Выбрать главу

»Tu, was sie sagt«, sagte Titch ungeduldig. »Vielleicht ist sie der letzte Quorrl, der dir jemals helfen wird, nach dem, was heute passiert ist.« Er drehte sich um und öffnete die Tür, und sie verließen die Kammer, ehe Kiina abermals widersprechen und womöglich eines ihrer endlosen Streitgespräche vom Zaun brechen konnte.

Das Haus war noch immer so unheimlich still, als Skar dicht hinter dem Quorrl auf den Gang hinaustrat. Dann hörte er Geräusche: das Poltern von Schritten über ihren Köpfen und Stimmen, die durch eine nur halb geschlossene Tür drangen, aber all diese Laute klangen sonderbar unwirklich und düster, die Stille schien noch immer da zu sein, als wäre aus der bloßen Abwesenheit von Geräuschen etwas anderes geworden, das sich nicht mehr vertreiben ließ. Unbehaglich sah er sich um, und als sein Blick Titchs Gesicht streifte, wußte er, daß es keine Einbildung war. Auch der Quorrl spürte es.

Sie fanden Cron in der großen Kammer, in der er auch das erste Mal mit ihnen gesprochen hatte, sogar in der gleichen Haltung auf dem geschnitzten Thron hockend, die mächtigen Hände auf den Knien aufgestützt und die Schultern leicht nach vorne gebeugt, so daß er wie eine zu groß geratene, schuppige Kröte aussah.

Aber das war auch alles, was Skar an den Cron erinnerte, den er kennengelernt hatte.

Der Quorrl hatte sich völlig verändert, so radikal, daß Skar ihn wirklich nur noch an seiner hünenhaften Gestalt erkannte. Der Quorrl, den er als Herrn dieses Hofes kennengelernt hatte, war ein Gigant gewesen, nicht nur körperlich. Er hatte Kraft und Entschlossenheit verströmt wie einen spürbaren Geruch, und es war längst nicht nur seine imposante Erscheinung gewesen, die Skar sich in seiner Nähe wie einen Zwerg hatte fühlen lassen.

Nichts war davon geblieben. Was Titch und ihm jetzt gegenübersaß, das war ein gebrochener Mann, in dessen Augen sich Entsetzen breitgemacht hatte, das nie wieder völlig erlöschen sollte. Seine Bewegungen waren matt, und der Spott, der in seiner Stimme liegen sollte, klang einfach nur mitleiderregend.

»Laß deine Waffe stecken«, sagte Cron, als Titch in einer instinktiven Geste die Hand auf das Schwert in seinem Gürtel legte. »Du brauchst sie nicht.«

Titchs Hand löste sich tatsächlich wieder vom Schwert, aber seine Haltung blieb angespannt. Er trat einen halben Schritt zurück und machte mit der freien Hand eine Geste zu Skar, Cron nicht näher zu kommen. Der Quorrl bemerkte die Bewegung sehr wohl, aber er reagierte nicht darauf. Sein Blick war starr auf Skars Gesicht gerichtet, und es war ein Blick, unter dem Skar sich sofort unwohl zu fühlen begann, denn das Feuer darin, das Titch für Zorn oder gar Haß zu halten schien, war in Wirklichkeit Angst. Die Vorstellung, daß ein Wesen wie dieser gigantische Quorrl vor einem Menschen Angst haben sollte, erschien Skar im ersten Augenblick absurd. Aber es war so. »Ihr müßt fort«, sagte Cron unvermittelt. »Ihr könnt nicht... nicht hierbleiben.«

Skar tauschte einen überraschten Blick mit Titch. Cron sprach schleppend; mühsam und mit jener übertriebenen Betonung, die verriet, wie sehr er sich anstrengen mußte, um überhaupt zu reden. Seine gewaltigen Pranken spannten sich um die Lehnen seines Thronsessels, daß das steinharte Holz knirschte. Als sich sein Blick endlich von dem Skars löste und er wieder Titch ansah, wirkte er wie ein Mann, der versuchte, aus einem tiefen Schlaf zu erwachen, aber große Schwierigkeiten damit hatte.

»Hast du uns rufen lassen, um uns das zu sagen?« erkundigte sich Titch mißtrauisch.

Cron lachte: ein düsterer, klirrender Laut, der tief aus seiner Kehle kam und Skar erschaudern ließ. Ohne daß er sich der Bewegung im ersten Moment selbst bewußt wurde, kroch seine Hand wie die Titchs zuvor zum Gürtel und schmiegte sich um die Waffe, die darin steckte. Von Cron ging eine spürbare Bedrohung aus; aber er war nicht sicher, ob sie wirklich Titch und ihm galt.

»Ihr seid die, die sie suchen«, sagte Cron plötzlich.

»Wovon sprichst du?« sagte Titch. Er warf Skar einen warnenden Blick zu, nichts Unbedachtes zu sagen, und Cron registrierte auch dies. Skar nickte fast unmerklich, wobei er sich abermals der Tatsache bewußt war, daß keine noch so winzige Einzelheit ihres stummen Zwiegespräches Cron entgehen konnte.

»Spiel nicht mit mir«, sagte Cron ärgerlich.

Titch sah ihn fragend an, und Cron erwachte nun auch körperlich aus seiner Starre und beugte sich in seinem Stuhl vor. Obwohl er saß, war er noch immer einen guten Kopf größer als Skar und wirkte selbst jetzt noch beeindruckender als Titch, der selbst für einen Quorrl ein Gigant war. Skar mußte sich beherrschen, um nicht unwillkürlich einen Schritt vor Cron zurückzuweichen. Etwas sagte ihm, daß vielleicht ihrer beider Leben davon abhing, daß er jetzt keine Schwäche zeigte.

»Sie haben mir nicht gesagt, warum alle Gefangenen getötet werden sollten«, fuhr Cron fort, als weder Skar noch Titch auf seine Frage antworteten. »Aber jetzt weiß ich es. Sie suchen jemanden. Einen Menschen. Einen ganz bestimmten Menschen.« Sein Zeigefinger deutete anklagend auf Skar. »Dich.«

»Und wenn es so wäre?«

Titch fuhr unmerklich zusammen und warf Skar einen fast beschwörenden Blick zu, aber diesmal reagierte Skar nicht darauf. Cron hatte vollkommen recht: die Zeit, Katz und Maus miteinander zu spielen, war endgültig vorbei.

»Ich habe mich gefragt, warum«, fuhr Cron fort. Er sah Titch an, lachte wieder dieses rauhe, durch und durch humorlose Lachen und wandte sich wieder an Skar. »Ich habe mich gefragt, was an einem einzelnen Mann so gefährlich sein könnte, daß die gesamte Tempelgarde ausrückt, um ihn zu suchen. Ich habe mich gefragt, was ein einzelner Mensch wohl tun könnte, die Tempelpriester selbst zum Eingreifen zu zwingen. Jetzt weiß ich es.«

»Du redest Unsinn«, begann Titch. »Du -«

»Schweig!« donnerte Cron. Für einen Moment, nur für den Augenblick, den er brauchte, dieses eine Wort auszusprechen, war er wieder der alte Cron; ein Quorrl, in dessen Blick eine so zwingende Macht lag, daß selbst Titch nicht widersprach. Aber schon in der nächsten Sekunde sank der Quorrl wieder zurück. Er schloß die Augen.

»Ihr habt nichts von mir zu befürchten«, sagte er. »Wenn es das ist, was du hören willst. Ich kann euch helfen. Viel mehr, als du glaubst, Titch.«

»Ja«, grollte Titch. »Möglichst schnell nach Ninga zu kommen. Auf den Opferaltar. Oder in die Folterkammer der Tempelpriester.« Er machte ein abfälliges Geräusch und wollte sich umdrehen, aber Skar hielt ihn zurück.

»Warte«, sagte er. »Laß ihn reden.«

Titchs Augen blitzten zornig auf. »Reden?« schnappte er. »Worüber? Und wie lange vor allem? Bis Verstärkung aus Ninga hier ist und sie uns festnehmen können?«

»Du warst schon immer ein Narr, Titch«, sagte Cron ruhig. »Und du hast dich nicht verändert.«

Titch ignorierte ihn. »Wir sollten gehen, solange wir es noch können«, sagte er zornig. »Wir hätten gar nicht kommen sollen.«

»Das stimmt«, sagte Cron. »Ihr hättet nicht kommen sollen. Aber die Götter haben nun einmal bestimmt, daß ihr es tatet.«