Der Betrag, um den es sich handelte, stellte die höchste bewegliche Einzelsumme in der jüngeren Geschichte des Goldmarkts dar. Kein Makler hatte genug Barren oder Juwelen oder Obligationen, um auch nur einen größeren Teil des Auftrags übernehmen zu können. Über eine Stunde lang, bis die Sonne hinter der roten Mauer stand und der Goldmarkt in den Schatten lag, kratzen die Makler untereinander die letzten Mittel zusammen, bis schließlich die gesamte Summe auf einem Tisch lag. Die Werte wurden transferiert; eine unglaubliche Summe wurde auf allen Computerdisplays von einem Feld ins andere bewegt – denn mittlerweile verfolgten erstaunt alle Makler den Vorgang. Die Barren wurden in drei Stofftücher geschlagen und zusammengebunden, die Juwelen wurden in Stoff gerollt und verstaut, die Obligationen wurden in Ledermappen gelegt. Dann wurden alle Pakete auf die vier Söhne des Wetschik verteilt.
Einer der Makler hatte bereits ein halbes Dutzend Stadtwachen herbeigerufen, die sie begleiten sollten, doch Elemak schickte sie fort. »Wenn die Wachen bei uns sind, wird jeder Dieb in Basilika auf uns blicken und uns erkennen, wohin wir uns auch wenden. Damit hätten wir unser Leben verwirkt«, sagte Elemak. »Wir gehen schnell und ohne Wachen, damit uns keiner bemerkt.«
Erneut sahen die Brüder Raschgallivak an, der billigend nickte.
Eine halbe Stunde durch die Stadt, dann standen sie endlich vor den Toren von Gaballufix’ Haus. Nafai bekam augenblicklich mit, daß sowohl Elemak als auch Mebbekew hier bekannt waren. Das galt auch für Raschgallivak – doch Rasch war im Palwaschantu-Klan gut bekannt, so daß es eine Überraschung gewesen wäre, wenn man ihn nicht erkannt hätte. Nur Nafai und Issib mußten vorgestellt werden, als sie vor Gaballufix im großen Salon dessen – nein, nicht seines, sondern des Hauses seiner Frau standen.
Gaballufix betrachtete Issib. »Also bist du derjenige, der fliegt«, sagte er.
»Ich schwebe«, sagte Issib.
»Das sehe ich«, sagte Gaballufix. »Rasas Söhne, alle beide.« Er sah Nafai in die Augen. »Sehr groß für einen so jungen Knaben.«
Nafai sagte nichts. Er war zu sehr damit beschäftigt, Gaballufix’ Gesicht zu studieren. Eigentlich ein ganz gewöhnliches Gesicht. Nicht mehr ganz jung, obwohl jünger als Vater, der schließlich auch mit Gaballufix’ Mutter geschlafen hatte – oft genug, um Elemak zu zeugen. Zwischen Elja und Gaballufix war eine leichte Ähnlichkeit zu verzeichnen, aber keine sehr große, nur bei der dunklen Färbung ihres Haars und bei den Augen, die unter den dichten Brauen vielleicht etwas zu nah beieinander standen.
In den Augen waren sie sich am ähnlichsten, doch in den Augen unterschieden sie sich auch am meisten, denn ein Blick in Gaballufix’ Augen stellte genau das Gegenteil von Eljas scharfem Blick dar. Elemak war ein Mann der Tat und Kraft, ein Mann der Wüste, der Fremden und unbekannten Orten mit Mut und Zuversicht und Nachdruck entgegentrat. Gaballufix hingegen war ein Mann, der nirgendwo hinging und nichts tat; er ließ es sich lieber in seinem Wohnzimmer gutgehen und andere die Arbeit für ihn erledigen. Elemak ging in die Welt hinaus und veränderte sie, wo er wollte; Gaballufix blieb an Ort und Stelle und sog die Welt aus, leerte sie, um sich zu füllen.
»Also ist der Knabe sprachlos«, sagte Gaballufix.
»Zum ersten Mal in seinem Leben«, sagte Meb, und sie lachten nervös.
»Aus welchem Grund beehren die Söhne und der Verwalter des Wetschik mich mit diesem Besuch?«
»Vater wollte, daß wir Geschenke mit dir tauschen«, sagte Elemak. »Wir leben an einem Ort, an dem wir keine große Verwendung für Geld haben, doch Vater hat sich in den Kopf gesetzt – nein, die Überseele hat es ihm befohlen –, den Index mitzubringen. Wohingegen du, Gaballufix, keine große Verwendung für den Index hast – und vielleicht besser dazu geeignet wärest, einen Teil des Wetschik-Besitzes zu vermehren, als Vater es könnte, der fern der Stadt weilt.«
Es war eine eloquente, der Wahrheit entsprechende und gleichzeitig völlig trügerische Rede, und Nafai bewunderte sie. Niemand bezweifelte hier, daß es um einen Verkauf ging, und doch wurde er geschickt als Austausch von Geschenken getarnt, so daß niemand offen Gaballufix anklagen konnte, den Index verkauft, oder Vater, ihn gekauft zu haben.
»Mein Verwandter Wetschik ist viel zu großzügig zu mir«, sagte Gaballufix. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich ihm von großem Nutzen bin, wenn ich einen unbeträchtlichen Teil seines großen Vermögens verwalte.«
Als Antwort trat Elemak vor und rollte ein schweres Paket Platinbarren auf. Gaballufix nahm einen Barren und wog ihn in der Hand. »Ein sehr schöner Gegenstand«, sagte er. »Und doch weiß ich, daß es sich dabei um einen so winzigen Bruchteil des Wetschik-Vermögens handelt, daß ich es nicht ertragen könnte, meinem Verwandten einen so kleinen Gefallen zu tun, während ich ihm die schwere Last aufbürde, den Palwaschantu-Index zu hüten.«
»Das ist nur ein Beispiel«, sagte Elemak.
»Sollte man mir dann nicht zeigen, wieviel ich insgesamt behüten soll?«
Elemak entfernte den Rest des Schatzes, den er am Leib trug, und legte ihn auf den Tisch. »Vater würde es bestimmt nicht wagen, dir eine größere Last aufzubürden.«
»So eine kleine Last«, sagte Gaballufix. »Ich würde mich schämen, wäre das die gesamte Hilfe, die ich meinem Verwandten geben kann.« Doch Nafai sah, daß Gaballufix’ Augen angesichts von soviel Reichtum auf einem Haufen leuchteten.
»Ich glaube, das ist genug.«
»Dann könnte ich es nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, meinem Verwandten die Last des Indexes aufzubürden«, sagte Gaballufix.
»Nun gut«, entgegnete Elemak. Er griff nach den Barren und begann, sie wieder einzurollen.
Ist das alles? dachte Nafai. Geben wir so leicht auf? Sehe ich als einziger, daß Gaballufix nach dem Geld giert? Daß er verkaufen wird, wenn wir ihm nur etwas mehr anbieten?
»Warte«, sagte Nafai. »Wir können hinzufügen, was ich bei mir habe.«
Nafai war sich bewußt, daß Elemak ihn anfunkelte, doch es war undenkbar, dem Ziel so nahe zu kommen und dann aufzugeben. Begriff Elemak nicht, daß der Index wichtig war? Viel wichtiger als Geld, das stand fest. »Und wenn das nicht reicht, hat Issib noch mehr«, sagte Nafai. »Zeige es ihm, Issib. Laß mich es ihm zeigen.«
In einem Augenblick hatte er das Angebot verdreifacht.
»Ich fürchte«, sagte Elemak mit eisiger Stimme, »daß mein jüngerer Bruder dir unüberlegt eine viel größere Last auferlegt hat, als ich sie dir jemals aufbürden würde.«
»Ganz im Gegenteil«, sagte Gaballufix. »Dein jüngerer Bruder hat viel genauer eingeschätzt, welche Last zu tragen ich bereit bin. Ich glaube sogar, läge auch noch das letzte Viertel dessen, was ihr in mein Haus getragen habt, auf diesem Tisch, könnte ich meinem lieben Verwandten die schwere Verantwortung aufbürden, den Palwaschantu-Index zu hüten.«
»Ich sage, es ist zu viel«, erwiderte Elemak.
»Dann verletzt du meine Gefühle«, sagte Gaballufix, »und ich sehe keinen Grund, dieses Gespräch fortzusetzen.«
»Wir sind wegen des Index hier«, sagte Nafai. »Wir sind hier, weil die Überseele es verlangt.«
»Dein Vater ist berühmt für seine Heiligkeit und seine Visionen«, sagte Gaballufix.
»Wenn du bereit bist, alles zu akzeptieren, was wir haben«, sagte Nafai, »legen wir dir es gern auf den Tisch, um den Willen der Überseele zu erfüllen.«
»Im Tempel wird man sich lange an diesen Gehorsam erinnern«, sagte Gaballufix. Er sah Mebbekew. »Oder wird Nafais Heiligkeit nicht von der seines Bruders Mebbekew erreicht?«