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Allmählich wurde das Schiff schneller. Gleichzeitig sank es ein wenig tiefer, so daß die Wellen bald über dem Rumpf zusammenzuschlagen begannen. Trautman hatte ihnen erklärt, daß sie nicht wirklich tauchen konnten; dazu waren umfangreiche Vorbereitungen nötig und eine Mannschaft, die wußte, was sie tat, und nicht einfach nur auf Befehl ein paar Hebel umlegte. Aber der freie Spalt zwischen der Tunneldecke und dem Wasser war gerade hoch genug, den Turm des Schiffes hindurchzulassen.

Ein dumpfes Grollen drang an Mikes Ohr. Er fuhr erschrocken zusammen, als Steine und Felsbrocken wie Hagel rings um das Schiff ins Wasser schlugen; einige trafen die NAUTILUS, und das ganze Schiff begann wie eine riesige Glocke zu dröhnen. Die Insel war dabei, über ihren Köpfen zusammenzubrechen. Mike betete still, daß die Zeit reichte, um das Ende des Tunnels zu erreichen.

Die NAUTILUS wurde wieder schneller. Für einige Augenblicke pflügte sie wie ein Torpedo durch den Tunnel, und der helle Fleck an seinem Ende wuchs zu einem Halbkreis heran. Dann nahm Trautman das Tempo wieder zurück. Und einen Augenblick später sahen sie den Felsen.

Mike hätte vor Enttäuschung beinahe aufgestöhnt. Der Tunnel führte direkt auf das freie Meer hinaus, ganz wie Trautman gesagt hatte. Der Himmel draußen war nicht mehr blau. Unmittelbar über der Insel spiegelte sich roter Feuerschein am Firmament, und ein feiner Aschenregen ging auf das Wasser nieder. Mike konnte einen Teil einer mächtigen, schwarzgrauen Rauchwolke erkennen, die fast senkrecht in den Himmel stieg. Der Kratersee und die alte Stadt mußten bereits vernichtet worden sein. Der Vulkan hatte wieder angefangen, Feuer zu speien. Wie durch ein Wunder war der Tunnel bisher noch nicht verschüttet worden, und wie durch eine besonders grausame Laune des Schicksals versperrte der Felsen die Ausfahrt nicht völlig, sondern ragte wie ein steinerner Speer schräg von unten aus dem Wasser, gerade weit genug, um ein Schiff, das nur etwas kleiner gewesen wäre, hindurchzulassen. Für den stählernen Giganten aber stellte er eine unüberwindliche Barriere dar.

Trautman ließ das Schiff allmählich langsamer werden und hielt schließlich ganz an. Das vordere Drittel der NAUTILUS ragte bereits aus der Höhle heraus. Die Rettung lag zum Greifen nahe vor ihnen.

»Und wenn wir ihn einfach rammen?« fragte Juan.

Trautman schüttelte den Kopf. »Er würde unseren Rumpf aufreißen wie ein Messer«, sagte er. »Die Panzerplatten halten viel aus, aber sie sind nicht unzerstörbar.«

Ein dumpfer Schlag ging durch die Insel. Die NAUTILUS erbebte, und wieder regneten Felstrümmer rings um sie herum ins Wasser. Mike glaubte ein furchtbares Mahlen und Knirschen zu hören, das direkt aus den Tiefen des Meeres zu ihnen heraufdrang, und für einen Moment meinte er die unvorstellbaren Kräfte geradezu zu spüren, die sich tief unter ihnen zusammenballten, um die Insel in einer einzigen ungeheuerlichen Explosion vom Antlitz der Erde zu tilgen.

»Aber es muß einen Weg geben!« beharrte Juan.

»Vielleicht«, murmelte Trautman. Er fuhr sich nervös mit der Hand über das Kinn. Sein Blick huschte über die salzverkrusteten Flanken des Felsens, der die Zufahrt versperrte. »Vielleicht gibt es eine Chance. Wenn wir Anlauf nehmen und mit voller Kraft gegen den Felsen fahren, kommen wir vielleicht vorbei.«

»Sie meinen, er wird zerbrechen?«

»Ich meine, daß die NAUTILUS zerbrechen würde«, antwortete Trautman ruhig. »Ihre Flanke wird von vorne bis hinten aufreißen. Habt ihr alle Schotten geschlossen, wie ich es euch gesagt habe?«

Alle nickten, und Trautman fuhr fort: »Dann haben wir eine Chance. Vielleicht reicht dann der Schwung, uns an dem Felsen vorbeizutragen.«

»Aber das Schiff wird sinken wie ein Stein!« protestierte Ben.

»Nicht sofort«, widersprach Trautman. »Es wird sinken, aber nur langsam. Die Schotten halten dem Wasserdruck vielleicht lange genug stand, daß ihr von Bord gehen könnt. Mit ein wenig Glück fischt euch die LEOPOLD auf.«

»Uns?« fragte Juan. »Und was ist mit Ihnen?«

»Ich gehöre hierher«, antwortete Trautman ernst. »Ich könnte nirgendwo sonst leben. Aber ihr seid zu jung, um so sinnlos zu sterben. Wir müssen es riskieren.«

Er drückte einige Schalter, und die NAUTILUS begann langsam wieder in den Tunnel zurückzugleiten, um Anlauf zu ihrem verzweifelten Ausbruchsversuch zu nehmen. Plötzlich hatte Mike Angst, schreckliche Angst. Sie alle hatten das Risiko gekannt, und doch war er für einen Moment nahe daran, einfach in Panik auszubrechen. Vor seinen Augen stieg eine entsetzliche Vision auf: Er sah die NAUTILUS, mit zerborstenen, aufgeschlitzten Flanken, durch die das Wasser hereinsprudelte, hilflos eingeklemmt zwischen der Insel und dem Felsen, während der Himmel über ihnen Feuer fing und Glut und Felsen auf sie herabregneten.

»Halt!« sagte Singh plötzlich. »Halten Sie an, Trautman! Dort! Sehen Sie doch!«

Alle fuhren erschrocken herum und blickten durch das Fenster hinaus in die Richtung, in die Singhs ausgestreckte Hand deutete, während Trautman das Schiff hastig wieder zum Stehen brachte.

Hinter dem Felsen erschien ein grauer Koloß. So dicht, wie es gerade noch möglich war, ohne den gefahrlichen Riffen zu nahe zu kommen, stampfte die LEOPOLD um die Insel herum und hielt mit voller Fahrt auf den Ausgang des Tunnels zu!

»Was -?!« begann Trautman überrascht.

Seine Worte gingen in einem dumpfen Knall unter. Eine weiße Rauchwolke löste sich vom Bug des Kriegsschiffes, und einen Sekundenbruchteil später hörten sie alle das ihnen schon bekannte, furchtbare Heulen, das rasend schnell lauter wurde.

»Sie schießen!« schrie Ben. »Diese Wahnsinnigen schießen auf uns!«

Aber die Granate traf nicht die NAUTILUS. Plötzlich zerbarst das Meer direkt neben dem Felsen in einer gigantischen, weißen Schaumexplosion, und die Gischt hatte sich noch nicht wieder gelegt, als die LEOPOLD einen zweiten Schuß abgab und gleich darauf einen dritten. Diese beiden lagen genauer im Ziel. Steintrümmer und Funken stoben in alle Richtungen davon, als die Geschosse den Felsen trafen.

»Sie ... sie feuern auf den Felsen«, flüsterte Trautman fassungslos. »Großer Gott, sie versuchen den Felsen wegzusprengen!«

Und genau das war es, was das Kriegsschiff tat. Die LEOPOLD feuerte Breitseite auf Breitseite auf den Felsen. Die Welt vor dem Tunnelausgang versank in einem Chaos aus Flammen und Rauch und herumfliegenden Felstrümmern, und die Geschütze feuerten immer noch weiter. Und so riesig der Felsen auch war - am Ende gab er unter der Gewalt der Explosionen nach. Durch einen Vorhang aus kochender Gischt und Flammen hindurch beobachteten sie, wie der steinerne Koloß wankte, plötzlich von einem Riß der Länge nach gespalten wurde - und fiel!

»Haltet euch fest!« schrie Trautman.

Die NAUTILUS machte einen regelrechten Satz. Ihre Maschinen brüllten auf, und plötzlich schien das Wasser auch hinter ihrem Heck von einer Explosion zerrissen zu werden. Wie ein Torpedo schoß die NAUTILUS aus dem Tunnel heraus. Ein furchtbarer Schlag traf den Rumpf, als sie die Reste des zerborstenen Felsens streifte, und Mike glaubte zu spüren, wie irgendwo unter ihren Füßen etwas zerbrach. Doch das furchtbare Geräusch hereinströmenden Wassers, auf das er wartete, kam nicht. Statt dessen bäumte sich die NAUTILUS auf, schoß für einen Moment regelrecht aus dem Wasser heraus und krachte mit einem Schlag zurück, der sie allesamt von den Füßen riß und Trautman gegen das Ruder warf.

Und dann waren sie an der Barriere vorbei. Vor der NAUTILUS lag die offene See, und noch während sich Mike benommen aufzurichten versuchte, griff Trautman wieder nach dem Ruder und riß es herum.

Während hinter ihnen die Vergessene Insel in Feuer und Rauch explodierte, schoß die NAUTILUS mit rasch wachsender Geschwindigkeit auf das offene Meer hinaus.