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»Ihr seid damals nicht auf dem Fluß gewesen«, sagte Aemilianus.

»Mit deiner Erlaubnis, Kommandant?« fragte der junge Mann.

»Geh«, sagte Aemilianus resigniert.

»Nein!« rief der Ältere, aber der junge Mann hatte sich bereits abgewandt und verließ den Raum.

»Er wird es niemals aus der Stadt schaffen«, sagte der Ältere.

»Er wird bei Sonnenuntergang tot sein«, meinte ein anderer Mann.

»Hört. Die Fanfaren!«

»Der Morgenangriff hat begonnen!«

Aemilianus erhob sich unsicher auf die Füße. »Meine Herren«, sagte er, »laßt uns auf unsere Posten gehen.« Dann blickte er müde auf mich herunter. »Wie ich hörte, bist an der Mauer beinahe aufgehängt worden.«

Ich sah zu ihm hoch, so gut ich konnte, sagte aber kein Wort.

»Vielleicht ist es ganz gut, daß das nicht geschehen ist. Aufhängen ist ein zu schneller Tod für einen Spion.«

Ich kämpfte vergeblich gegen die Männer an.

»Bringt ihn zu der anderen Spionin«, befahl Aemilianus.

12

Das Seil um meinen Hals wurde entfernt.

Ich stand vor einer offenen Eisentür.

»Entfernt seine Fesseln«, befahl ein Offizier.

Man nahm mir die Hand- und Fußschellen ab. Zwei Armbrüste zielten auf mich. Jede verdächtige oder plötzliche Bewegung endete garantiert damit, daß sich zwei spitze Eisenbolzen in meinen Körper bohrten.

Man stieß mich durch die Tür. Sie krachte hinter mir ins Schloß. Ein schwerer Riegel wurde vorgeschoben.

Ich stand in einer Zelle, deren aus großen flachen Steinen bestehender Boden mit Stroh bedeckt war. In den Ecken lag weiteres Stroh. Der Raum maß etwa sechs Quadratmeter. Aus einem Fenster hoch oben in der Wand drang Licht herein. Das Fenster war vergittert. Die Gitterstäbe schienen ungefähr fünf Zentimeter dick zu sein; die Lücke dazwischen hatte die gleiche Abmessung.

Ich trat zur Tür. Sie war stabil, ihre Angeln befanden sich auf der anderen Seite. In ihrer Mitte war ein rechteckiges Guckloch, das nur von außen geöffnet werden konnte. Durch den schmalen Schlitz im unteren Teil der Tür, der zur Zeit ebenfalls verschlossen war, konnte man eine Tasse Wasser oder etwas zu essen hereinschieben. Ich sah mich genau um. Ich überprüfte den Boden und die Wände. Es war eine sehr stabile Zelle. Es war die Art von Zelle, in der Gefangene zu ihrer Bestürzung bald erkennen müssen, daß eine Flucht unmöglich ist, daß sie vollkommen hilflos sind.

Erst dann wandte ich mich der Gefangenen zu.

Sie wich zur Wand zurück. Sie kniete am Boden, im Stroh, nackt und verängstigt, die Knie eng aneinandergepreßt. Als man mich in die Zelle gebracht hatte, war sie zusammengezuckt und hatte protestierend aufgeschrien. Dann hatte sie sich Stroh über Oberschenkel und Schoß geschoben und sich zusammengekrümmt, um ihre Blößen zu bedecken. Jetzt starrte sie mich mit einem wilden Blick an.

»Warum haben sie dies nur getan?« fragte sie.

»Was denn?« fragte ich.

»Dich zu mir gesperrt?«

»Ich weiß nicht.«

Sie krümmte sich noch mehr zusammen.

»Bist du ein Ehrenmann?« fragte sie dann.

»Nein.«

Sie stöhnte. »Sie müssen mich sehr hassen«, weinte sie. »Das haben sie absichtlich getan! Reicht es denn nicht, daß sie mir die Kleidung weggenommen und mich hier eingesperrt haben?«

»Du bist eine Spionin«, sagte ich.

»Dann mußt du auch ein Spion sein, wenn sie dich zu mir gesperrt haben!« rief sie.

»Zumindest glauben sie das«, erwiderte ich gereizt.

»Mich haben sie erwischt!« rief sie. »Was werden sie mit mir anstellen?«

»Bist du eine freie Frau?« fragte ich.

»Ja«, sagte sie. »Natürlich!«

»Dann wird es bestimmt nicht angenehm!«

Sie stöhnte auf.

Ich blickte zum Fenster hoch. In dem Raum gab es keinerlei Hilfsmittel, um dort hinauf zu gelangen, nicht einmal um hinauszusehen.

»Sie geben mir nicht einmal genug zu essen, damit ich überleben kann!« rief sie aus.

»Vermutlich bekommst du genausoviel wie alle anderen Bewohner Ar-Stations auch«, meinte ich.

»Die Stadt muß bald fallen«, sagte sie. »Dann wird man uns retten!«

»Die Zitadelle kann lange gehalten werden, nachdem die Mauern gefallen sind«, sagte ich. »Sie hätten genug Zeit, um uns zu töten.«

Sie ließ den Kopf hängen und fing an zu schluchzen.

»Wann bekommen wir unser Essen?« fragte ich.

»Mittags«, schniefte sie und sah mich ärgerlich an.

»Mußt du für dein Essen eine Gegenleistung erbringen?«

Aus dem Ärger in ihrem Blick wurde blanke Wut.

»Also hatte ich recht.«

»Nicht mehr«, sagte sie. »Sie haben jetzt eine Aufseherin. Die Männer wurden auf der Stadtmauer gebraucht.«

»Mußtest du auf alle Arten dienen?«

»Nein«, sagte sie noch immer wütend. »Nur tanzen und vor der Klappe posieren. Sie haben die Zelle nie betreten.«

»Warst du eine gute Tänzerin?«

»Wenn ich mir keine Mühe gab, habe ich nichts zu essen bekommen«, sagte sie bitter.

»Hat dir das Tanzen und Posieren gefallen?«

»Bist du verrückt?«

»Vielleicht.« Doch innerlich mußte ich lächeln. Das war etwas zu schnell gekommen, um ehrlich zu sein.

Ich sah zu Boden.

»Wir haben hier eine Gefängniswärterin?« fragte ich dann.

»Mach dir keine Hoffnungen. Sie kommt nicht in die Zelle.«

»Wer bist du eigentlich?«

»Claudia, eine Lady aus Ar-Station.«

»Wo hat man dich gefangengenommen?«

»Auf der Stadtmauer«, sagte sie. »Ich wußte nicht einmal, daß sie mich verdächtigen, bis ich das Seil um den Hals spürte.«

Ich setzte mich auf den Boden, der Tür zugewandt. »Erzähl mir davon.«

»Zweifellos sind unsere Geschichten sehr ähnlich.«

»Das ist schon möglich.«

Sie sprach nun freier, da ich sie nicht mehr ansah.

»Man überging mich, verweigerte mir zustehende Ehrungen und den damit verbundenen Aufstieg«, begann sie. »Ich wollte sogar im diplomatischen Auftrag nach Ar reisen, aber man zog andere mir vor. Welch ein Fehler!«

»Erzähl weiter!«

»Ich bin eine wunderschöne und überaus kluge Frau«, sagte sie. »Doch meine Vollkommenheit wurde nicht ausreichend belohnt.«

»Vielleicht bist da ja doch nicht mehr als hübscher Durchschnitt«, sagte ich.

»Man hat meine Talente mißachtet«, beharrte sie wütend.

Ich konnte mir schon vorstellen, daß sie talentiert war, aber bestimmt nicht auf den Gebieten, die sie meinte.

»Dann standen die Cosianer vor unseren Toren. Wir alle fürchteten um unser Leben. Nach Wochen wurde klar, daß Ar nicht zu unserer Rettung kam. Jeder war für sich selbst überlassen. Die Klugen mußten sich aus eigener Kraft retten. Und ich würde klug sein. Manchmal stiegen die Frauen in der Nacht auf die Mauer, um Körbe von den Brustwehren hinunterzulassen, in denen Geld für Essen lag. Wie du vielleicht weißt, zogen sich einige der Frauen, die über keine Mittel verfügten, auch aus und kletterten hinunter, um sich dem erstbesten Cosianer hinzugeben. Sie verkauften sich für ein Stück Brot in die Sklaverei.«

Es gab in Ar-Station noch immer Lebensmittel, auch wenn es den Anschein hatte, daß auf den Straßen kaum noch etwas zu bekommen war. Zum Beispiel bekam selbst Claudia, eine auf frischer Tat ertappte Spionin, etwas zu essen.

»Aber für mich kam so etwas natürlich nicht in Frage«, fuhr sie fort. »Ich hatte kein Bedürfnis, in Ketten in einem Kreuzungsstall in Tyros zu enden, um für Chenbar, den See-Sleen, Sklaven für den Steinbruch zu gebären.«

Ich hatte meine Zweifel, daß sie ein solches Schicksal zu befürchten hatte, denn sie war zierlich, hübsch und mit einer bezaubernden Figur ausgestattet. Außerdem verbrachten die wenigsten Frauen lange Zeit in einer solchen Einrichtung. Wie lange kann es schon dauern, eine Sklavin zu schwängern, der man den Sklavenwein vorenthält und die man im genau richtigen Augenblick ihres Zyklus dort unterbringt?

»Ich machte es mir zur Gewohnheit, mit den anderen Frauen ›zum Fischen‹ zu gehen, wie sie es nannten. Natürlich sorgte ich dafür, jede Nacht zur selben Zeit an derselben Stelle zu sein. Die ersten paar Male legte ich Geld in den Korb. Als ich dann die Summe erhöhte, bekam ich Brot und etwas Gemüse. Kannst du das glauben? Ein paar Suls für einen Silbertarsk?«