»Wir wissen nicht, ob das wirklich das Werk der Syndiks ist«, gab Tulev zu bedenken. »Es ist zwar ein naheliegender Gedanke, das muss ich zugeben. Aber eine Bestätigung dafür existiert nicht.«
Geary sah kurz zu Rione, und als sie nickte, wandte er sich wieder an die anderen. »Wir wissen, dass die Syndiks mit neuen Forschungen am Hypernet beschäftigt waren. Sie haben eine Methode entwickelt, wie sich verhindern lässt, dass ein Portal mittels Fernsteuerung kollabiert, also genau das, was Kalixa ausgelöscht hat. Mir ist nicht bekannt, ob die Allianz ähnliche Forschungen betrieben hat.«
»Wir hatten keine Veranlassung dazu, oder?«, fragte Duellos in die Runde. »Bei uns wurde kein Sternensystem in ein Inferno verwandelt so wie Kalixa bei den Syndiks.«
»Die Enigmas haben das Gleiche mit dem Sternensystem Petit in der Allianz versucht«, betonte Desjani.
»Aber es ist nicht gelungen, weil unsere geschätzte und leider viel zu früh von uns gegangene Kollegin Jaylen Cresida das Gerät entwickelt hat, mit dem der Kollaps verhindert werden konnte. Ein Sternensystem ohne Hypernet-Portal ist etwas völlig anderes als ein von seinem Hypernet-Portal vernichtetes Sternensystem.«
Geary sah sich um, aber niemand sonst schien noch etwas vorschlagen zu wollen. Hat das etwas mit dem gescheiterten Versuch des Flottenhauptquartiers zu tun, unmittelbar vor der Abreise aus Varandal jeden von Bord zu holen, der Kenntnisse über das Hypernet besitzt? Ich dachte, es ging nur darum, uns daran zu hindern, etwas über die Möglichkeiten zu erfahren, wie man das gesamte Hypernet der Syndiks per Fernsteuerung zusammenbrechen lassen kann. Aber steckte vielleicht mehr dahinter?
Jane Geary hob erstaunt den Kopf. »Lakota. Sprachen Sie nicht davon, Admiral, dass bei Lakota Syndik-Verstärkungen durch das Portal eintrafen, die völlig überrascht waren, weil sie vor dem Eintritt ins Hypernet ein ganz anderes Ziel angegeben hatten?«
»Ja, das ist richtig.«
»Wie viel wissen die Syndiks eigentlich darüber? Die Syndiks bei Lakota hatten doch zwischen der Abreise unserer Flotte aus Lakota und der Rückkehr dorthin – als die zweite Schlacht dort ausgetragen wurde – immer noch Zeit, den Vorfall zu melden. Die Syndik-Regierung dürfte davon erfahren haben, dass es eine Möglichkeit geben muss, das Zielportal eines Schiffs auch dann noch zu ändern, wenn es sich bereits im Hypernet befindet. Was, wenn sie versucht haben herauszufinden, wie sie das selbst auch bewerkstelligen können?«
»Das wird ja immer besser«, schnaubte Badaya. »Unsere einzige Trumpfkarte, mit der wir das Syndik-Hypernet benutzen können, ohne dass sie in unser Hypernet gelangen können, wird zu einem reinen Glücksspiel.«
»Vielleicht forscht die Allianz-Regierung ja an etwas ganz Ähnlichem«, überlegte Charban. »Wenn wir zurück in Varandal sind, bekommen wir ja womöglich zu hören, dass die entsprechenden Gegenmaßnahmen längst in die Wege geleitet worden sind.«
Nach einer kurzen Pause war von verschiedenen Seiten leises spöttisches Lachen zu hören.
»Bei allem Respekt vor Ihren Leistungen als Offizier der Bodenstreitkräfte«, sagte Duellos schließlich, »aber wollen Sie damit vielleicht sagen, wir sollten darauf vertrauen, dass unsere Regierung ein Problem hat kommen sehen und dass sie eine Lösung gefunden hat, bevor ihr alles um die Ohren fliegen konnte?«
Charban erwiderte mit einem freundlichen Lächeln: »Das klingt ziemlich unglaublich, nicht wahr? Aber vergessen Sie nicht, dass die Syndiks von vielen Problemen geplagt werden, zu denen auch ihre Führer gehören, und trotzdem haben sie forschen und Ergebnisse zutage fördern können«
»Einige der Antworten werden wir finden, wenn wir andere Syndik-Sternensysteme durchqueren«, sagte Geary, »und auch, wenn wir zurück in Varandal sind. In welchem Zustand sich das Hypernet der Syndiks befindet und was die Syndiks mit ihm machen können, ist für uns jetzt nicht mehr von Bedeutung, da es bis ins Allianz-Gebiet nicht mehr weit ist. Den restlichen Weg legen wir mit Sprüngen von System zu System zurück. Wir wissen nicht, was die Syndiks unterwegs noch alles versuchen werden, aber bei ihrem Angriff auf die Invincible haben sie viele Kurierschiffe, viel Spezialpersonal und Tarntechnologie verloren. Das alles werden sie so schnell nicht ersetzen können, und sie können diese Dinge auch nicht mehr gegen uns oder gegen ihre eigenen Leute einsetzen.«
»Das genügt aber nicht«, erklärte Captain Vitali von der Dragon. »Wir haben ein Schlachtschiff mitsamt der kompletten Besatzung verloren, und zwar ohne jede Vorwarnung durch einen nicht von uns provozierten Angriff. Vor lauter Spekulationen über das Hypernet der Syndiks dürfen wir diese Tatsache nicht aus den Augen verlieren.«
Diesmal war das zustimmende Gemurmel mehr ein wütendes Fauchen, ausgelöst durch die wieder geweckte Erinnerung an den Verlust der Orion. Wie soll ich jetzt darauf reagieren? Geary schaute zu Tanya Desjani, die ihn verärgert ansah, als sei die Antwort offensichtlich und als benötige er viel zu lange, um zu begreifen.
Oh.
»Das ist nicht das erste Mal, dass ich mit einem nicht provozierten Angriff ohne jede Vorwarnung zu tun habe«, sagte Geary. Die jedem Anwesenden bekannte Tatsache, dass er beim ersten Angriff des Krieges bei Grendel dabei gewesen war, als es zu einem Überraschungsangriff durch die Syndiks kam, ließ alle Teilnehmer an dieser Konferenz aufhorchen. »Die Frage ist doch die, ob wir das tun, wozu sie uns zu verleiten versuchen, oder ob wir das tun, was wir selbst wollen. Lassen wir sie gewinnen, obwohl wir sie beide Male geschlagen haben, als wir von ihnen angegriffen wurden?«
Das Argument war zwar logisch, und Geary konnte den meisten Offizieren ansehen, dass sie sich dieser Ansicht anschließen wollten, doch sie zögerten, weil zu viele Emotionen hineinspielten.
Noch während er nach weiteren Argumenten suchte, um seine Haltung zu unterstreichen, meldete sich Captain Jane Geary zu Wort. Seit dem verzweifelten Kampf bei Honor war sie deutlich ruhiger geworden und hatte sich damit begnügt, die meiste Zeit zuzusehen und zuzuhören, anstatt sich in eine Diskussion einzumischen. Jetzt dagegen sprach sie so nachdrücklich, dass alle aufhorchten: »Solange der Friedensvertrag Gültigkeit hat, müssen die Syndiks alle noch inhaftierten Kriegsgefangenen ausliefern. Und sie müssen uns Zugang zu ihrem Gebiet gewähren, damit wir diese Kriegsgefangenen abholen können. Bedenken Sie, was es für die Männer und Frauen bedeuten wird, die noch immer in einem der Arbeitslager sitzen, wenn wir uns auf das Spiel der Syndiks einlassen.«
Das war das emotionale Argument, das Geary gesucht hatte, und er merkte sofort, dass sie damit ins Schwarze getroffen hatte.
Badaya nickte energisch. »Captain Geary hat völlig recht. Wir könnten jeden einzelnen Syndik in diesem Sternensystem töten, und nicht ein einziger Allianz-Bürger würde aus der Gefangenschaft entlassen werden. Verdammt, wir haben doch schon längst versucht, jeden einzelnen Syndik zu töten, und was hat uns das gebracht? Hundert Jahre Krieg. Ehren wir lieber das Andenken der Orion-Crew, indem wir schwören, dass wir jeden einzelnen Allianz-Gefangenen befreien, ganz gleich wie sehr die Syndiks auch versuchen werden, uns zu provozieren. Wir töten jeden, den sie auf uns hetzen, und wir befreien unsere Leute!«
Diesmal ertönte von allen Seiten lauter Jubel, während Desjani Captain Badaya so entgeistert ansah, als hätte ein Felsblock auf einmal begonnen, mit ihr über Philosophie zu diskutieren.
Geary hatte selbst auch Mühe, sein Erstaunen über Badayas Äußerungen zu verbergen. »Das hätte ich nicht besser ausdrücken können. Das wird unsere Strategie sein. Wir werden diese Flotte nach Hause bringen, wir werden die Invincible unversehrt abliefern, wir werden die Allianz mit den Tänzern bekannt machen, und wir werden nicht ruhen, bis all unsere Leute befreit sind, die sich noch in der Hand der Syndiks befinden!«