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Nafai dachte kurz darüber nach. »Dazu müßte man wirklich dumm sein«, sagte er. »Ich meine, so etwas vergessen die Leute doch nicht. Selbst, wenn tausend Jahre lang Frieden geherrscht hätte, gäbe es in den Bibliotheken doch immer noch Bilder von ihnen.«

»Keine Bilder von Kriegswagen«, sagte Issib.

»Ich meine, das ist doch dumm«, sagte Nafai.

»Und dieses Wort hier«, sagte Issib.

»Zrakoplov«, sagte Nafai. »Das ist eindeutig ein Wort aus dem Obilazati.«

»Genau.«

»Was bedeutet es? Luft-Sowieso.«

»Ja, frei übersetzt und aufgeschlüsselt bedeutet es ›Luft-Schwimmer‹.«

Nafai dachte auch darüber eine Weile nach. Er beschwor in seinem Kopf ein Bild herauf – ein Fisch, der durch die Luft flog. »Ein fliegender Fisch?«

»Es ist eine Maschine«, sagte Issib.

»Ein wirklich schnelles Schiff?«

»Hör dich doch an, Nafai. Es müßte doch völlig offensichtlich sein. Und doch willst du die einfachste Bedeutung nicht akzeptieren.«

»Ein Unterwasser-Boot?«

»Wieso wäre das denn ein Luft-Schwimmer, Njef?«

»Keine Ahnung.« Nafai kam sich dumm vor. »Ich habe nicht an den Teil mit der Luft gedacht.«

»Du hast es vergessen – und doch hast du den ›Teil mit der Luft‹ sofort erkannt, ganz allein. Du weißt, daß Zraky die Obilazati-Wurzel für Luft ist, und doch hast du den ›Teil mit der Luft‹ vergessen.«

»Also bin ich wirklich dumm

»Aber du bist gar nicht dumm, Njef. Du bist eigentlich sogar ziemlich klug, und doch stehst du noch da und starrst das Wort an, und ich erkläre dir alles, und du kommst noch immer nicht darauf, was das Wort bedeutet.«

»Na ja, was ist das denn für ein Wort«, sagte Nafai und zeigte auf Puscani prah. »Ich erkenne nicht einmal die Sprache.«

Issib schüttelte den Kopf. »Würde ich nicht sehen, daß es gerade mit dir passiert, würde ich es nicht glauben.«

»Was?«

»Bist du gar nicht neugierig? Willst du nicht wissen, was ein Zrakoplov ist?«

»Du hast es mir doch gesagt. Ein Luft-Schwimmer.«

»Eine Maschine, die die Bezeichnung Luft-Schwimmer trägt.«

»Ja. Genau. Und was ist nun ein Puscani prah

Issib drehte sich langsam um und sah Nafai an. »Setz dich, mein lieber, geschätzter, brillanter, dummer Bruder, du wahrer Diener der Überseele. Ich muß dir etwas über Maschinen erzählen, die durch die Luft schwimmen.«

»Ich störe dich wohl«, sagte Nafai.

»Ich will mit dir sprechen«, sagte Issib. »Du störst mich nicht. Ich will dir erklären, was fliegende …«

»Ich gehe wohl besser.«

»Warum? Warum willst du jetzt unbedingt gehen?«

»Keine Ahnung.« Nafai trat zur Tür. »Ich brauche frische Luft. Ich ersticke hier.« Er verließ den Raum. Augenblicklich fühlte er sich besser. Ihm war nicht mehr schwindlig. Und überhaupt, was sollte dieser Unsinn? Die Bibliothek war zu eng, und es waren zu viele Menschen darin.

»Warum bist du gegangen?« fragte Issib.

Nafai fuhr herum. Issib war leise aus der Bibliothek geschwebt und ihm gefolgt. Nafai verspürte augenblicklich dieselbe Art von Klaustrophobie, die ihn auf den Gang getrieben hatte. »Hier drin ist es zu voll«, sagte Nafai. »Ich muß allein sein.«

»Ich war der einzige Mensch in der Bibliothek«, sagte Issib.

»Wirklich?« Nafai versuchte, sich zu erinnern. »Ich will hier raus. Laß mich doch einfach gehen.«

»Denke nach«, sagte Issib. »Erinnerst du dich an das Gespräch zwischen Luet und Vater gestern?«

Augenblicklich entspannte sich Nafai. Er verspürte nicht mehr die geringste Klaustrophobie. »Klar.«

»Und Luet hat Vater auf die Probe gestellt – was seine Erinnerungen betrifft. Als sich die Erinnerung an die Vision, die er gesehen hatte, als falsch erwies, kam er sich ziemlich dumm vor, nicht wahr?«

»Hat er gesagt.«

»Dumm. Zusammenhanglos. Er hat nur in die Luft gestarrt.«

»Ich glaub schon.«

»Genau wie du«, sagte Issib. »Als ich dich wegen der Bedeutung von Zrakoplov bedrängte.«

Plötzlich hatte Nafai den Eindruck, es wäre keine Luft mehr in seinen Lungen. »Ich muß hier raus!«

»Du reagierst aber wirklich empfindlich darauf«, sagte Issib. »Noch schlimmer als Vater und Mutter, als ich versuchte, es ihnen zu erklären.«

»Hör auf, mir zu folgen!« rief Nafai. Doch Issib schwebte hinter ihm her, den Gang entlang zur Treppe und auf die Straße hinaus. Dort, unter freiem Himmel, zog Issib mühelos an Nafai vorbei und schwebte von der einen zur anderen Seite, als wolle er Nafai zum Haus zurücktreiben.

»Hör auf!« rief Nafai. Aber er konnte nicht entkommen. Er hatte noch nie eine solche Panik verspürt. Er fuhr herum, stolperte und fiel auf die Knie.

»Es ist schon gut«, sagte Issib sanft. »Entspanne dich. Es ist nichts. Entspanne dich.«

Nafai konnte nun wieder leichter atmen. Issibs Stimme vermittelte eine gewisse Sicherheit. Die Panik ließ nach. Nafai hob den Kopf und sah sich um. »Was machen wir hier auf der Straße? Mutter wird mich umbringen.«

»Du bist hinausgelaufen, Nafai.«

»Wirklich?«

»Es ist die Überseele, Nafai.«

»Was ist die Überseele?«

»Die Macht, die dich hinausgeschickt und verhindert hat, daß du mir zuhörst – daß du etwas über Dinge erfährst, von denen die Überseele nicht will, daß die Menschen davon Kenntnis haben.«

»Das ist doch lächerlich«, sagte Nafai. »Die Überseele verbirgt keine Informationen, sondern verbreitet sie. Wir stellen ihr unsere Schriften, unsere Musik, einfach alles zu, und die Überseele sendet sie von Stadt zu Stadt, von einer Bibliothek zur anderen auf der ganzen Welt.«

»Deine Reaktion war viel stärker als die Vaters«, sagte Issib. »Natürlich habe ich dich auch härter bedrängt.«

»Was meinst du damit?«

»Die Überseele ist in deinem Kopf, Nafai. In unseren allen Köpfen. Aber einige haben sie mehr als andere. Sie ist da und beobachtet, was wir denken. Ich weiß, daß man es sich nur schwer vorstellen kann.«

Doch Nafai fiel ein, daß Luet gewußt hatte, was in seinem Geist vorgegangen war. »Nein, Issja, ich habe es schon gewußt.«

»Wirklich?« sagte Issib. »Nun gut. Sobald die Überseele merkte, daß du dich einem verbotenen Thema genähert hast, fing sie an, dich dumm zu machen.«

»Was für ein verbotenes Thema?«

»Wenn ich dir das sagte, würde es dich wieder außer Gefecht setzen«, erwiderte Issib.

»Wann bin ich dumm geworden?«

»Vertraue mir. Du bist sehr dumm geworden. Du hast versucht, das Thema zu wechseln, ohne es überhaupt zu bemerken. Normalerweise bist du äußerst verständnisvoll, Nafai. Sehr klug. Du begreifst die Dinge. Doch diesmal standest du in der Bibliothek einfach da wie ein Idiot. Die Wahrheit starrte dir ins Gesicht, und du hast sie nicht gesehen. Als ich dich daran erinnerte, als ich dich bedrängte, bekamst du einen klaustrophobischen Anfall, nicht wahr? Du konntest kaum atmen, mußtest unbedingt aus dem Gebäude hinaus. Ich bin dir gefolgt, habe dich erneut bedrängt, und hier sind wir nun.«

Nafai versuchte sich daran zu erinnern, was passiert war. Issib hatte recht, was die Abfolge der Ereignisse betraf. Doch Nafai hatte den Drang, das Haus unbedingt zu verlassen, nicht damit in Verbindung gebracht, was Issib ihm erklärt hatte. Und wäre es um sein Leben gegangen, er konnte sich ja noch nicht einmal daran erinnern, worüber Issib gesprochen hatte. »Du hast mich bedrängt?«