»Natürlich nicht«, sagte Gaballufix. »Natürlich wirst du sie mißachten – aber das hindert mich nicht daran, dich trotzdem zu bewundern, oder? Es hindert dich nur daran, mir meine Bewunderung zu glauben! Das ist dein Verlust, lieber Elja.«
»Ich bin gekommen, um den Index zu holen, Gaballufix«, sagte Elemak. »Eine einfache Sache. Gib ihn mir, und ich bin wieder verschwunden. Wetschik und seine Familie werden dich nie wieder belästigen, und du kannst deine kleinen Spielchen treiben, bis dir jemand einen Dolch zwischen die Rippen stößt.«
Gaballufix neigte den Kopf zur Seite.
Er wird ihn mir geben, dachte Elemak triumphierend.
»Nein«, sagte Gaballufix. »Ich würde es gern, kann es aber nicht. Das Verschwinden des Index – das könnte ich dem Klans-Rat nur schwer erklären. Es würde mir eine Menge Ärger machen, und warum sollte ich mich diesem Ärger aussetzen, nur um Wetschik loszuwerden? Schließlich bin ich ihn doch schon losgeworden.«
Nun endlich war Elemak dort, wo er hinwollte: Jetzt konnte er wie ein Händler feilschen. »Was könnte dich überzeugen, diesen Ärger doch auf dich zu nehmen?«
»Mach mir ein Angebot. Genug Geld, um einen Ausgleich für diesen Ärger zu schaffen.«
»Gib mir den Index, und Vater wird dir die Summe zukommen lassen, die du verlangst.«
»Ich soll auf das Geld warten? Darauf warten, daß Wetschik mich später für einen Index bezahlt, den ich dir jetzt gebe?
Oh … ich verstehe … jetzt begreife ich!« Gaballufix lachte spöttisch. »Du kannst mir jetzt kein Geld geben, weil du keins hast. Wetschik hat dir noch nichts von seinem Vermögen überschrieben! Er hat dich auf diesen Botengang geschickt und dir noch nicht einmal Zugang zu seinem Geld gewährt!«
Es war erniedrigend. Vater hätte wissen müssen, daß Verhandlungen mit Gaballufix letztendlich auf Geld hinauslaufen würden; er hätte ihm das Kennwort verraten sollen, mit dem er an das Familienvermögen herangekommen wäre. -Raschgallivak, der Verwalter, hatte eine größere Macht über das Wetschik-Vermögen als Elemak. Ärger und Groll erfüllte ihn, weil sein Vater ihn in eine so schwache Position gesetzt hatte. Der kurzsichtige, dumme alte Mann, der immer über seine eigenen Füße stolperte, wenn es um Geschäfte ging!
»Sag mir, Elja«, sagte Gaballufix und hörte endlich auf zu lachen, »warum sollte ich dir den Index anvertrauen, wenn dein eigener Vater dir nicht sein Geld anvertraut?«
Bei diesen Worten griff Gaballufix unter den Tisch und berührte anscheinend irgendeinen Knopf, denn gleichzeitig wurden drei Türen geöffnet, und identisch aussehende Soldaten stürmten in den Raum. Sie ergriffen Elemak und zerrten ihn grob in die Halle und dann zur Eingangstür hinaus.
Doch das war noch nicht genug. Sie brachten ihn im Stechschritt zum nächsten Tor, bei dem es sich zufällig um das Hintere Tor handelte – es lag direkt neben dem Haus seiner Mutter – und warfen ihn vor den Wächtern zu Boden.
»Der Kerl hier verläßt die Stadt!« rief einer der Soldaten.
»Und er wird nie mehr zurückkommen!« rief ein anderer.
Die Wächter schienen jedoch nicht besonders beeindruckt zu sein. »Bist du ein Bürger?« fragte einer.
»Ja«, sagte Elemak und klopfte sich den Staub ab.
»Bitte den Daumen.«
Elemak hielt den Daumen über den Scanner. »Bürger Elemak, Sohn der Herrin Rasa vom Wetschik. Es ist uns eine Ehre, dir zu Diensten sein zu können.« Woraufhin alle Wächter salutierten.
Es verblüffte ihn vollkommen. Nie zuvor, ob er die Stadt nun betreten oder verlassen hatte, hatte ein Wächter auch nur die Stirn gerunzelt, wenn der Stadtcomputer seinen hohen Rang mitteilte. Und nun ein Salut!
Dann grölten Gaballufix’ Soldaten wieder los und prahlten damit, was sie mit ihm machen würden, falls er jemals zurückkehren sollte, und Elemak begriff. Die offiziellen Stadtwächter wollten ihm und allen anderen, die sich in der Nähe befanden, zeigen, daß sie nicht zu Gaballufix’ kleiner Armee gehörten. Des weiteren bewirkte schon allein die Tatsache, daß Wetschiks Sohn eindeutig Gaballufix’ Feind war, daß die Stadtwächter ihm ihre Ehre bezeugten. Diese Situation würde Elemak vielleicht einmal zu seinem Vorteil ausnützen können. Was, wenn ich als Befreier zur Stadt zurückkehre und die Wächter und die Miliz in den Kampf gegen Gabja und seine verhaßte Armee kostümierter Klone führe? Die Stadt würde mir dann freiwillig alles geben, was Gabja nun durch Betrug, Einschüchterung und Mord zu gewinnen versucht. Ich hätte alle Macht, von der Gaballufix träumt – und die Stadt würde mich trotzdem lieben.
12
Vermögen
Es war ein elender Tag in der Wüste, obwohl die Schlucht im Schatten lag und ständig eine Brise hindurchwehte. Kein Ort ist behaglich, dachte Nafai, wenn man darauf wartet, daß ein anderer eine Aufgabe erledigt, die man eigentlich selbst erledigen müßte. Schlimmer als die Hitze, als der Schweiß, der in seine Augen tropfte, als der Sand, der zwischen seinen Zähnen knirschte, war das hilflose Entsetzen, das Nafai jedesmal verspürte, wenn er daran dachte, daß man ausgerechnet Elemak anvertraut hatte, die Aufgabe der Überseele zu erledigen.
Nafai wußte natürlich, daß Elemak die Würfel manipuliert hatte. Er war nicht so dumm, um auf den Gedanken zu kommen, Elemak habe die Entscheidung dem Zufall überlassen. Obwohl er die Geschicklichkeit bewunderte, mit der Elja vorgegangen war, war er wütend auf ihn. Würde er überhaupt ernsthaft versuchen, den Index zu bekommen? Oder ging er in die Stadt und traf sich mit Gaballufix, um einen weiteren Verrat an Vater und damit an der Vormundschaft der Überseele über die Menschheit zu begehen?
Würde er überhaupt zurückkehren?
Dann endlich, am Spätnachmittag, erklang das Klappern und Scheppern von fallenden Steinen, und Elemak kletterte lautstark zu ihrem Versteck hinab. Seine Hände waren leer, doch seine Augen strahlten. Wir sind verraten worden, dachte Nafai.
»Er hat natürlich abgelehnt«, sagte Elemak. »Der Index ist wichtiger, als Vater uns gesagt hat. Gaballufix will ihn nicht hergeben – zumindest nicht umsonst.«
»Was will er dafür haben?« fragte Issib.
»Das hat er nicht gesagt. Aber er hat einen Preis. Er hat klargemacht, daß er ein Angebot hören will. Das Problem ist nur – wir müssen zu Vater zurück und uns von ihm Zugang zu seinen Geldmitteln geben lassen.«
Nafai gefiel das alles nicht. Woher sollten sie wissen, was Elemak und Gaballufix einander versprochen hatten?
»Den ganzen Weg wieder zurück, und auch noch mit leeren Händen«, sagte Mebbekew. »Weißt du was, Elja? Du kehrst zurück, und wir werden hier warten, bis du mit dem Kennwort zu Vaters Finanzen zurückkommst.«
»Genau«, sagte Issib. »Ich werde die Nacht nicht hier draußen in der Wüste verbringen, wenn ich in die Stadt gehen und meine Flossen benutzen kann.«
»Wie dumm seid ihr eigentlich wirklich?« sagte Elemak. »Begreift ihr nicht, daß die Dinge sich verändert haben?
Gabjas Truppen sind überall in der Stadt. Und Gaballufix ist nicht Vaters Freund. Und deshalb ist er auch nicht unser Freund.«
»Er ist dein Bruder«, sagte Mebbekew.
»Er ist niemandes Bruder«, sagte Elemak. »Ich kenne ihn besser als ihr alle, und ich kann euch versprechen, daß er uns in dem Augenblick umbringen läßt, da er uns zu Gesicht bekommt.«
Nafai war erstaunt, Elemak so reden zu hören. »Ich dachte, du hast gewollt, daß er Basilika führt.«
»Ich war der Ansicht, daß sein Plan in den bevorstehenden Kriegen die beste Hoffnung Basilikas war«, sagte Elemak. »Doch ich habe niemals angenommen, daß Gaballufix auf etwas anderes als seinen eigenen Vorteil aus war. Seine Soldaten sind in der ganzen Stadt – sie tragen irgendwelche Hologramm-Kostüme, die ihre gesamten Körper bedecken, so daß alle absolut identisch aussehen.«