Ein fast tumultartiger Jubel brach los, den er erst nach einer Weile zum Verstummen brachte und dann erklärte: »Solange wir uns in diesem System befinden, könnten die Syndiks wieder zuschlagen. Jeder muss daher extrem wachsam sein. Wir rechnen zwar vor allem kurz vor dem Sprungpunkt nach Simur damit, aber das heißt nicht, dass man sonst keine Überraschungen für uns vorbereitet hat. Wie Sie sehen, befinden wir uns auf einem Kurs, der uns weit von dem direkten Weg zum Sprungpunkt wegführt. Damit wollen wir alle Fallen vermeiden, die uns unter Umständen auf der kürzesten Route erwarten. Vielen Dank.«
Seine Offiziere kehrten auf ihre Schiffe zurück. Ein paar, die weit hinten am virtuellen Tisch saßen, jubelten laut, dann salutierten sie mit entschlossenen Mienen. Je mehr Befehlshaber sich aus der Konferenzsoftware ausklinkten, umso kleiner wurde automatisch die virtuelle Darstellung des Konferenzraumes.
Geary gab Badaya und Geary ein Zeichen, dass sie noch blieben, bis er mit ihnen und der real anwesenden Desjani allein war. »Ich wollte Ihnen beiden noch danken, dass Sie mir bei dieser Konferenz den Rücken gestärkt haben. Sie haben beide gewichtige Argumente angeführt.«
»Ich war Ihnen noch was schuldig, Admiral«, erwiderte Jane Geary. »Außerdem ist mein Bruder Michael noch irgendwo da draußen. Wir müssen ihn finden.« Dann salutierte sie und verschwand.
Badaya reagierte mit einer abwehrenden Geste. »Ich hielt es für das Richtige, das ist alles. Die einfachsten Antworten sind so ansprechend, gerade weil sie so einfach sind. Aber das heißt auch, dass Sie noch viel genauer hinsehen müssen, nicht wahr?«
»Das ist die Erfahrung, die ich bislang gemacht habe«, stimmte Geary ihm zu.
»Na ja, Sie haben uns das eine oder andere beigebracht.« Dann sah Badaya zu Desjani und begann auf eine Weise zu lächeln, die den alten Badaya zum Vorschein kommen ließ. »Und Sie, Tanya … ich würde sagen, das Eheleben hat Sie weichherziger werden lassen. Die alte Tanya hätte darauf bestanden, dass wir jedem Syndik den Kopf abschlagen und ihn aufspießen.«
Geary merkte ihr an, wie sie sich innerlich anspannte, doch sie erwiderte nur sein Lächeln und sagte: »Wenn Sie glauben, ich wäre auf einmal verweichlicht, dann können Sie ja mal versuchen, mir in die Quere zu kommen.«
»Das würde mir nicht im Traum einfallen«, konterte er, grinste auf seine übliche lümmelhafte Weise, salutierte und verschwand dann.
»Was sollte denn das?«, fragte Geary, als sich das Bild des Mannes vollständig aufgelöst hatte.
»Das würde ich auch gern wissen«, merkte Desjani an. »Als er anfing, davon zu reden, dass wir erst nachdenken sollten, bevor wir zuschlagen, da dachte ich, entweder ich bin verrückt geworden, oder ich befinde mich in einer alternativen Realität, in der es einen intelligenten Badaya gibt! Ausgerechnet Badaya!«
»Seit Honor hat er sich irgendwie verändert«, stellte Geary fest.
»Es kursieren Gerüchte, dass Badaya versucht hat, seinen Posten aufzugeben«, berichtete Desjani und sah ihn dabei aufmerksam an. »Und es heißt, Sie hätten sein Gesuch abgelehnt und ihm gesagt, dass er noch immer Ihr Vertrauen genießt.«
»Ich kann mich zu Gerüchten ebenso wenig äußern wie zu privaten Unterhaltungen mit anderen Offizieren. Nicht mal Ihnen gegenüber, und das wissen Sie.«
»Hat er versucht, seinen Posten aufzugeben?«
»Tanya …«
»Er hat damit gerechnet, bei Honor zu sterben. Er hat erwartet, dass er und jeder andere auf jedem Schiff dieser Flotte bei Honor sterben würde«, sagte sie. »Wenn etwas einen Menschen verändern kann, dann eine solche Situation.«
»So wie Jane«, stimmte Geary ihr zu. »Sie hat mir gesagt, dass sie schreckliche Angst hatte und dass sie davon überzeugt war, bei Honor zu sterben.«
»Tja, entweder man stirbt oder man stirbt nicht«, kommentierte Desjani. »Wenn man Glück hat und überlebt, dann versucht man, das zu würdigen.« Unwillkürlich hob sie ihre Hand und berührte das Flottenkreuz-Abzeichen auf der linken Brust.
»Was ist mit Ihnen passiert, Tanya? Wofür haben Sie diese Auszeichnung erhalten?«
Sie stand auf und wich seinem Blick aus. »Dafür, dass ich nicht gestorben bin.«
»Tanya …«
»Nicht jetzt, Admiral. Ich werde es Ihnen eines Tages erzählen … jedenfalls vielleicht.« Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn auf eine rätselhafte Weise an. »Wenn wir beide lange genug leben.«
Acht
Sie hatten sich dem Sprungpunkt in einem steilen Winkel genähert und dabei die Flotte eine Kurve fliegen lassen, damit die Kriegsschiffe der Allianz auf einen Vektor einschwenken konnten, der genau auf den Sprungpunkt hinführte.
»Wir sehen noch immer nichts«, meldete eine angespannt klingende Lieutenant Castries.
Jeder erwartete, irgendetwas zu sehen oder zu entdecken. Nach den Attacken unmittelbar nach Verlassen des Hypernet-Portals rechneten alle damit, dass die Syndiks spätestens am Sprungpunkt einen weiteren Anlauf unternehmen würden.
»Minen sind immer noch am ehesten anzunehmen«, meinte Desjani. »Aber falls die sich genau vor dem Sprungpunkt befinden, sind wir jetzt noch zu weit entfernt, um etwas zu erkennen.«
Geary verfolgte aufmerksam die Flugbahn eines einzelnen Schiffs, das sich vor der Flotte befand. Bei der Annäherung an den Sprungpunkt wurde es deutlich langsamer. »Werden wir dieses Handelsschiff überholen?«
»Es sollte eigentlich zum Sprung ansetzen, wenn wir noch zehn Minuten von unserem Ziel entfernt sind, Admiral«, erwiderte Lieutenant Castries.
»Interessantes Timing«, kommentierte Desjani.
»Allerdings.« Er tippte die notwendigen Befehle ein, um sich anzusehen, auf welchem Kurs der Frachter hergekommen war. »Wer zum Argwohn neigt, dem dürfte auffallen, dass dieses Schiff eine Einrichtung auf einem der äußeren Planeten verlassen hat, nachdem wir wieder auf eine Flugbahn zum Sprungpunkt gegangen sind. Das Ganze hat er zeitlich so gelegt, dass er dicht vor uns in den Sprungpunkt hineinfliegen wird.«
»Das lässt den Weg zum Sprungpunkt zwar gefahrlos erscheinen«, gab Desjani zu bedenken, »aber es ist kein nennenswertes Ablenkungsmanöver. Wir können den Frachter beobachten, ohne dass wir uns von irgendetwas ablenken lassen müssen.«
Gearys Aufmerksamkeit wurde auf eine Bewegung in seiner Flotte aufmerksam. Die Tänzer. Deren Schiffe hatten ihren Platz in der Nähe der Invincible verlassen und schossen durch die Formation, als könnten sie es nicht erwarten, den Sprungpunkt vor der Allianz-Flotte zu erreichen. »Gesandter Charban! Machen Sie den Tänzer so eindringlich wie möglich klar, dass wir eine Bedrohung in der unmittelbaren Nähe des Sprungpunkts vermuten! Sie sollen nicht vor unseren Schiffen herfliegen!«
»Ja, Admiral«, erwiderte Charban mit besorgter und zugleich resignierter Miene. »Die hören nicht immer auf das, was man ihnen sagt. Ich werde sie informieren, aber unerwähnt lassen, dass es nur eine Vermutung ist. Vielleicht bewirkt es ja etwas, wenn wir behaupten, wir wüssten, dass da eine Gefahr lauert.«
»Und was machen wir«, warf Desjani ein, »wenn die Tänzer dorthin vorausfliegen, wo wir das Minenfeld vermuten?«
»Beten«, gab Geary zurück.
Mit wachsender Angst verfolgte er mit, wie die Tänzer sich immer mehr den führenden Schiffen seiner Flotte näherten. Was immer Charban ihnen mitteilte, schien nicht überzeugend genug zu sein. Ich sollte Charban rufen und ihm sagen, er soll den Tänzern sofort solche Angst machen, dass sie ihre Aktion beenden. Aber was, wenn er damit gerade beschäftigt ist und ich ihn dabei unterbreche, was dann dazu führt, dass die dringende Aufforderung erst mit Verzögerung bei ihnen eintrifft? Verdammt, verdammt, verdammt …
Die Tänzer-Schiffe hatten soeben die Allianz-Formation hinter sich gelassen, sie kreisten beharrlich umeinander, während sie sich dem Syndik-Transporter näherten, der unverändert auf den Sprungpunkt zuhielt.