»Ich stelle mir vor, daß sie unter dem Hologramm noch durchaus wirklich sind. Und sie können einem die Zunge herausstrecken, ohne daß man es mitbekommt.«
Sie lachte. »Aber stelle dir einmal vor, du wärest ein Schauspieler und müßtest so etwas tragen. Wie könnte man da noch deinen Gesichtsausdruck ausmachen?«
»Vielleicht haben sie sie nur für Statisten benutzt – damit ein und derselbe Schauspieler Dutzende von Rollen spielen kann, ohne das Kostüm zu wechseln.«
Eiadhs Augen wurden größer. »Mir war gar nicht bekannt, daß du so viel über das Theater weißt.«
»Ich habe einmal einer Schauspielerin den Hof gemacht«, sagte Elemak. Er sagte es absichtlich, da er wußte, daß es die meisten Frauen störte, von alten Lieben zu hören. »Ich hielt sie damals für wunderschön. Verstehst du, ich hatte dich noch nicht gesehen. Jetzt frage ich mich, ob sie auch nur ein Hologramm war.«
Zur Belohnung für das nette Kompliment küßte sie ihn.
Dann wurde die Tür geöffnet, und Rasa kam herein. Sie hatte ihnen die nach den gesellschaftlichen Gepflogenheiten angemessenen fünfzehn Minuten zugestanden – vielleicht ein paar mehr. »Ich freue mich, daß du uns besuchst, Elemak. Vielen Dank, Eiadh, daß du mit unserem Gast Konversation getrieben hast, während ich abgelenkt war.« Dieser Brauch, so zu tun, als wolle der Freier die Dame des Hauses besuchen, während die junge Dame, die umworben wurde, der Herrin lediglich half, den Gast zu unterhalten, gehörte zu den delikaten Vor wänden des Werbens.
»Ich finde keine Worte dafür, wie dankbar ich dir für deine Gastfreundschaft bin«, sagte Elemak. »Du hast einen müden Reisenden gerettet, meine Herrin Rasa; ich habe nicht gewußt, wie nah ich dem Tod gewesen sein muß, bis deine Freundlichkeit mich wieder so lebendig machte.«
Rasa wandte sich an Eiadh. »Er ist darin wirklich gut, nicht wahr?«
Eiadh lächelte freundlich.
»Meine Herrin Rasa«, sagte Elemak, »ich weiß nicht, was die Zukunft bringen wird. Ich muß mich heute mit Gaballufix treffen, und ich weiß nicht, was dabei herauskommen wird.«
»Dann treffe dich nicht mit ihm«, sagte Rasa, und ihr Gesichtsausdruck wurde wieder ernst. »Ich glaube, er ist sehr gefährlich geworden. Roptat ist überzeugt, daß es an jenem Tag, als Wetschik ging, einen Plan gab, ihn bei diesem Treffen am Kühlhaus zu töten. Wäre Wetschik wie vereinbart dort gewesen, wäre Roptat in eine Falle gelaufen. Ich glaube ihm – ich glaube, daß Gaballufix Mord im Herzen hat.«
Elemak wußte es; aber er hatte nicht die geringste Vorstellung, was daraus entstehen würde, wenn er Rasas Verdacht bestätigte. Zum einen würden sich Rasa und Eiadh vielleicht fragen, woher Elemak von solch einer Verschwörung wissen konnte und wieso er Roptat, wenn er davon gewußt hatte, nicht gewarnt hatte. Frauen verstanden nicht, daß es manchmal am freundlichsten und friedlichsten war, einen Konflikt mit einem einzigen Todesfall zur rechten Zeit zu verhindern, um Tausende von Gefallenen eines blutigen Krieges zu vermeiden. Die Naiven konnten eine gute Strategie so leicht als Mord mißverstehen.
»Vielleicht«, sagte Elemak. »Weiß wirklich jemand, was ein anderer im Herzen hat?«
»Ich kenne das Herz eines anderen«, sagte Eiadh. »Und mein Herz hat keine Geheimnisse vor ihm.«
»Wenn du dich damit nicht auf Elemak beziehst«, sagte Rasa, »könnte der arme Elemak vielleicht in Betracht ziehen, selbst ein heißblütiges Verbrechen aus Leidenschaft zu begehen.«
»Natürlich spreche ich von Elja«, sagte Eiadh. Sie nahm seine Hand und hielt sie in ihrem Schoß.
»Herrin Rasa, es ist unbedingt nötig, daß ich Gaballufix aufsuche. Vater schickt mich. Er braucht etwas, das nur Gaballufix ihm geben kann.«
»Wir alle brauchen etwas, das nur Gaballufix geben kann«, sagte Rasa, »und das ist Friede. Das könntest du vielleicht erwähnen, wenn du mit ihm sprichst.«
»Ich werde es versuchen«, sagte Elemak, obwohl sie beide wußten, daß er es nicht tun würde.
»Was will Wetschik haben? Hat er dir eine Nachricht für mich mitgegeben?«
»Er hat nicht damit gerechnet, daß ich dich sehe«, sagte Elemak. »Eine Vision der Überseele schickt mich hierher. Eigentlich sind wir alle vier gekommen …«
»Sogar Issib! Hier!«
»Nein. Ich habe sie vor der Stadt zurückgelassen, an einem sicheren Ort. Wenn es nach meinem Willen geht, werdet nur ihr beide erfahren, daß sie hier sind. Mit etwas Glück werde ich mir den Index noch vor der Nacht beschaffen und die Stadt wieder verlassen können. Ich habe keine Ahnung, wann wir danach wieder zurückkehren werden.«
»Der Index«, flüsterte Rasa. »Dann kann er niemals zurückkommen.«
Elemak verwirrten ihre Worte. »Wieso? Was hat es überhaupt mit diesem Index auf sich?«
»Nichts«, sagte sie. »Ich meine, ich weiß es nicht. Nur, daß … sagen wir es einmal so. Wenn die Palwaschantu merken, daß er verschwunden ist …«
»Wie kann er nur so wichtig sein? Ich habe nie von ihm gehört, bevor Vater uns schickte, ihn zu holen.«
»Nein, man spricht nicht viel von ihm«, sagte Rasa. »Ich vermute, es hat auch kein Grund dafür bestanden. Oder die Überseele wollte vielleicht nicht, daß viele von ihm erfahren.«
»Warum? Es gibt zahlreiche Indexe – Dutzende in jeder Bibliothek auf der Welt, Hunderte allein in Basilika. Warum ist das der Index?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte Rasa. »Wirklich nicht. Ich weiß nur, daß es sich um das einzige Artefakt der Männerreligion handelt, das auch in den Überlieferungen der Frauen erwähnt wird.«
»Männerreligion? Wie wird er benutzt?«
»Ich weiß es nicht. Meines Wissen wurde er niemals benutzt. Ich habe ihn nie gesehen. Ich weiß nicht einmal, wie er aussieht.«
»Das sind wirklich gute Nachrichten«, sagte Elemak. »Ich ging davon aus, daß er wie jeder andere Index auch aussieht, und nun sagst du mir, daß Gaballufix mir alles geben und als Index bezeichnen könnte und ich nicht einmal wüßte, ob er mich betrügt.«
Rasa lächelte. »Elemak, du verstehst nicht ganz. Wenn er nicht die Führung der Palwaschantu verlieren wird, wird er dir den Index niemals geben.«
Elemak war besorgt, aber nicht bestürzt. Sie meinte es eindeutig ernst, aber das bedeutete nicht unbedingt, daß sie Recht hatte. Niemand konnte voraussagen, was Gaballufix tun würde, und wenn er glaubte, dadurch einen Vorteil zu bekommen, würde er alles eintauschen. Selbst ihre Mutter, falls Gabja auf den Gedanken kommen sollte, die alte Hosni hätte irgendeinen Wert für ihn. Nein, er würde sich vom Index trennen, wenn der Preis stimmte.
Und um so mehr ihm klar wurde, wie wichtig dieser geheimnisvolle Index war, um so dringender wollte er ihn haben, nicht nur, um Vaters Auftrag zu erfüllen, sondern um ihn zu behalten. Wenn der Index seinem Besitzer eine solche Macht bescherte, warum sollte dieser Besitzer dann nicht Elemak sein?
»Elemak«, sagte Rasa, »falls du den Index irgendwie bekommen solltest, mußt du wissen, daß Gaballufix ihn dir nicht einfach lassen wird. Irgendwie wird er ihn sich zurückholen. Dann schwebst du in schrecklicher Gefahr. Ich will dir damit sagen – vertraue keinem Mann, falls du oder einer deiner Brüder Zuflucht vor Gabja brauchen solltet. Hast du verstanden? Vertraue keinem Mann.«
Elemak wußte nicht, was er darauf erwidern sollte. Er war ein Mann; wie sollte er auf so einen Rat reagieren?
»Es gibt nur wenige Frauen in dieser Stadt«, sagte Rasa, »die sich nicht freuen würden, würde man Gabja eines Großteils seiner Macht und seines Prestiges berauben. Sie würden dem neuen Besitzer des Index gern helfen, dem Zugriff von Gaballufix zu entkommen – selbst, wenn dieser sich den Index auf eine Weise beschafft hat, die manche als …«