»Ja, Captain Smythe, das wäre es tatsächlich. Werden Sie sich darum kümmern?«
»Werde ich machen, Admiral. Vielleicht hat ja sogar ein Trümmerteil der Orion eine der Trossen getroffen. Das wäre doch ironisch, nicht wahr?«
»Ja, Captain Smythe. Wirklich ironisch. Ich werde die Flotte nur langsam weiterfliegen lassen, damit Ihre Ingenieure gründliche Arbeit leisten können.«
»Und wir werden gründliche Arbeit leisten, Admiral. Darauf können Sie sich verlassen.«
Smythe grinste humorlos, während er salutierte, dann verschwand sein Bild. Riones Bild war immer noch da, sie ließ keine Reaktion auf Gearys Befehle erkennen. »Admiral«, sagte sie, nachdem das andere Gespräch beendet worden war. »Wir sollten mit den Syndik-Behörden in diesem System Kontakt aufnehmen, damit wir sie offiziell von unserer Ankunft unterrichten können und um einen formalen Protest gegen den Angriff einzulegen.«
Sein Blick war ins Nichts gerichtet, als er über eine Erwiderung nachdachte. »Ich nehme an, es bringt nichts, wenn ich sie der Mittäterschaft bei diesem Mord bezichtige.«
»Nein. Wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie nicht mit ihnen reden können, ohne ihnen Blut ins Gesicht zu spucken, was ich in diesem Fall nur zu gut verstehen kann, dann kann ich diese Mitteilung im Namen der Allianz-Regierung übersenden.«
Geary betrachtete ihr Bild. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das erledigen könnten. Ich weiß nicht, was ich diesen … diesen Individuen an den Kopf werfen würde.«
»Ich verstehe, Admiral.« Rione kniff kurz die Augen zu. »Zum Politikerdasein gehört es auch, zivilisiert mit Leuten zu reden, die man am liebsten mit ihren eigenen Eingeweiden erwürgen würde.«
»Vielen Dank, Madam Gesandte.«
»Ich möchte Ihnen auch noch mein Beileid zu dem Verlust aussprechen, den die Flotte heute erlitten hat.« Bei den letzten Worten versagte fast ihre Stimme, und noch bevor Geary etwas erwidern konnte, unterbrach sie hastig die Verbindung.
Geary berührte mit einer fast sanften Geste seine Komm-Kontrollen, da er fürchtete, wenn er sich jetzt gehen ließ, könnte er die Kontrollen mit Fausthieben traktieren, bis sie völlig unbrauchbar waren. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Kehren Sie umgehend in die Formation Delta zurück und reduzieren Sie die Geschwindigkeit auf 0,02 Licht.« Smythes Ingenieure würden für ihre Arbeit einige Zeit benötigen.
Auf der Brücke der Dauntless herrschte Stille.
»Commander Shen«, sagte Desjani leise, »hat eine Tochter, die auch in der Flotte dient. Ich werde sie wissen lassen, was passiert ist.«
»Ich … es tut mir leid, Tanya. Ich weiß, Shen war Ihr Freund.«
»Ich habe viele Freunde verloren, Admiral.« Desjani beugte den Kopf und atmete tief durch. »Sie haben gesehen, was er gemacht hat, nicht wahr?«
»Ja. Dieses Manöver in letzter Sekunde. Ich weiß nicht, wie es ihm gelungen ist, aber er hat erkannt, dass er die Orion drehen muss, um den Selbstmordattentätern den Weg zur Titan, Typhoon und Mistral zu versperren.«
»Instinkt, Admiral. Er war ein verdammt guter Befehlshaber.« Wieder musste sie durchatmen. »Ein besserer als ich. Wie ich höre, wurde das Hypernet-Portal hier im System beschädigt.«
»Ja, und ich glaube, es ist sehr wahrscheinlich, dass die Schäden zu erheblich sind, als dass wir es noch retten könnten.«
»Was für eine Schande.« Tanya straffte die Schultern und setzte eine neutrale Miene auf. »Lieutenant Yuon.«
»Ja, Captain?«
»Die Dauntless hat einen dieser Kuriere zerstört. Gut gemacht. Lassen Sie die Waffencrew wissen, dass ich vorbeikommen werde, um ihr persönlich zu gratulieren.«
»Jawohl, Captain.«
Als Desjani aufstand, gab Geary ihr ein Zeichen. »Gibt es irgendwas, das ich tun kann?«
»Es gibt noch genug, was Sie tun müssen, Admiral«, erwiderte sie. »Sie müssen sich um eine ganze Flotte kümmern, ich muss für mein Schiff Sorge tragen.«
»Stimmt. Wir reden später, Tanya.«
Sie deutete einen Salut an, dann verließ sie die Brücke.
Geary sah auf sein Display und beobachtete, wie seine Schiffe wieder in ihre ursprüngliche große Formation zurückkehrten. Gleichzeitig machte sich ein Schwarm Shuttles von zwei der Hilfsschiffe auf den Weg.
Zu gern hätte er den Befehl erteilt, nach Überlebenden der Orion zu suchen. Doch das war ein sinnloser Befehl und eine aussichtslose Aufgabe. Die Toten durften nicht vergessen werden, aber er musste jetzt seine Aufmerksamkeit den Lebenden widmen.
Geary hob die Hand, um weitere Befehle zu versenden, als er beim Blick auf sein Display die Invincible sah, die wegen ihrer immensen Größe nur mit Mühe ihre richtige Position einnahm.
Die Invincible. Keiner der Angreifer hatte sie angegriffen. Waren die Schiffe, die sich die Invincible vornehmen sollten, früh genug zerstört worden, sodass ihre Flugbahn nicht bis zu ihr reichte?
Oder hatten sie die Invincible gar nicht treffen sollen? Weil die Syndiks das Schiff haben wollten? Er wusste, sie hatten es darauf abgesehen, was bedeuten konnte …
»Tanya! Captain Desjani!«
Sie hörte ihn, noch bevor sich die Luke hinter ihr schließen konnte. Die ging sofort wieder auf, und fast genauso schnell war Desjani zurück auf ihrem Platz. »Was ist?«
»Ich glaube, Sie sollten besser auf der Brücke bleiben.« Er betätigte eine Komm-Taste. »Admiral Lagemann, halten Sie den Alarmzustand auf der Invincible bei.« Die nächste Taste. »An alle Einheiten der Ersten Flotte: Bleiben Sie in voller Gefechtsbereitschaft.«
Desjani betrachtete ihr Display. »Was haben Sie gesehen?«
»Es ist mehr das, was ich nicht sehe.«
»Glauben Sie, die haben noch was anderes geplant? Ein nächster Angriff, der ebenfalls scheitern wird?«
»Das halte ich für so gut wie sicher. Sie haben uns in dieses System gelockt, damit sie uns mit diesen Kurierschiffen empfangen konnten. Aber selbst eine noch so optimistische Simulation dieser Konfrontation muss den Syndiks gezeigt haben, dass sie uns mit dem Selbstmordangriff nicht würden aufhalten können.«
»Aber was sollen sie planen, wenn da sonst nichts ist?«
»Admiral Geary!«, rief der Komm-Wachhabende in dem Moment, als der Alarm der Gefechtssysteme ertönte. »Die Invincible meldet, dass sie angegriffen wird.«
»Und schon ist es passiert«, fauchte Geary, als vor ihm ein virtuelles Fenster auftauchte.
»Wir haben Eindringlinge an Bord«, meldete Admiral Lagemann eilig, aber gelassen. Sein Gesicht war in Schatten getaucht, da der Bereich der Invincible, in dem er sich aufhielt, dunkel war und das einzige Licht von den Displays stammte. »Sie haben das herausgeschnitten, was sie für die zentrale Komm-Leitung hielten, aber das war eine der Attrappen.«
»Sie hatten auch noch eine zentrale Pseudo-Komm-Leitung?«, fragte Geary verwundert und gab ein paar Befehle ein, woraufhin ein Display erschien, das ihm die Bilder der Marines an Bord der Invincible zeigte, während ein Fenster als Direktverbindung zu General Carabali angezeigt wurde.
»Aber natürlich«, sagte Lagemann leichthin, doch seine Sorge war ihm anzumerken. »Die Anzeigen des Enterkommandos sind immer noch verstreut und schwach. Sie müssen alle Tarnrüstung tragen, was bedeutet, dass es sich um Spezialeinsatzkräfte der Syndiks handelt. Wir wissen, sie sind an Bord, aber wir wissen nicht, wie viele es sind und wo genau sie sich befinden. Wir versuchen, Näheres herauszufinden, ohne sie erkennen zu lassen, wo wir uns tatsächlich aufhalten.«