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Selbst wenn er noch so guter Laune war, hatte er Schwierigkeiten, sich auf so langweilige Themen zu konzentrieren. Und jetzt, in diesem Augenblick … »Gesandte Rione, haben Sie Zeit für ein Gespräch?«

»Bei Ihnen oder bei mir?«, fragte ihr Bild, das nahe seinem Schreibtisch auftauchte.

»So ist das schon in Ordnung.« Wenigstens musste er sich so keine Sorgen machen, sie könnten abgehört werden. »Wie geht es Commander Benan?«

»Ruhiggestellt.«

»Oh …«

»Und jetzt fragen Sie sich, warum ich nicht vor Verzweiflung in Tränen aufgelöst bin, weil mein Mann ruhiggestellt worden ist?«, gab sie zurück. »Weil das für ihn der beste Zustand ist, in dem er sich momentan befinden kann. So kann er sich keinen Ärger einhandeln, und um ehrlich zu sein – was bei mir bekanntlich eher ungewöhnlich ist –, kann ich so mit ihm derzeit besser zurechtkommen. Wir sind auf dem Heimweg, und zu Hause werden wir in der Lage sein, uns mit seinem Zustand zu befassen.«

Er betrachtete Riones Bild und fragte sich, was genau sie mit dieser letzten Bemerkung meinte. Es war milde ausgedrückt, dass sie die mentale Blockade aufgehoben wissen wollte, und auch, dass sie sich an denjenigen rächen wollte, die für diese geistige Blockade verantwortlich waren. Obwohl Geary sie nun schon seit so vielen Monaten kannte, war er sich noch immer unschlüssig, wie weit Rione gehen würde, um das in die Tat umzusetzen, was sie sich vorgenommen hatte. Er wusste nur, dass er nicht derjenige sein wollte, der ihre Rache zu fürchten hatte. »Ich habe versprochen, dass diese Blockade aufgehoben wird, und dafür werde ich auch sorgen.«

»Und notfalls werden Sie dabei sogar dem Großen Rat der Allianz drohen? Nein, das müssen Sie mir nicht versprechen. Ich werde dem Großen Rat selbst drohen, und jeder wird wissen, dass ich es ernst meine. Wollten Sie mich nur sprechen, um zu erfahren, wie es mir geht?«

»Zum Teil ja«, antwortete er. »Aber ich wollte auch Ihre Meinung zur Führungsriege von Midway erfahren, nachdem wir jetzt eine Woche Abstand zu ihnen haben.«

»Meinen Sie Iceni und Drakon oder auch noch andere?«

»Nur die beiden«, sagte er, »die selbst ernannte Präsidentin und der frischgebackene General. Ich glaube, die zwei sind die Einzigen in diesem Sternensystem, die wirklich zählen.«

»Ich würde sagen, da irren Sie sich. In diesem System wirken verborgene Kräfte. Ich konnte es mir nur aus der Ferne ansehen, aber ich bin mir dessen sicher.«

Geary sah sie zweifelnd an. »Lieutenant Igers Geheimdienstteam hat bei der Analyse der Situation in Midway nichts Derartiges feststellen können.«

Sie lächelte ihn verächtlich an. »Lieutenant Iger ist gar nicht mal so schlecht, wenn es um das Sammeln von Daten geht. Aber politische Analysen? Ich glaube, die sollten Sie sich lieber von jemandem anhören, der sich mit Politik nicht nur als außenstehender Beobachter befasst. Ich glaube auch, dass Sie das bereits wussten, denn sonst hätten Sie mich nicht nach meiner Meinung gefragt, obwohl Igers Bericht Ihnen längst vorliegt.«

»Wollen Sie sagen, da ist eine Konterrevolution in Planung, um das System von innen heraus wieder unter die Kontrolle der Syndiks zu bringen? Oder eine Revolution gegen die von Iceni und Drakon begonnene Revolution, damit das Sternensystem zwar unabhängig bleibt, aber nicht länger von den beiden geführt wird?«

»Das weiß ich nicht. Aber in der Tiefe lauern Monster, Admiral. Kennen Sie diesen Spruch?« Rione lehnte sich nach hinten und schloss kurz die Augen. »Weder Iceni noch Drakon sind dumm oder naiv. Aber keiner von ihnen ist allwissend und allsehend.«

Sie machte die Augen wieder auf und sah nachdenklich zur Seite. »Ich habe den sehr intensiven Eindruck, dass Präsidentin Iceni keinem präzisen Plan folgt, sondern spontan reagiert. Ihre Haltung hat immer noch viel von einem typischen Syndik-CEO, was mich zu der Ansicht brachte, dass sie nur einen anderen Titel, aber keine andere Funktion einnehmen wollte.«

»Genau das, was man von einem Syndik-CEO erwarten sollte«, sagte Geary. »Sie will eine Alleinherrscherin sein.«

»Ja, ich glaube, das wollte sie. Aber sie hat bereits Dinge zugelassen, die kein Syndik-CEO je erlaubt hätte. Es scheinen echte Reformen in Angriff genommen worden zu sein. Iceni kann das alles natürlich auch nur vortäuschen, trotzdem sagt mir mein Gefühl, dass sie tatsächlich Veränderungen umsetzen will, auch wenn das in ihrem ursprünglichen Plan nicht vorgesehen war.«

Er dachte darüber nach und verglich es mit seinem eigenen Eindruck von Iceni. »Eine interessante Einschätzung. Und General Drakon?«

»Ah, General Drakon.« Rione lächelte amüsiert. »Da gibt es nicht viel zu raten. Er ist ein Militär, und etwas anderes will er auch nicht sein. Die Syndiks haben ihn gezwungen, das CEO-Spiel mitzumachen.«

»Das ist alles? Er will nur Soldat sein?«

»Ist das so schwer zu akzeptieren, Admiral?«

»Und seine beiden Adjutanten? Morgan und … Malin?« Geary sprach bedächtig, da er versuchte, seinen Eindruck in Worte zu fassen. »Die zwei … die waren nicht die Art von Adjutanten, die sich jemand aussuchen würde, der nichts als Soldat sein will.«

Rione verzog die Mundwinkel. »Die Attentäter? Die Leibwächter? Die vertrauenswürdigen Agenten in jeder Hinsicht? Ich bin mir sicher, sie sind all das gleichzeitig. Denken Sie an das Umfeld, in dem Drakon früher gearbeitet hat. Solche Assistenten könnten für sein Überleben so wichtig gewesen sein wie die Panzerung für das Überleben Ihrer Schiffe.«

Sie hielt kurz inne, dann redete sie ernster weiter. »Wir haben viele Berichte von dem Planeten aufgefangen, als man dort vom Bombardement der Enigmas bedroht wurde. Berichte der freien Medien, aber auch private Unterhaltungen, die Ihre Geheimdienstjungs emsig zusammengetragen hatten. Ich nehme an, Sie haben die dazugehörigen Analysen gelesen.«

»Ich nehme an, Sie haben sie auch gelesen.«

»Natürlich. Das Bombardement hätte verheerende Verwüstungen angerichtet, wenn die Tänzer es nicht abgewendet hätten. Alle Berichte stimmen in dem Punkt überein, dass Iceni und Drakon zu keiner Zeit versucht haben, vom Planeten zu entkommen. Wenn das stimmt, was wir bislang über Drakon wissen, dann hat er sich schon früher denen gegenüber loyal verhalten, die unter ihm dienen. Damit würde sein Verhalten zu einem Mann passen, der sich von den Syndikatwelten niemals hätte dazu bewegen lassen, deren ›Der CEO über alles‹-Einstellung zu übernehmen.«

»Den Eindruck habe ich auch aus den Mitteilungen gewonnen, die ich von ihm erhielt«, stimmte Geary ihr zu. »Ich … na ja, ich hatte irgendwie das Gefühl, dass wir beide gar nicht so verschieden sind.«

»Passen Sie lieber auf, zu wem Sie das sagen«, warnte sie ihn ironisch. »Ein ehemaliger Syndik-CEO, der ein brauchbarer Befehlshaber ist und dem seine Untergebenen wichtig sind? Ketzerei wäre da wohl noch ein harmloses Wort.«

Geary schüttelte den Kopf. »Die Syndikatwelten hätten nicht so lange existieren können, und sie hätten auch nicht hundert Jahre Krieg durchgehalten, wenn es nicht wenigstens ein paar fähige Leute auf der Führungsebene gegeben hätte. Leute, die ihre Untergebenen inspirieren konnten oder die in der Lage waren, die richtige Entscheidung zu treffen, ohne sich darum zu kümmern, welche Folgen das für sie persönlich haben würde. Warum solche Leute für ein derartiges System gearbeitet haben, dafür habe ich zwar keine Erklärung, aber es muss sie gegeben haben.«

»Vielleicht hätten Sie General Drakon diese Frage stellen sollen«, sagte Rione und schien es auch so zu meinen.

»Vielleicht werde ich das ja eines Tages machen. Aber Sie sagten, Iceni hat auch nicht versucht, sich in Sicherheit zu bringen. Das hat sie auch beim ersten Mal nicht gemacht, als die Enigmas davon überzeugt waren, das Sternensystem an sich reißen zu können.«

»Es ist das gleiche Verhaltensmuster«, stimmte Rione ihm zu. »Zumindest deutet es auf ein Verantwortungsbewusstsein hin, das zu ihrer Position passt. Ich denke, man kann auf lange Sicht mit beiden zusammenarbeiten, Admiral. Und wenn es ihnen gelingt, nichts mit den üblichen Syndik-Methoden zu erledigen, könnten sie auf Midway etwas aufbauen, mit dem die Allianz gern in Verbindung treten wird.«