Das alles machte solche Treffen sehr einfach, was für Geary aber in den meisten Fällen genau den Nachteil dieser Software darstellte. Für Geary war eine Konferenz immer etwas gewesen, das mühselig zu leiten und für alle Beteiligten ebenso mühselig zu erreichen sein sollte, damit man in einem stickigen, übervollen Raum zusammenkam, aus dem jeder wieder so schnell wie möglich verschwinden wollte. Aber manchmal musste er einfach ausführliche Treffen abhalten, und dann erwies sich die Software doch als sehr angenehm.
»Sie sind alle mit der Situation vertraut«, sagte Geary. »Der Verlust der Orion war für uns alle ein schwerer Schlag, aber ihre Crew ist einen ehrenvollen Tod gestorben, sie hat in Erfüllung ihrer Pflicht gehandelt, und jeder Einzelne von ihnen wird zweifellos von den Lebenden Sternen willkommen geheißen.«
»Ein schwerer Verlust«, stimmte Captain Duellos vom Schlachtkreuzer Inspire ihm ungewohnt schroff zu. »Wir haben zu viele Kameraden im Gefecht verloren. Ich wünschte, die Orion wäre in der Lage gewesen, mehr Feinde mit in den Tod zu reißen. Und ich wünschte, wir hätten die Möglichkeit gehabt, diejenigen teurer dafür bezahlen zu lassen, die diesen Angriff angeordnet haben. Und was für eine Schande, dass bei dieser Attacke auch noch das Hypernet-Portal hier im System so schwer beschädigt wurde.«
»Ja«, stimmte ihm Captain Badaya von der Illustrious zu, dessen Gesicht vor Wut gerötet war. »Aber nicht Schande genug. Es ist zu schade, dass nicht ein paar verirrte Projektile die wichtigsten Syndik-Einrichtungen in tiefe Krater verwandelt haben.«
Zustimmendes Gemurmel machte sich an dem riesigen virtuellen Tisch breit.
»Wieso nicht?«, wollte Commander Neeson von der Implacable wissen. »Warum lassen wir sie nicht teurer dafür bezahlen? Sie haben uns angegriffen, und sie haben die Orion zerstört. Warum sollten wir nicht zurückschlagen?«
Geary wartete ab, bis die nächste Welle an zustimmenden Äußerungen abebbte, anstatt sie mithilfe der Software zum Verstummen zu bringen. Sollen sie ruhig ein bisschen Dampf ablassen. Das tut uns allen gut. »Ich habe keinen derartigen Vergeltungsschlag angeordnet, weil die Syndik-Führer genau das von uns erwarten. Sie wollen, dass wir auf eine Weise gegen die Friedensvereinbarungen verstoßen, die sie in die Lage versetzt, uns den ersten Angriff in die Schuhe zu schieben.«
Diese Aussage löste bei den Anwesenden verdutztes Schweigen aus, bis sich Captain Tulev von der Leviathan zu Wort meldete. »Warum sollten die Syndiks einen erneuten Krieg gegen die Allianz provozieren wollen, wenn sie nicht mal mehr die militärischen Mittel besitzen, um all ihre Sternensysteme dazu zu zwingen, loyal zu ihnen zu stehen?« Tulev klang nicht so, als wollte er mit seiner Frage provozieren.
»Weil sie wieder einen Feind von außen haben wollen«, erklärte Geary. »Die Syndik-Führer wissen, dass sie mit den ihnen verbliebenen Kräften die Reste der Syndikatwelten nicht auf Dauer zusammenhalten können. Aber sie wissen auch, dass die Angst vor der Allianz während des Krieges verhindert hat, dass einzelne Sternensysteme gegen sie aufbegehrten.«
Badaya schüttelte den Kopf. »Dieser Trick kann nicht mehr ziehen. Selbst wenn wir uns durch Syndik-Gebiet pflügen und rechts und links alles bombardieren würden, wird das Syndik-Imperium nicht wiederauferstehen.«
»Dessen bin ich mir nicht so sicher«, wandte Carabali ein und sprach dabei sehr bedächtig. »So geschwächt sie jetzt nach dem Krieg auch sind, können die Syndikatwelten einzelnen Sternensystemen immer noch ein höheres Maß an Sicherheit bieten als das, wozu diese Systeme in Eigenregie in der Lage sind. Dieser bessere Schutz gegen Bedrohungen von außen und das Versprechen innerer Stabilität sind das Einzige, was die Syndiks diesen Sternensystemen jetzt noch bieten können.«
»Damit ergibt sich wieder die Wahl zwischen mehreren Feinden«, sagte Duellos. »Da jetzt Frieden mit der Allianz herrscht, sehen diese Sternensysteme ausschließlich die Herrscher der Syndikatwelten als ihre Feinde an, also ihre eigenen Herrscher. Bricht der Krieg wieder aus, gibt es auf einmal noch andere Feinde, die einem Sorgen bereiten. Ja, das könnte funktionieren.«
»Ja, stimmt«, pflichtete Tulev ihm bei. »Wenn auch erst einmal nur im Kleinen. Aber aus kleinen Vorteilen können mit der Zeit große Veränderungen werden. Ich kann Ihre Logik nachvollziehen, Admiral.«
Badaya war immer noch wütend, aber auch er hatte begonnen nachzudenken. »Sie wollen uns zu einem Gegenschlag verleiten, und dafür gibt es keine andere vernünftige Erklärung als das, was Sie ausgeführt haben, Admiral. Das ist alles sehr überzeugend. Trotzdem ist es bitter, dass wir die Orion nur mit dem Kollaps des Hypernet-Portals vergelten konnten.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Geary. »Es scheint keine angemessene Vergeltung zu sein. Doch der Verlust des Hypernet-Portals wird gravierende Auswirkungen auf die lokale Wirtschaft haben, und vor allem werden die Syndiks in ihrer Fähigkeit eingeschränkt, militärisches Personal schnell zu verlegen.«
»Soweit wir wissen, war das hier das letzte funktionstüchtige Portal der Syndik-Welten, mit Ausnahme von Midway. Und das steht nicht unter ihrer Kontrolle«, warf Neeson ein.
»Ja, und deshalb sind die Syndiks hier so außer sich und …« Geary brach mitten im Satz ab, als ihm klar wurde, dass da etwas überhaupt nicht zusammenpasste.
Captain Hiyen erkannte den Widerspruch vor allen anderen: »Warum sind die Syndiks hier so außer sich, dass sie ihr Hypernet-Portal verlieren, wenn sie doch nur nach Midway hätten gelangen können? Das Portal war doch ohnehin nutzlos für sie geworden.«
Der Gesandte Charban hatte den Blick auf das Sternendisplay gerichtet, das über dem Konferenztisch schwebte. »Wenn sie so verärgert sind, dann muss das Portal für sie immer noch von Nutzen gewesen sein. Also muss es möglich gewesen sein, von hier aus andere Systeme zu erreichen.«
»Wir haben alles überprüft«, bekräftigte Desjani. »Das einzige zugängliche Portal war Sobek.«
Hiyen schüttelte den Kopf. »Das einzige von Midway aus zugängliche Portal war Sobek«, sprach er sehr betont. »Das haben wir feststellen können.«
Commander Neeson sah Hiyen an. »Haben die Syndiks eine Methode entwickelt, mit der man innerhalb des Hypernets den Zugriff auf die Portale einschränken kann? Ist so etwas überhaupt möglich?«
»Ich weiß es nicht«, räumte Hiyen ein. »Ich weiß auch nicht, ob sich schon irgendwann jemand mit dieser Frage befasst hat. Warum hätten wir das tun sollen?«
»Warum sollten die Syndiks das machen? Was hätten sie davon?«, merkte Badaya an.
»Oh verflucht!«, rief Desjani aufgebracht in die Runde. »Die Antwort darauf befindet sich an Bord der Dauntless, und da befindet sie sich schon, seit wir von diesem angeblichen Überläufer den Schlüssel für das Hypernet der Syndiks erhalten hatten.«
Duellos verzog das Gesicht. »Aber natürlich. Als wir der Falle entkommen waren, die sie bei Prime für uns vorbereitet hatten, wussten die Syndiks, dass die Allianz-Flotte mit einem Schlüssel zu ihrem Hypernet unterwegs war. Wir hatten die ganze Zeit über angenommen, dass sie diesen Vorteil ausgleichen wollten, indem sie versuchten, diese Flotte zu vernichten. Aber warum sollten sie sich darauf beschränken? Warum sollten sie nicht auch nach einem Weg suchen, die Brauchbarkeit dieses Schlüssels einzuschränken, damit wir in ihrem Hypernet nicht hinfliegen können, wo wir gerade hinwollen?«
»Daran arbeiten sie schon, seit wir ihnen bei Prime entwischt sind«, erklärte Neeson wütend. »Und uns ist nie der Gedanke daran gekommen.«
»Wir haben gewonnen«, hielt Charban dagegen. »Warum hätten wir nach weiteren Fähigkeiten suchen sollen?«