen hatte, stand eine dicht an dicht geschlossene Reihe aus gut fünfzig Quorrl, und aus Rissen und Felsspalten, aus Schatten und Winkeln, aus Schluchten und Löchern krochen... Wesen.

Sie hatten sich weiter verwandelt. Die beiden veränderten Quorrl, auf die sie in den Stollen Carans gestoßen waren, waren noch immer als Quorrl zu erkennen gewesen, wenn auch auf entsetzliche Weise entstellt. An den Kreaturen, die sich jetzt um Ennart scharten, erinnerte kaum mehr etwas an die riesigen, stolzen Krieger, die sie einmal gewesen waren. Was auf Skar und die anderen zutaumelte, langsam, schwerfällig, mit torkelnden, trunkenen Schritten, das waren lebende Alpträume aus feuchtem, blasigem Fleisch, brodelnde Klumpen aus schwarzem Schleim, ohne Sinnesorgane, ohne Glieder oder erkennbare Form, riesigen amorphen Schnecken gleich, deren Leiber Mühe hatten, nicht auseinanderzufließen.

Einige taten es. Skars Entsetzen war noch viel zu groß, als daß er der Beobachtung Bedeutung zumaß, aber er sah sehr genau, daß sich mehrere der absurden Kreaturen kaum mehr zu bewegen imstande waren; ihre Deformation hatte ein Maß erreicht, in dem es keine Muskeln oder auch Knochen mehr in ihrem Körper zu geben schien; manche waren einfach nur noch Klumpen aus brodelnder schwärzlicher Masse, die pulsierend dalagen. Hinter ihm erscholl ein gellender Schrei, und Skar fuhr herum. Auch hinter ihnen waren diese fürchterlichen Wesen aufgetaucht, alptraumhafte Kreaturen, die vor wenigen Stunden noch Rowls Brüder und Freunde gewesen waren, ein großer, sich langsam und unerbittlich zusammenziehender Kreis aus fleischgewordenem Wahnsinn, dessen rückwärtige Hälfte jäh zwischen den Tempelkriegern und Rowls Männern aufgetaucht war. Langsam, rückwärts gehend und ohne Ennart auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen, wich Skar zurück, bis er wieder neben Titch stand. Der Quorrl hatte sein Schwert mit beiden Händen gepackt und sah sich wild um, aber in seinen Augen flackerte Panik.

»Eine Falle!« sagte er. »Das war eine Falle.«

Natürlich war es das, dachte Skar bitter. Der ganze Angriff der Garde hatte keinem anderen Zweck gedient als dem, sie aus ihrem Verstecke herauszulocken, und hierher.

Schwäche machte sich wie eine warme Flüssigkeit in seinem Körper breit. Mühsam drehte er sich wieder herum, blickte zu Ennart zurück und versuchte einen Schritt zu machen. Er taumelte. Titch hielt ihn fest. Skar schüttelte seine Hand ab, zwang sich zu einem weiteren Schritt und blieb schwankend stehen. Der Krater begann vor seinen Augen zu verschwimmen, was er sah, war nur noch eine Masse aus grauer und schwarzer Bewegung, in deren Zentrum ein goldenes Funkeln zitterte.

»Ennart!« Er hatte schreien wollen, aber seine Kehle brachte nur noch ein Flüstern hervor. Trotzdem war er sicher, daß der Ssirhaa ihn hörte. Er spürte, wie die riesigen goldenen Augen dieses gottgleichen Wesens sich an ihm festsaugten.

Etwas Großes, Schwarzes bewegte sich auf ihn zu. Skar hieb blindlings mit dem Schwert danach, spürte, wie das Tschekal etwas traf und zerschnitt, das sich wie feuchter Schwamm anfühlte, machte einen weiteren Schritt, fiel wieder auf die Knie herab und stemmte sich abermals hoch, das Schwert als Krücke benutzend, weil er nicht mehr die Kraft hatte, es zu heben. »Komm her!« flüsterte er. »Komm hierher, du ... Ungeheuer. Kämpfe mit mir!«

Irgendwoher nahm er die Kraft, noch einmal das Schwert zu heben und zwei, drei Schritte weiter zu torkeln, ehe er abermals auf die Knie fiel. Und für Sekunden klärte sich sein Blick, vielleicht beeinflußt durch Ennarts magische Kraft, der seinen Triumph bis zur letzten Sekunde auskosten wollte.

»Ich habe dich überschätzt, Satai«, sagte der Ssirhaa. »Ein Mann sollte auch wissen, wann er verloren hat.«