Plötzlich ertönte ein gellender Alarm, der Geary und alle anderen auf der Brücke zusammenzucken ließ, da jeder mit Bestürzung die komplexen Flugmanöver der Tänzer mitverfolgte.
»Wir empfangen einen Notruf«, meldete Lieutenant Castries.
Geary schaute auf sein eigenes Display und entdeckte ein neues Signal, das über dem Frachter aufgetaucht war. »Von dem Handelsschiff vor uns?«
»Ja, Admiral. Sie melden Schwankungen in ihrer Antriebseinheit.«
»Was sagen unsere Sensoren?«, wollte Desjani wissen.
»Die beobachten Fluktuationen, die zum Versagen der Kontrollmechanismen einer Antriebseinheit passen.«
War das der Trick, auf den sie gewartet hatten? Oder hatte das Schiff tatsächlich ein Problem? Und dann waren da ja auch noch die Tänzer, die sich bedenklich dem Gefahrenradius näherten, der soeben von den Steuersystemen der Flotte rings um den Syndik-Frachter errechnet worden war und nun angezeigt wurde.
»Bei unseren Vorfahren, Gesandter Charban! Lassen Sie die Tänzer wissen, dass der Frachter hochgehen wird!«
Charbans von Anstrengungen gezeichnetes Gesicht tauchte gerade lange genug auf, um mit einem Nicken zu reagieren. »Professor Shwartz und ich schreien uns schon die Lunge aus dem Hals, um die Tänzer zu warnen. Auf diese Gefahr werden wir sie auch noch schnell hinweisen.«
»Vielleicht fliegt er ja gar nicht in die Luft«, warf Desjani ein und zuckte leicht zusammen, als sie Gearys gar nicht amüsiertes Gesicht sah. »Tut mir leid, Admiral, aber … etwas anderes können wir momentan nicht unternehmen.«
Die Tänzer befanden sich mittlerweile deutlich im möglichen Explosionsradius des Frachters, auf einmal teilten sie sich auf und schwirrten zu allen Seiten an ihm vorbei, um unverändert auf den Sprungpunkt zuzuhalten.
Mit betrübter Miene sah er dem Geschehen zu. »Diese freundlichen Aliens machen mir im Augenblick genauso viel Angst wie die feindseligen Aliens«, grummelte er vor sich hin.
»Die Fluktuationen auf dem Schiff werden stärker«, ließ Lieutenant Castries ihn wissen und klang unüberhörbar beunruhigt.
»Warnschüsse?«, überlegte Desjani und hörte sich nicht weniger ratlos an.
»Die sind bereits außer Reichweite«, sagte Geary. »Und wenn sie schon eine Nachricht nicht begreifen wollen oder können, die sie vor einer gefährlichen Region warnt, wie sollen wir dann von ihnen erwarten, dass sie uns verstehen, wenn wir auf sie feuern?«
Wieder meldete sich Lieutenant Castries zu Wort: »Admiral, der Frachter hat soeben den Alarm gesendet, dass das Schiff aufgegeben wird. Die Crew ist auf dem Weg in ihre Rettungskapsel.«
Geary sah zu Desjani, die mit versteinerter Miene ihr Display betrachtete. »Denken Sie das Gleiche wie ich?«
»Wahrscheinlich«, entgegnete sie. »Die stoßen ihre Kapsel aus und werden einen Notruf mit der Bitte senden, sie an Bord zu nehmen. Dann wird ihr Frachter explodieren. Wenn wir dann dadurch abgelenkt sind und unsere Sensoren von den Nachwirkungen der Explosion nur eingeschränkt arbeiten, dann geraten wir auf einmal in die Minen. Vorausgesetzt, wir werden nicht auch noch davon abgelenkt, dass die Tänzer-Schiffe in die Minen hineinfliegen.«
»Ja, genau. Ein weiteres Ablenkungsmanöver, wie Master Gioninni es vorausgesagt hat. Da kommt die Rettungskapsel.«
»Und kommt der Notruf.«
»Die Frachtercrew bittet um Hilfe«, sagte Lieutenant Castries. »Sie berichten von Schwerverletzten. Energieschwankungen auf dem Frachter befinden sich im gefährlichen Bereich. Wir sind weit genug vom Gefahrenradius des Frachters entfernt, falls er explodieren sollte. Die Tänzer …«
»… befinden sich deutlich im Radius«, führte Desjani den Satz zu Ende. »Aber sie sind im Begriff … oh verflucht!«
Geary empfand ganz genauso, als er mitansah, wie die Tänzer-Schiffe kurz vor Erreichen des Frachters eine abrupte Kursänderung vornahmen und auf die eben erst gestartete Rettungskapsel zuflogen. »So dumm können die doch gar nicht sein!«, platzte er heraus. »Selbst wenn Charban und Shwartz ihnen kein Wort gesagt hätten, müssen die Tänzer doch in der Lage sein, die Energiefluktuationen in der Antriebseinheit des Frachters festzustellen. Ihnen muss doch klar sein …« Er unterbrach sich, als ihm ein Gedanke durch den Kopf ging.
»Was denn?«, fragte Desjani.
»Wollen die uns bloß auf den Arm nehmen?«, fragte er sich. »Begeben sie sich absichtlich in Gefahr, damit sie …«
»Sie fliegen mit hoher Geschwindigkeit auf ein Minenfeld zu«, fiel Desjani ihm ins Wort, als ihr mit einem Mal etwas bewusst wurde. »Sie verfügen über eine bessere Tarntechnologie als wir. Das dürfte bedeuten, dass sie auch den Einsatz von Tarntechnologie leichter aufspüren können.«
»Das heißt, sie sehen Minen, die für uns noch unsichtbar sind? Aber warum sind sie dann …« Geary schlug so fest auf seine Armlehne, dass ihm einen Moment lang die Hand wehtat. »Sie wollen uns warnen.«
»Oder sie wollen uns verrückt machen!«
Die Tänzer, die ihre Schiffe auf eine Weise manövrierten, mit der die Allianz-Flotte nicht annähernd mithalten konnte, hatten inzwischen fast die Rettungskapsel erreicht.
»Augenblick!«, kam Geary Desjani zuvor, gerade als die zu einer Bemerkung ansetzen wollte. Zu vieles lief hier gleichzeitig ab, zudem überschlugen sich auch noch seine eigenen Gedanken. »Ich muss mich auf all diese Dinge konzentrieren und sie ordnen. Da haben wir das Minenfeld, von dem wir annehmen müssen, dass es existiert und dass es sich jenseits der Position des Frachters befindet. Der Frachter ist im Begriff zu explodieren, aber wir sind weit genug von ihm entfernt, um nicht davon betroffen zu sein.«
»Natürlich nicht«, stimmte Desjani ihm zu. »Die wollen schließlich nicht, dass wir eine Kursänderung vornehmen.«
»Warten Sie bitte noch, Tanya. Die Tänzer. Außerhalb unserer Formation, innerhalb der Gefahrenzone des Frachters und auf dem Weg zur Rettungskapsel. Wenn sie in der Nähe der Kapsel bleiben, werden sie sich außerhalb des Gefahrenbereichs befinden.« Er hielt inne und schaute auf sein Display, um festzustellen, ob er irgendetwas vergessen hatte. »Lieutenant, befinden sich irgendwelche Syndik-Einrichtungen in der Nähe, die die Rettungskapsel erreichen können, solange deren Lebenserhaltungssysteme noch arbeiten?«
»Ähm … ja, Sir«, erwiderte Castries. »Da sind mindestens zwei Syndik-Schiffe unterwegs, die die Rettungskapsel rechtzeitig erreichen können.«
»Dann müssen wir uns also keine Gedanken um die Kapsel machen, auch wenn sie einen Notruf abgesetzt haben.«
»Ziemlich dumm von ihnen, dass sie darauf nicht geachtet haben«, merkte Desjani an.
»Es musste eben so realistisch wie möglich wirken«, erwiderte Geary. »Es wäre aufgefallen, wenn sich im Umkreis von einer Lichtstunde kein anderes Schiff aufgehalten hätte. Gut, dann stellen der Frachter und seine Crew für uns kein Problem dar. Wir müssen einfach davon ausgehen, dass die Tänzer die Warnsignale des Frachters empfangen und dass sie auch in der Lage sind, sich rechtzeitig in Sicherheit bringen. Und zudem können die Tänzer auch viel besser als wir alle Minen ausfindig machen, die die Syndiks rings um den Sprungpunkt platziert haben.«
»Richtig«, stimmte Desjani ihm zu. »Damit bleiben nur noch unsere Schiffe, auf die wir aufpassen müssen.«
»Aber … Captain … die Frachtercrew sprach von Schwerverletzten«, warf eine sehr verwunderte Lieutenant Castries ein.
»Lieutenant«, erwiderte sie. »Die Chancen stehen gut, dass sich an Bord keine Schwerverletzten befinden. Es würde mich nicht mal wundern, wenn sich niemand an Bord befinden sollte. Was wir sehen und hören, wurde vermutlich lange im Voraus so programmiert, und dann hat man einen unbemannten Frachter auf die Reise geschickt.«