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»Das stimmt.« Münzenmädchen waren eine Art Straßensklavinnen, die von ihren Herren, die gewöhnlich mehrere von ihre Sorte besaßen, gegen Sonnenuntergang auf die Straße geschickt wurden. Von den Ketten um ihren Hals baumelten Glöckchen, die ihren Standort verrieten, sowie ein verriegeltes Münzkästchen, Und wehe dem Mädchen, das nach Hause kommt, ohne daß ein paar Münzen in dem Kästchen klimpern! Andererseits bekam man an manchen Orten für ein Tarskstück bereits eine Pagasklavin.

»Für eine freie Frau ist das zuviel«, sagte der Krieger.

»Vielleicht.«

»Vor allem für so eine«, sagte er verächtlich.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Vielleicht ist es ja doch angemessen, ein Tarskstück für ein fettes Tarskweibchen.«

»Eigentlich ist sie gar nicht so fett«, meinte ich. Sicher, ihre Figur war verbesserungswürdig, und sobald sie eine Sklavin wurde, was zweifellos sehr bald geschah, würde man sich darum kümmern.

»Ich habe Tharlarion gesehen, die besser aussahen.«

Lady Temione versteifte sich vor Wut. Ich konnte ihre Reaktion nicht verstehen.

»Man hätte kaum weniger als ein Tarskstück für sie verlangen können«, sagte ich irgendwie gereizt. Ich durfte die Beherrschung nicht verlieren. In den meisten Städten ist das Tarskstück die Münze mit dem kleinsten Geldwert, die in Umlauf ist.

»Für soviel hatte man sie dir einen Monat überlassen müssen.«

»Vielleicht.«

»Du mußt ein seltsamer Kerl sein, um es mit einer freien Frau zu treiben«, meinte er.

»Sie muß ja nicht für alle Zeiten frei bleiben.«

Lady Temione zitterte vor Furcht. Die Kette an ihrem Hals und das Vorhängeschloß klirrten leise.

Er ging neben ihr in die Hocke. Sie wandte ängstlich den Blick ab.

»Du bist keine Frau, du bist ein Tarskweibchen«, stieß er höhnisch hervor.

Sie schluchzte auf.

»Misch dich nicht ein«, beschwor mich der Mann auf Schlafplatz achtundneunzig, der so unsanft von seinem Eckplatz vertrieben worden war. »Er ist gefährlich.«

»Das habe ich auch nicht vor.« Ich protestierte nicht gegen seine Beschimpfungen, denn auch wenn sie vielleicht etwas übertrieben waren, waren sie nicht ganz ungerechtfertigt. Die Gefahr bei jemanden mit meinem Temperament bestand natürlich darin, daß ich plötzlich meine Ehre beleidigt sah. Falls ich dann meiner Wut freien Lauf ließe und den Kerl mit dem Schwert auf den Boden nagelte, brächte das meine Pläne ernsthaft durcheinander. Ich mußte so gelassen sein wie ein Larl, der so tat, als schliefe er, so gelassen sein wie Dietrich von Tarnburg.

Der Krieger fuhr herum. »Was hast du da gesagt?«

»Ich? Nichts.«

Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder Lady Temione zu.

»Du bist wertlos.« Er starrte sie verächtlich an. »Schaff sie mir aus den Augen. Ich will mir nicht den Appetit fürs Frühstück versauen.«

Ich hatte bestimmt keine Zeit fürs Frühstück. Der Plan sah einen sehr frühen Aufbruch vor.

»Hast du nicht gehört?«

»Der Hausdiener wird gleich da sein.«

»Willst du mich hinhalten?«

»Das fiele mir im Traum nicht ein.« Ich fand den Schwertgriff. Es war zwar nicht unbedingt ehrenhaft, einen betrunkenen Krieger im Dunkeln mit dem Schwert zu durchbohren, aber alles in allem ist es besser, als selbst durchbohrt zu werden.

»Ich bringe sie weg«, sagte der Mann neben mir hastig.

»Das ist nicht deine Angelegenheit«, sagte ich. Ich fürchte, mein Tonfall war etwas ungehalten, zog man die Großzügigkeit seines Angebots in Betracht.

»Sieh mal«, sagte er, »ich habe jetzt große Übung darin, Wände mit meinem Rücken abzuklopfen, aber ich verstehe mich nicht darauf, in der Dunkelheit in einen Schwertkampf hineinzugeraten und Klingen auszuweichen, verstehst du?«

»Ein Schwertkampf?« fragte der Krieger.

»Also brächte ich sie gern zum Verwalter zurück.«

Der Krieger griff nach dem Schwert, tastete aber daneben. Zumindest sah es so aus.

Meine Klinge glitt aus der Scheide. Ich stand auf.

Der Mann in der Mitte zwischen uns stöhnte auf und bereitete sich darauf vor, schnell in Sicherheit zu kriechen.

»Oh!« sagte Lady Temione, die von den starken Händen des Hausdieners hochgehoben wurde, der unbemerkt herangekommen war. »Die Zeit ist um«, verkündete er.

»Nimm sie weg«, verlangte der Krieger mit einer Handbewegung.

»Das habe ich vor«, sagte der Hausdiener. Er drehte uns den Rücken zu, und ich sah Lady Temiones Gesicht.

»Steck sie in einen Tarsk-Käfig«, lachte der Krieger. »Da gehört sie hin.«

Lady Temione kämpfte kurz gegen den Griff des Hausdieners an, wobei sie sich sicherlich verführerischer bewegte, als ihr bewußt war, und zerrte vergeblich an ihren Handfesseln. Sie sah zurück, wobei sie dem Krieger einen Blick voller Wut und Angst zuwarf.

»Wer will einen Kampf?« fragte der Krieger. Er schwankte. Seine Hand lag auf dem Schwertgriff.

»Niemand«, sagte der Mann in der Mitte hastig.

Ich konnte mir nicht vorstellen, daß ein Angriff besonders erfolgreich sein würde, solange der unschuldige Reisende zwischen uns stand, zumindest nicht ohne ihn vorher mit dem ersten Hieb zu entfernen. Damit hätte sein Tag, der ohnehin nicht besonders ertreulich gewesen war, einen traurigen Abschluß gefunden. Ich schob das Schwert zurück in die Scheide. Ich war nicht einmal davon überzeugt, daß der Krieger in der Dunkelheit überhaupt mitbekommen hatte, daß ich es gezogen hatte. Er war nicht weiter gegangen, als die Hand an die Klinge zu legen. Ich glaube, er hatte überhaupt nicht bemerkt, daß er sich in Gefahr befand.

»Bist du es, der kämpfen will?« fragte er.

»Ich nicht«, erwiderte ich.

»Dann mußt du derjenige sein!« rief der Krieger und wandte sich an den Reisenden.

»Nein!«

Seine Erwiderung kam schnell. Sie klang von ganzem Herzen überzeugt und ließ keinen Zweifel an ihrer Ehrlichkeit aufkommen.

»Ich bin müde«, verkündete der Krieger.

»Dann ist es Zeit, sich schlafen zu legen.«

Der Krieger blieb einen Augenblick lang stehen und überdachte seine Möglichkeiten. »Vielleicht«, sagte er dann.

Ich war mittlerweile zu dem Schluß gelangt, daß es nicht nötig wäre, den Krieger zu töten. Zumindest nicht zum jetzigen Zeitpunkt. In seiner augenblicklichen Verfassung wäre es nicht besonders ehrenhaft gewesen, ihm eine Klinge in den Leib zu rammen. Außerdem ist es schwierig, ein Schwert in der Dunkelheit auf fachmännische Weise zu handhaben, und ich neige dazu, auf solche Dinge großen Wert zu legen. Das Schwert ist weniger für die Dunkelheit geeignet als Verstohlenheit und ein Dolch. Unter diesen Umständen hätte ihn ein Rekrut töten können.

»Es ist Zeit, um schlafenzugehen«, verkündete der Krieger.

»Ja, da hast du recht«, sagte der Mann.

Das war das zweite Mal, daß der Krieger in dieser Nacht in beträchtlicher Gefahr geschwebt hatte. Vermutlich würde ihm das am nächsten Morgen nicht einmal bewußt sein.

»Setz dich«, sagte der Krieger zu mir.

»Sicher«, erwiderte ich und setzte mich. Der Mann schloß sich mir an.

Der Krieger sah in die Runde. Er war der einzige im Raum, der auf den Beinen war.

Er hatte im Bad die Erste Wanne in Beschlag genommen. Er hatte im Pagaraum für Aufruhr gesorgt. Er hatte dafür gesorgt, daß man ihm eine ausgezeichnete Sklavin schickte, vermutlich sogar gratis. Ich war sogar davon überzeugt, daß man ihm eine viel größere Auswahl an Speisen angeboten hatte als mir. Er war wie ein Wirbelsturm in den Schlafraum eingefallen. Es war zu bezweifeln, daß er sich bei den anderen Gästen besonders beliebt gemacht hatte, schließlich hatte er mehr als nur einen Mann geschlagen. Er war sogar auf dem schrägen, direkten Weg zu seinem Schlafplatz gegangen, statt wie die anderen Gäste den rücksichtsvolleren längeren Weg am Rand entlang zu nehmen. Außerdem hatte er mir nicht den gebotenen Respekt erwiesen, von dem Mann neben mir ganz zu schweigen, dessen bezahlten Platz er belegt hatte.

Er ließ sich auf dem Eckplatz mit der Nummer neunundneunzig nieder, dem sichersten Platz im ganzen Raum.