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»Ich wünschte, mein Freund Uthman wäre an meiner Seite. Denn wenn du Recht hast, könnte dies das Land der Almohaden sein. Und die Iberer führen einen grausamen Krieg gegen die Mauren. Sind wir allerdings etwas nördlicher, könnten wir uns auf dem Boden des Königreiches Valencia befinden – also in Sicherheit.«

Am nächsten Morgen ging die Suche nach den verschwundenen Gefährten weiter. Nichts als welliger weißer Sand und verkarstete Täler. Gegen Mittag erreichten sie einen Fluss. Zuerst erblickten sie nur einen Streifen Grün im Weiß, der immer breiter wurde und sich schließlich zu einem unübersehbaren Wald weitete, der hauptsächlich aus Olivenbäumen bestand. Dann befanden sie sich am Ufer des breiten Wassers, dessen lehmige Fluten sich träge, dann wieder in Strudeln dahinwälzten.

»Was ist das für ein Fluss? Wie heißt er?«

Niemand wusste es.

»Und unsere Männer? Die Spuren enden am Ufer.«

Mehrere Abdrücke von Pferdehufen und von Sohlen verloren sich im schlammigen Uferwasser und tauchten weder nördlich noch südlich dieses Flecks wieder auf. Und auch nicht am gegenüberliegenden Ufer des Wassers, das den Reittieren bis zum Hals reichte.

»Vielleicht sind sie mit der Strömung nach Osten, dem Meer zu, zurückgeschwommen, sie wussten ja, dass wir sie suchen, wenn sie zu lange fort sind.«

Die Vermutung des Matrosen teilten auch die anderen.

Sie hatten jetzt den Fluss durchquert. Am Ufer gegenüber sahen die Männer plötzlich etwas Beunruhigendes.

In der Ferne näherte sich ein Phantom. Es sah so aus, als schwebe es über den Wassern. Auf einem flimmernden Gürtel von Luft tummelten sich vier Umrisse, deren bunte Kleidung sich überdeutlich im Grün, Weiß und Grau des Flimmerns abzeichnete. Vier Spukgestalten, die durch die Luft zu fliegen schienen, und obwohl sie in heftiger Bewegung waren, sah es nicht so aus, als kämen sie näher.

»Aber das sind doch unsere Männer! Nunoz, Patric, Paolo und Cabrai! Ich erkenne sie an ihren Umhängen und Helmen!«

»Aber das ist unmöglich!«

»Aber seht doch selbst!«

»Nein, es ist nur eine Erscheinung.«

»Sie fliegen.«

»Ist ja unheimlich. Sind sie tot? Sie scheinen uns aus dem Himmel zu grüßen!«

Alle bekreuzigten sich.

Ein Matrose aus Tarifa sagte: »Es könnte etwas sein, das die Marroquinos in meiner spanischen Heimat eine Fata Morgana nennen, eine Luftspiegelung. Irgendwas mit unterschiedlich warmer Luft, übereinander geschichtet wie eine Tortilla de pastor aus Brot und Eischaum. Ein Spuk. Wenn wir darauf reinfallen, werden wir noch tagelang hier stehen und sie erwarten.«

Henri war daran interessiert, nach Westen zu kommen, also schlug er vor, der Erscheinung entgegenzureiten. Aber je näher sie den Gestalten zu kommen glaubten, desto weiter entfernten sie sich. Und während die vier bunten Gespenster auf ihrem flirrenden Luftteppich allmählich dünner und farbloser wurden und nach einer Weile ganz verschwanden, hielt der Trupp an und beratschlagte sich. Die Meinungen gingen auseinander, erst nach einer Weile setzte man sich wieder in Bewegung.

Am Abend war noch immer keine Ansiedlung in Sicht.

Der Navigator fluchte die ganze Zeit über. Und als in der anbrechenden Dunkelheit plötzlich alle Tierstimmen verstummten und Vögel davonflogen, tauchte in einer hitzeflirrenden Ebene das Band des Flusses wieder auf. Und an seinen Ufern lag zu beiden Seiten eine Stadt.

»Wenn das Almazora ist, hatte ich Recht!«, schrie der Navigator. »Und dort treffen wir sicher auch unsere fliegenden Kameraden wieder!«

Kleine Hütten und flache, weiße Häuser kamen näher. Auf dem Fluss wiegten sich breite, beladene Flöße mit Hüttenaufbauten und kleine, wendige Binsenboote mit Netzen schwingenden braun gebrannten Fischern in weiten Umhängen an Bord.

Die Reiter passierten den letzten Sandhügel. Am Ufer verkehrten junge, mit Halsketten geschmückte Frauen, die Krüge und Körbe auf ihren Köpfen trugen, ihre Gesichter waren ebenmäßig und schön, ihre schlanken, hellen Körper umschmeichelten bunte, gewebte Stoffe. Jungen balgten sich im Uferschlamm, weiter hinten waren Verkaufsstände und Tragegestelle aufgebaut, die sich unter Bergen von Früchten, Stoffen, Salzblöcken bogen. Hühner gackerten in Weidenkäfigen, dicke, schwarze Schweine scharrten in morastigen Kralen, alte Frauen trieben Ziegen und Schafe durch die Marktgassen.

Langsam nahmen die Einheimischen die Fremden wahr. Es schienen tatsächlich Mauren zu sein. Ein Rudel dünner, nackter Jungen schlug mit biegsamen Gerten nach ihnen, neugierige Mädchenblicke aus dunklen Augen tasteten die Ankömmlinge mit der schmutzigweißen Haut unter schimmernden Kettenhemden ab. Die Gesichter der meisten Einheimischen waren markant, die Männer trugen spitze Bärte. Manche wirkten erstaunt, andere regelrecht entgeistert, und wie bei einem spätsommerlichen Laternenfest an der Küste der Provence sammelten sich allmählich alle hinter den unruhig tänzelnden Reittieren und ließen sich mitziehen. Es ging hinein durch ein Tor mit goldglitzerndem Dach in eine Stadt enger, staubiger Gassen, schlafender Hunde und einem Gestank wie aus einem Abtritt.

»Zur Hölle mit diesem Gestank! Und mit dem Geschrei gleich hinterher! Wie kann man hier leben!«

Der Matrose rümpfte die Nase, die anderen hatten sich längst ihre Halstücher vor die untere Hälfte des Gesichts geschlagen. Die Einheimischen, die ihnen in den jetzt breiter werdenden Straßen aus fest gestampftem Sand und dünnen Rinnsalen, die zum Fluss hinunterplätscherten, entgegenkamen, trugen ebenfalls eine Art Taschentuch über Mund und Nase, sie wirkten mager, waren nicht sehr groß und besaßen gekräuseltes schwarzes Haar, das bei manchen bis auf die Schultern fiel. Schwaden von Fliegen umschwirrten die Menschen, ein Umstand, der dem Fischfett zuzuschreiben sein konnte, mit dem sie sich offensichtlich einrieben – davon erzählten die Geruchswolken.

Die Ankommenden suchten einen Ort, an dem man eine Auskunft bekommen konnte. Aber die Straßen vor ihnen waren wie leer gefegt, und die Menge in ihrem Schlepptau antwortete nicht auf ihre gerufenen Fragen.

Hin und wieder kreuzte ein fleckiger Waran wie an einer Schnur gezogen den Straßenstaub, überall saßen Bartgeier, und Packtiere mit Körben, in denen die Ankömmlinge Wurzeln und Mais erkannten, trotteten durch noch engere Nebengassen. Schließlich weitete sich der unbefestigte Weg aber doch und mündete in einen Platz, auf dem sich gebleichte Knochen stapelten und den Palmen und Tamarindenbäume umstanden. Die Häuser drumherum waren dreistöckig, aus Lehm errichtet, weiß gestrichen und an den Firsten mit grünweißen Ornamenten verziert. Sie machten einen wohlhabenden Eindruck, in den Eingängen standen Blumenkübel.

Henri erblickte in einem Hauseingang einen großen Mann, den ein blitzsauberes weißes Leinen umhüllte, das in der leichten Brise flatterte. Auf seinem Kopf saß ein gewaltiger roter Turban. Er winkte sie heran.

Es stellte sich heraus, dass der Riese Tarfaya hieß, ein Yamshändler aus Tanger, der zwischen dem iberischen und afrikanischen Festland hin- und herpendelte und den es nun an die iberische Ostküste verschlagen hatte. Ein Maure, muskulös und kultiviert, er beherrschte Arabisch ebenso wie die Sprache der Balearen, das Katalanische, mit einem arabischen Akzent. Er redete, in diesen Sprachen hin und her wechselnd wie ein Läufer, der auf seinem Pfad Pfützen überspringt, unaufhörlich auf die Ankömmlinge ein.

»Nein, Eure Kameraden waren nicht hier, es wäre mir bekannt. Natürlich, es ist die Stadt Almazora, weiter westlich ist Onda. Hier leben nur Muslime. Natürlich ist es unser Iberien, was denn sonst… überall leben die Almoharen, hoch gewachsene, kräftige Männer, ebenso wie ich. Die Bewohner weiter im Westen sprechen Spanisch, Ihr könnt dort sicher einen Fremdenführer kaufen. Sie tischen aber allen Fremden unglaubliche Lügen auf. Ich mag jedoch ihre Sauberkeit, sie waschen sich viermal täglich. Aber sie haben die unmöglichsten Tischmanieren. Sie sind gastfreundlich und großzügig. Wenn Ihr nach Toledo wollt, müsst Ihr zwei Grenzen und Gebiete des gefährlichen Raubadels passieren, und besser reitet Ihr nicht allein weiter…«