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Einen Augenblick lang stand Elemak starr vor Entsetzen da. Er hatte solche Angst vor Gaballufix gehabt, davor, daß ein Soldat ihn erkennen, seinen Namen rufen und ihn abführen oder vielleicht sogar auf der Stelle töten würde, daß er nun völlig fassungslos war, von einer Verrückten erkannt worden zu sein. Wie soll man sich verstecken, wenn einen sogar die Bettler auf der Straße mit Namen kennen? Erst, als sie sich bewegte, als sie ihren Zeigefinger in den Nabel steckte und ihn drehte, als rühre sie dort eine widerwärtige Mixtur an, überwand sein Abscheu seine Furcht, und er lief auf die Straße und rannte blindlings vor ihr davon.

Also konnte er seinen Plan, sich unauffällig durch die Straße zu bewegen, vergessen. Er war jedoch so geistesgegenwärtig, um nicht sofort zu Gabjas Haus zu gehen, nicht in diesem Geisteszustand. Wohin konnte er sich dann wenden? Die Macht der Gewohnheit würde ihn zum Haus seiner Mutter führen – die alte Hosni hatte ein schönes, altes Haus in Den Quellen, in der Nähe des Hinteren Tores, in dem sie in der Politik mitmischte und aufstrebende junge Männer und Frauen in der Regierung und Verwaltung förderte oder vernichtete. Doch das Begehren triumphierte über die Gewohnheit, und statt Zuflucht bei seiner Mutter zu suchen, fand er sich auf den Stufen von Rasas Haus.

Er war als Junge natürlich hier unterrichtet worden, noch bevor Vater den ersten Vertrag mit ihr geschlossen hatte; nur, weil seine Mutter ihn bei Rasa studieren ließ, hatten sein Vater und seine Lehrerin sich überhaupt kennengelernt. Es war irgendwie peinlich gewesen, daß sich die anderen Schüler den Mund über die Liaison zwischen ihrer Herrin und Eljas Vater zerrissen, und von da an hatte er sich hier niemals wohl gefühlt, bis er schließlich im Alter von dreizehn Jahren seine Ausbildung dankbar beendet hatte. Nun jedoch kam er nicht als Schüler zu Rasas Haus, sondern als Freier – und als einer, dessen Werben seit langem willkommen war.

Einen Augenblick lang zögerte Elemak an der Tür, als ihm klar wurde, daß er genau das tat, was er seinen jüngeren Brüdern verboten hatte – daß er persönlichen Angelegenheiten nachging, während er doch eigentlich Vaters Auftrag erledigen sollte. Doch er schüttelte die Bedenken, die sich einstellten, sofort wieder ab. Sein Werben um Eiadh war weit mehr als nur ein abenteuerliches Spiel. Irgendwann in den letzten Monaten hatte er sich in sie verliebt; er begehrte sie mehr, als er je für möglich gehalten hatte, eine Frau begehren zu können. Ihre Stimme war für ihn wie Musik, ihr Körper eine unendlich veränderbare Skulptur, die ihn mit jeder Bewegung erstaunte. Doch während seine Hingabe für sie wuchs, wurde auch die Furcht in ihm immer größer, daß ihre Liebe für ihn nicht entsprechend zunahm. Soweit er wußte, begehrte sie ihn noch immer lediglich als den Erben des großen Wetschik, der ihr ein gewaltiges Vermögen und Prestige einbringen konnte. Vielleicht mochte sie jetzt, nachdem so viel vom Geschäft geschlossen oder verkauft worden war, keinen Vorteil mehr darin sehen, den Erben des Wetschik zu heiraten. Wie würde sie nun auf ihn reagieren?

Er zog an der Schnur; die Glocke läutete. Es war eine altmodische Glocke, ein tiefer Gong statt des musikalischen Geläuts, das jetzt in Mode war. Zu seiner Überraschung öffnete Rasa persönlich die Tür.

»Ein Mann kommt zu meiner Tür«, sagte sie. »Ein starker, junger Mann, mit dem Schmutz und Schweiß der Wüste auf seinem Gesicht. Was soll ich von dir halten? Bringst du mir Nachricht von meinem Gefährten? Bringst du weitere Drohungen von Gaballufix? Bist du hier, um meine Nichte Eiadh zu holen? Oder bist du mit Furcht im Herzen gekommen, zurück zum Haus deiner Kinder- und Schulzeit, in der Hoffnung auf ein Bad und eine Mahlzeit und vier starke Wände, die dich schützen werden?«

Das alles sagte sie so humorvoll, daß Elemaks Furcht schwand. Es war ein gutes Gefühl, daß Rasa ihn fast als Gleichberechtigten ansprach. »Vater geht es gut«, antwortete er, »Gabja habe ich nach meiner Rückkehr zur Stadt noch nicht gesehen, Eiadh würde ich gern sehen, doch ich habe im Augenblick nicht vor, sie zu entführen, und was das Bad und die Mahlzeit betrifft – ich würde diese Gastfreundschaft dankbar annehmen, hätte aber nie darum gebeten.«

»Das will ich dir gern glauben«, sagte Rasa. »Du wärest hereingeplatzt und hättest angenommen, daß sich Eiadh über deine Umarmung freut, wenn du wie ein Kamel riechst und mit jedem Schritt, den du tust, Staub verbreitest. Komme herein, Elemak.«

Als er das Bad genoß, fühlte er sich erneut schuldig und dachte an seine Brüder, die in der Hitze des Tages in den Hügeln auf ihn warteten – andererseits hingegen war es nur vernünftig, ein Bad zu nehmen und sich zu säubern, bevor er Gaballufix aufsuchte. Er sah dann nicht mehr so abgerissen aus und konnte die klare Botschaft vermitteln, daß er Freunde in der Stadt hatte – eine viel bessere Verhandlungsposition. Falls Gaballufix es nicht als weiteren Beweis nahm, daß Elemak ein doppeltes Spiel getrieben hatte. Seine Kleidung, frisch gewaschen und ausgelüftet, lag im Sekator für ihn bereit, und er zog sie dankbar an, nachdem er das Bad beendet hatte, und ließ sich dabei vom Sekator abtrocknen. Das Haaröl verschmähte er – die Mitglieder der Potokgavan-Partei verzichteten auf jegliche Pomade, da sie in keiner Hinsicht den Naßköpfen ähneln wollten.

Eiadh empfing ihn in Rasas Salon. Sie wirkte schüchtern, doch das nahm er als gutes Zeichen – zumindest war sie nicht hochmütig oder wütend. Doch konnte er es wagen, sich die Freiheiten herauszunehmen, die sie ihm bei seinem letzten Besuch gewährt hatte? Oder wäre dies nun, da die Verhältnisse sich geändert hatten, zu vermessen? Er ging zu ihr, doch statt neben ihr auf dem Sofa Platz zu nehmen, sank er vor ihr auf ein Knie nieder und griff nach ihrer Hand. Sie duldete es – und streckte dann die andere Hand aus und berührte seine Wange. »Sind wir jetzt Fremde?« fragte sie. »Möchtest du dich nicht neben mich setzen?«

Sie hatte sein Zögern verstanden, und das war die Rückversicherung, die er brauchte. Augenblicklich setzte er sich neben sie, küßte sie, legte die Hand auf ihre Taille und spürte, daß sie leidenschaftlich atmete, daß sie ihn heftig begehrte. Sie sprachen anfangs nur wenig, zumindest mit Worten; mit ihren Taten verriet sie ihm, daß sich ihre Gefühle für ihn nicht verändert hatten.

»Ich dachte, du wärest für immer gegangen«, flüsterte sie nach langem Schweigen.

»Nicht von dir«, sagte er. »Aber ich weiß nicht, was die Zukunft für mich bereithält. Der Aufruhr in der Stadt, Vaters Exil …«

»Einige behaupten, dein Bruder habe sich verschworen, deinen Vater zu töten …«

»Niemals.«

»Und andere sagen, dein Vater habe deinen Bruder töten wollen …«

»Unsinn. Lachhaft. Beide sind willensstarke Männer, das ist alles.«

»Das ist nicht alles«, sagte Eiadh. »Dein Vater kam niemals mit Soldaten hierher, um zu drohen, er könne sich Zutritt verschaffen, wann immer er wollte, wie Gaballufix es tat.«

»Er kam hierher?« sagte Elemak wütend. »Weshalb?«

»Vergiß nicht, er war einst Tante Rasas Gefährte, sie haben zwei Töchter …«

»Ja, ich glaube, ich habe sie kennengelernt.«

»Natürlich«, sagte sie lachend. »Ich weiß, es sind deine Nichten. Und sie sind auch Njefs und Issibs Schwestern – sind Familienverhältnisse immer so kompliziert? Aber ich meinte, seltsam war nicht, daß Gaballufix kam, sondern wie er kam, mit diesen Soldaten in ihren schrecklichen Kostümen, in denen sie alle so … unmenschlich aussehen.«

»Ich habe gehört, es sei eine Holographie.«

»Ein sehr altes Theaterrequisit. Nun, da ich es gesehen habe, bin ich froh, daß unsere Schauspieler Schminke oder Masken benutzen. Hologramme sind sehr verwirrend. Unnatürlich.« Sie schob ihre Hand in sein Hemd und streichelte seine Haut. Es kitzelte. Er zitterte. »Siehst du?« fragte sie. »Wie könnte ein Hologramm jemals so etwas empfinden? Wie kann man es nur ertragen, so unwirklich zu sein?«