Выбрать главу

Statt dessen schüttelte er nur müde den Kopf und verzog die Lippen zu einem bitteren, kalten Lächeln, das die Bestürzung in Kiinas Blick für einen Moment in Furcht verwandelte; eine Furcht, die eindeutig ihm galt, nicht dem Anblick der drei Dutzend erschlagener Quorrl auf dem Hof.

»Skar«, sagte Kiina. »Hörst du mich? Verstehst du, was ich sage?«

Er nickte. Sein Lächeln wurde eine Spur wärmer, aber die Furcht in Kiinas Blick ließ nicht nach.

»Was ist passiert? Bist du ... verletzt?«

»Nein«, flüsterte er, beinahe selbst ein wenig erstaunt, wieder reden zu können. »Ich bin... unverletzt. Mir fehlt nichts.« Er atmete tief ein, so schwer, daß es sich fast wie ein Seufzen anhörte, löste endlich die Hand vom Griff des Tschekal und versuchte ungeschickt, die Waffe in ihre Umhüllung zurückzuschieben. Es gelang ihm nicht. Seine Finger waren verkrampft und nutzlos wie hölzerne Stöcke, von der Stunde, die sie vergeblich versucht hatten, den Griff des Tschekal zu zerbrechen; die Waffe entglitt ihm und fiel klirrend auf den Boden.

Kiina beachtete sie nicht, aber Titch bückte sich rasch danach, wischte das Schwert an seinem Mantel sauber und half Skar, es in die Scheide zu schieben. Sein Blick begegnete dem Skars, ohne daß Kiina es bemerkte, und Skar las die unausgesprochene Frage darin, die Titch quälte: Er?

Er nickte, versuchte aufzustehen und spürte, daß er nicht mehr die Kraft dazu hatte. Nach dem Kampf gegen die Quorrl war er nur erschöpft gewesen, aber diese eine, endlose Stunde, die er hier gesessen und auf das Geschenk seines höllischen Bruders hinabgeblickt hatte, hatte ihn seiner letzten Kräfte beraubt. Erst mit Titchs Hilfe gelang es ihm, sich zu erheben.

»Sie sind alle tot«, murmelte Skar. Er sah Titch an, dessen Gesicht unter dem Schuppenpanzer ebenso bleich und fassungslos war wie das Kiinas, wenn auch aus völlig anderen Gründen. »Cron hat sie hinrichten lassen, noch ehe wir fort waren. Du hast das gewußt?«

»Ja«, gestand Titch.

»Warum hast du es mir nicht gesagt?« In seiner Stimme hatte Vorwurf liegen sollen, eine Anklage, etwas, das ihm die Mitschuld an alldem hier geben sollte. Aber sie klang nur müde.

»Es hätte nichts geändert.«

Aber das hätte es, dachte Skar matt. Es hätte alles geändert. Er hätte sich vielleicht geweigert, zu gehen, hätte er es gewußt, er hätte vielleicht etwas Unüberlegtes oder Törichtes getan, aber er wäre ganz bestimmt nicht zurückgekommen.

Er sprach nichts von alldem aus, aber Titch las die Worte überdeutlich in seinem Blick. Seine Miene verhärtete sich. »Ja, ich hatte Angst!« stieß er hervor. »Ich hatte Angst vor dem hier. Ich hatte Angst, daß ganz genau das passiert!«

»Daß was passiert?« fragte Kiina verwirrt. Skar riß seinen Blick mühsam von dem Titchs los und sah das Mädchen an. Natürlich, dachte er - sie wußte ja nichts von seinem Dunklen Bruder, dem Ding, das seit dem Tag seiner Geburt in ihm gewesen war und sein Leben bestimmt hatte, früher und viel mehr, als er bisher hatte wahrhaben wollen. Sie hatte die Toten gesehen und Skar, das blutige Schwert in seiner Hand und das Grauen auf seinen Zügen, aber sie konnte nicht wissen, was wirklich passiert war.

»Nichts«, sagte er müde. »Nicht das, was du glaubst, jedenfalls.« Er machte einen Schritt und spürte abermals, wie schwach er war. Seine Knie waren weich. Selbst das Gewicht des Mantels schien ihn zu Boden zerren zu wollen. Die Übelkeit stieg jetzt in Wellen aus seinem Magen hoch, und in seinem Mund war Blut; noch immer oder schon wieder, das wußte er nicht. Er taumelte, griff haltsuchend nach Titchs Schulter, verfehlte sie und wäre gestürzt, wenn der Quorrl ihn nicht wieder aufgefangen hätte. Alles drehte sich um ihn.

»Holt die... Pferde«, murmelte er. »Wir müssen weg.«

»Weg?« Titch lachte. »Du träumst, Satai. Du wirst nirgends hingehen, ehe deine Wunden versorgt sind und du ausgeruht bist. Außer ins Land der Toten. Aber auf andere Art, als dir lieb ist.« Skar versuchte seine Hand abzustreifen, aber Titch schien es nicht einmal zu bemerken. Mit schon etwas mehr als sanfter Gewalt drehte er ihn herum und schob ihn auf die Tür zu Crons Wohnhaus zu. Mit der anderen Hand hielt er Kiina zurück, die ihnen folgen wollte, und deutete gleichzeitig auf die Reihe niedriger Holzbauten am gegenüberliegenden Ende des Hofes. »Geh und schau nach, ob Scrat noch am Leben ist. Wenn nicht, bring ihre Kiste mit den Heilkräutern.«

Kiina antwortete irgend etwas, das Skar nicht verstand, und trotz seiner Schwäche und der Übelkeit, die jetzt immer schlimmer wurde, schoß ihm der Gedanke durch den Kopf, daß es Wahnsinn war, dieses halbe Kind loszuschicken. Der erste Quorrl, der ihr begegnete, würde sie töten. Aber er hatte nicht einmal mehr die Kraft, den Gedanken laut auszusprechen; und es hätte auch nicht viel genutzt, denn Kiina drehte sich unverzüglich um und verschwand mit raschen Schritten in der Dunkelheit; froh, eine Aufgabe zu haben und irgend etwas zu tun.

Sie betraten das Haus, das immer noch hell erleuchtet war, aber von der gleichen furchtbaren Stille erfüllt war wie der ganze Hof. Ein toter Quorrl in der Uniform der Tempelgarde lag auf den Stufen der Treppe, die ins obere Geschoß hinaufführte, und Skar fragte sich, ob auch hier alles Leben ausgelöscht war, oder ob die Bestie sich damit zufrieden gegeben hatte, nur die Krieger zu vernichten.

Titch stieß die erstbeste Tür auf, an der sie vorbeikamen, und schob Skar in den dahinterliegenden Raum. Es war ein kleines, fast leeres Zimmer, in dem nur einige Truhen und Kisten standen, auf deren größte der Quorrl ihn unsanft bugsierte, ihn aber festhielt, bis er sicher war, daß Skar aus eigener Kraft sitzen konnte.

»Was ist passiert?« fragte er.

Skar hob den Kopf. Er sah Titchs Gesicht nur wie durch einen Schleier aus Tränen und formlosen Nebelfetzen, aber er erkannte den Ausdruck darauf trotzdem. Er hatte ihn schon einmal gesehen; an dem Tag, als Titch das erste Mal dem Daij-Djan begegnete - und begriffen hatte, wer Skar wirklich war.

»Sag die Wahrheit!« verlangte Titch. »Wir sind allein. Das Mädchen hört uns nicht.«

»Du bringst sie um, du Idiot«, sagte Skar matt. »Der erste Quorrl, der ihr begegnet, wird sie töten.«

»Kaum«, antwortete Titch hart. »Der einzige Quorrl, der auf diesem Hof noch lebt, bin ich. Was ist hier passiert?« Er zögerte unmerklich, ehe er hinzufügte: »Er?«

Skar nickte. Er konnte nicht mehr sprechen. Aus der Übelkeit wurde Brechreiz, der durch den Geschmack des Blutes in seinem Mund nur noch verstärkt wurde. Erschöpft ließ er die Schultern nach vorne sinken, stützte die Ellbogen auf die Knie auf und kämpfte darum, nicht nach vorne zu fallen und das Bewußtsein zu verlieren.

»Er war die ganze Zeit über in unserer Nähe«, sagte Titch. »Du hast es gewußt. Immer. Er war... immer bei uns. Bei dir.« Und erst jetzt begriff Skar den wirklichen Grund für Titchs Entsetzen. Er hob abermals den Kopf, und als er jetzt in Titchs Gesicht blickte, sah er, daß aus dem Entsetzen in seinem Blick Zorn geworden war, ein wühlender, vernichtender Zorn, der an Haß grenzte. Es waren nicht die Toten. Titch war ein Krieger und zudem ein Quorrl, dessen Verhältnis zum Tod völlig anders war als das Skars oder irgendeines anderen Menschen, und dazu kam, daß er die Tempelgarde fast ebenso haßte wie ihre Feinde. Er hätte diese Männer dort draußen selbst getötet, wäre er dazu in der Lage gewesen.

»Du hast die ganze Zeit über nur mit mir gespielt, nicht wahr?« fragte er.

»Das ist... nicht wahr«, widersprach Skar, aber er war zu schwach, um den Protest in seiner Stimme glaubhaft klingen zu lassen, und die Toten dort draußen auf dem Hof behaupteten zu laut das Gegenteil, als daß Titch ihm glauben konnte. Die Hände des Quorrl begannen zu zittern.