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»Drohen? Er müßte ein Narr sein, wenn er das täte. Wir sind dreimal so viele wie sie.«

»Hat das Männer, die glauben, Gott auf ihrer Seite zu haben, jemals beeindruckt?« sagte Titch. »Aber du hast natürlich recht. Er wird es versuchen, aber er wird selbst nicht daran glauben, daß wir nachgeben. Wir haben gewonnen, Skar. Die Verbotenen Inseln gehören dir.«

Er sagte: dir. Nicht uns. Skar hörte diesen Unterschied sehr wohl. Und es tat ihm weh. Seltsam - er hatte nicht geglaubt, daß er überhaupt noch Schmerz empfinden konnte.

»Und dann?«

»Wird er dich töten«, sagte Titch ruhig. »Oder es wenigstens versuchen.«

»Bist du sicher?«

»Nein«, antwortete Titch. »Aber das ist es, was ich täte, an seiner Stelle.« Er wartete, daß Skar eine weitere Frage stellte. Als diese nicht kam, drehte der Quorrl sich mit einem angedeuteten Nicken herum und ging zum Ausgang des Zeltes, blieb aber dann noch einmal stehen.

»Du hättest Ennart nicht töten sollen, Skar«, sagte er leise. »Ich weiß.« Skar seufzte. Er hätte so vieles nicht tun sollen. Er hätte so viele nicht töten sollen. »Aber es ist nun einmal geschehen. Es war ein Fehler. Aber wir alle machen Fehler.«

»Auch -«

»Auch ich«, sagte Skar heftig. Titch hatte etwas anderes sagen wollen, und für einen Moment, einen kurzen, schmerzhaften Moment voller fast wahnwitziger Hoffnung, glaubte Skar beinahe, er würde es noch immer tun, seine Angst einfach überwinden und sagen, was er dachte, wie der Quorrl, den er kannte. Aber dann nickte Titch nur, drehte sich mit einem Ruck herum und verließ mit schnellen Schritten das Zelt.

Skar war allein. Er war fast immer allein in diesem Zelt, das viel zu groß für einen einzelnen Mann war. Er fühlte sich einsam. Und wie immer, wenn ihn dieses Gefühl bewußt überkam - es war ständig da, aber manchmal vergaß er es einfach, wie einen Schmerz, an den man sich im Laufe der Zeit einfach gewöhnte - schien es ihm ein wenig schlimmer als vorher. Wenn es überhaupt noch etwas gab, das ihn umbringen konnte, dann war es diese Einsamkeit. Selbst das Flüstern seines Dunklen Bruders war verstummt. Der Daij-Djan existierte nicht mehr. Er hatte ihn besiegt, für alle Zeiten vertrieben, im gleichen Moment, in dem er ihn endgültig zum Leben erweckte.

Skar ging zu dem großen, an einen Thron erinnernden Sessel im Zentrum des Prunkzeltes, ließ sich schwer auf die Sitzfläche fallen und schloß die Augen.

Beinahe sofort kamen die Erinnerungen.

Es war so anders gewesen, so völlig, so grauenhaft anders. Was hatte er erwartet? Daß der Daij-Djan wie eine Chimäre aus den Schatten hervortreten und mit Feuer und Schwert gegen den Ssirhaa und seine Krieger antreten würde? Lächerlich. Aber das hatte er auch wirklich gar nicht geglaubt. Ob, es war genau das gewesen, was er sich eingeredet hatte, zu glauben. Was er hatte glauben wollen. Aber die Wahrheit war so einfach wie brutal, und es war diese: der Daij-Djan hatte niemals existiert. Es hatte immer nur ihn gegeben, es war stets er gewesen, Skar, Skar und noch einmal Skar, Skar, der tötete, Skar, der log, Skar, der verriet, um an sein Ziel zu kommen. O ja, die Bestie war schlau, ein Meister der Tarnung, sie hatte sie alle getäuscht, Titch, Kiina, Anschi, selbst Del, und doch war es so. Skar hatte nicht einmal versucht, eine Antwort auf die Frage zu finden, wie sie es bewerkstelligt hatte, denn er wußte, daß er es nicht konnte - der Daij-Djan war ein Wesen aus einer anderen Welt, Kreatur eines Kosmos, der völlig anderen Gesetzmäßigkeiten gehorchte als der der Menschen, und die zu verstehen er einfach nicht in der Lage war. Aber er hatte endgültig begriffen, daß immer er es gewesen war. Seine Hand hatte das Schwert geführt, und er hatte den Daij-Djan nur gesehen, weil er es wollte, genau wie die anderen.

Aber die Zeit der Lügen war vorbei. Der Daij-Djan war vernichtet, so gründlich, wie der Satai vernichtet worden war, der Skar hieß. Die beiden Teile des Ganzen waren wieder zusammengefügt, der Schläfer erwacht.

Ein Geräusch drang in seine Gedanken und riß ihn abrupt in die Wirklichkeit zurück. Skar öffnete die Augen, blinzelte einen Moment in das plötzlich ungewohnt grelle Tageslicht, das durch den Eingang fiel, und erkannte dann Rowl; hinter ihm ein anderer, prachtvoll gekleideter Quorrl, der von zwei schwerbewaffneten Kriegern flankiert wurde. Obwohl die beiden Soldaten ihre Schwerter gezogen und auf den Priester gerichtet hatten, sah man ihnen ihre Angst überdeutlich an. Skar war ein wenig überrascht, wie lange er dagesessen und mit seinen Erinnerungen gerungen hatte.

»Herr?« sagte Rowl leise.

Skar hob die Hand; winkte Rowl und den anderen, näher zu kommen. Die Quorrl gehorchten.

»Der Bote aus Ninga«, sagte Rowl.

»Ich weiß.«

Skar hob die Hand und winkte den beiden Quorrl, die den Priester bewachten, zurückzubleiben. Rowl runzelte die Stirn, wie um anzudeuten, was er von diesem Befehl hielt, während die beiden Krieger sich mit eindeutiger Erleichterung zurückzogen und rechts und links des Zelteingangs Stellung bezogen. Skar zögerte nur einen Moment, dann gab er ihnen einen neuerlichen Wink, vollends zu gehen. Eine Sekunde später machte er die gleiche Handbewegung in Rowls Richtung.

»Laß uns allein.«

Es war das erste Mal, seit Caran - aber Rowl zögerte, seinem Befehl nachzukommen. »Wir haben ihn durchsucht, Herr«, sagte er. Seine Hand glitt unter den Mantel und kam mit einem kleinen, beidseitig geschliffenen Dolch wieder zum Vorschein. »Dies hatte er bei sich. Ihr solltet vielleicht -«

»Laß uns allein, Rowl«, sagte Skar noch einmal.

Rowl ging - wenn auch nicht, ohne dem Priester noch einen letzten, drohenden Blick zuzuwerfen. Skar und der Quorrl aus Ninga blieben allein zurück.

Eine Weile schwiegen sie beide. Skar sah den Quorrl an, und der Quorrl sah ihn an. Dann sagte der Quorrclass="underline" »Was ist das - Dummheit oder Mut?«

»Daß ich Rowl weggeschickt habe?« Skar lächelte matt; diesmal ganz bewußt auf die schreckliche Wirkung dieses Lächelns bedacht. Und sie verfing auch bei dem Quorrl - sein Gesicht blieb unbewegt, aber in den lodernden Haß in seinen Augen (dem Haß eines Fanatikers, dachte Skar alarmiert, dem Haß eines Wesens, dem sein eigenes Leben nichts galt, das vielleicht seit dem Tag seiner Geburt nur nach einem Grund gesucht hatte, es seinem Glauben zu opfern - er mußte vorsichtig sein), in diesen unstillbaren Haß mischte sich jetzt nicht nur Verachtung, sondern auch Schrecken; vielleicht die ersten Vorboten der Furcht. »Ich habe keine Angst vor dir, Priester«, sagte Skar, als der Quorrl auch nach Sekunden nicht antwortete. »Wenn du gekommen bist, um mich zu töten, hast du dir den Weg umsonst gemacht.«

»Hältst du dich für unsterblich, du Narr?«

Ich bin es, dachte Skar. Laut sagte er: »Tut das nicht jeder - irgendwie?«

Zorn verdunkelte das Gesicht des Quorrl. Er machte einen Schritt auf Skar zu und blieb wieder stehen. »Ich bin nicht gekommen, um mit dir zu philosophieren, Satai!«

»Ich weiß.« Skar seufzte. »Du bist gekommen, um mir zu drohen. Mir zu sagen, daß die Welt untergehen wird, wenn ich die Verbotenen Inseln auch nur betrete. Und wenn das alles nichts nutzt, mich zu töten.« Er machte eine wedelnde Handbewegung, wie um die Worte zu verscheuchen, lästigen Insekten gleich. »Gut, du hast es gesagt - oder ich habe es für dich getan. Aber wir werden die Inseln nehmen, ganz gleich, was du sagst. Die Welt wird nicht untergehen, und wenn doch, dann werde ich der erste sein, der es merkt. Und wenn du mich tötest, wird Titch an meine Stelle treten, oder Rowl.«