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»Nein.« Sie beugte sich vor und sah ihm tief in die Augen. »Sie haben immer noch mich.«

Er spürte, wie sich die Dunkelheit zu lichten begann, die auf ihm gelastet hatte. Sie war ein Kind des Krieges, doch mit ihr verstand er sich besser als mit jedem anderen Menschen, den er hundert Jahre zuvor gekannt hatte. Er war nicht allein. »Es könnte also viel schlimmer sein.«

»Ganz genau.« Sie zog fragend eine Braue hoch. »Sonst noch was?«

»Sonst gibt es nichts.«

»Belügen Sie mich als mein Admiral oder in Ihrer Rolle als mein Ehemann?«

Geary schüttelte den Kopf. »Ich hätte wissen müssen, dass Ihnen nichts entgeht. Ich hatte mich schon gewundert.«

Nachdem sie eine Weile darauf gewartet hatte, dass er weiterredete, lächelte sie ihn unübersehbar unsicher an. »Danke, dass Sie mir das sagen.«

»Warum halsen Sie sich jemanden wie mich auf? Sie könnten es viel besser erwischen.«

Sie begann zu lachen, was er von ihr als Allerletztes erwartet hätte. »Sie haben mich durchschaut. Ich halte Sie nur bei mir, bis sich was Besseres ergibt.«

»Tanya, verdammt …«

»Wie können Sie mich so was fragen? Wie können Sie überhaupt so was sagen?« Sie atmete schnaubend aus, dann erlangte sie ihre Fassung zurück. »Wann haben Sie das letzte Mal der Krankenstation einen Besuch abgestattet?«

»Da war ich … das weiß ich nicht auswendig.«

»Sie sollten jedem anderen Offizier, Matrosen und Marine dieser Flotte als gutes Beispiel vorangehen, Admiral. Dazu gehört auch, dass Sie Ihren Kopf untersuchen lassen, wenn der Stress zu groß wird, um ihn zu bewältigen. Wenn die Männer und Frauen in dieser Flotte sehen, dass Sie nicht auf Ihre Gesundheit achten, dann werden sie glauben, sie müssen das auch nicht. Die Leute müssen sehen, dass Sie sich helfen lassen, damit sie sich auch helfen lassen, wenn sie Hilfe benötigen.«

Wieder nickte er. »Ja, Ma’am.«

»Und fangen Sie mir nicht damit an! Sie wissen, ich habe recht. Warum muss ich zu Ihnen kommen, um zu erfahren, dass etwas nicht stimmt? Warum sind Sie nicht zu mir gekommen? Und wann haben Sie sich das letzte Mal ausführlich mit Ihren Vorfahren unterhalten? Mit unseren Vorfahren, schließlich sind wir jetzt verheiratet.«

»Vor ungefähr einer Woche. Um über die Orion zu reden.«

Sie biss sich auf die Lippe und brauchte einen Moment, ehe sie sagte: »Gut. Ich versuche schon die ganze Zeit, eine Nachricht an Shens Tochter zu formulieren.«

»Und ich war zu sehr mit meinen eigenen Problemen beschäftigt, um dabei zu helfen.« Geary streckte ihr die Hand entgegen, berührte sie aber nicht. »Danke, Tanya, dass Sie mich an meine Verantwortung erinnert haben. Ich muss mich von meiner Verantwortung motivieren lasse, ich darf mich nicht von ihr überwältigen lassen. Ich werde die Krankenstation aufsuchen.«

»Wann?«

»Äh … etwas später.«

»In fünfzehn Minuten, Admiral. Mehr Zeit gebe ich Ihnen nicht. Dann treffen wir uns in meinem Quartier, und wir gehen gemeinsam zur Krankenstation. Und wenn wir da fertig sind, geht es weiter zu den Gebetskammern, wo wir dann mit unseren Vorfahren reden werden.«

»Ja, Ma’–« Als sie die Augen zusammenkniff und ihn drohend ansah, unterbrach Geary sich. »Ich wollte sagen, in Ordnung, Tanya.«

»Fünfzehn Minuten«, wiederholte sie ernst und verließ sein Quartier.

Er stand auf, um sich frischzumachen, dabei hielt er kurz inne und dankte den Lebenden Sternen dafür, dass er Tanya in seinem Leben hatte. Sogar Black Jack braucht ab und zu einen Tritt in den Hintern, und ich kann von Glück reden, dass ich jemanden habe, der das macht, wenn es notwendig ist.

In einer fließenden Bewegung spreizte Charban die Hände, zuckte mit den Schultern und schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht! Ich weiß nicht, was die Tänzer von uns denken, ausgenommen die Tatsache, dass sie in uns nicht ihre Verbündeten zu sehen scheinen. Das ist mir aufgefallen, als ich meine eigenen Kommunikationsversuche analysiert und festgestellt habe, dass ich mit den Tänzern rede, als hätte ich es mit Kindern zu tun. Vielleicht, weil sie sich uns nicht klar und deutlich mitteilen können oder weil sie so unberechenbar sind. Womöglich auch bloß, weil es mir lieber ist, so über sie zu denken. Betrachten sie uns im Gegenzug als Kinder? Denkbar wäre es, aber ob das stimmt, dazu kann ich nichts sagen.«

»Hat Dr. Shwartz von ähnlichen Eindrücken gesprochen?«, wollte Geary wissen. Sie befanden sich in seinem Quartier, nichts wies mehr auf Gearys vorübergehende Depressionen hin. Dr. Shwartz befand sich auf einem der Sturmtransporter, und während der Zeit im Sprungraum war mit ihr nur einfachste und sehr knapp formulierte Kommunikation möglich. Es gab in der Flotte noch weitere sogenannte Experten für nichtmenschliche Intelligenzen, doch im Lauf der Zeit hatte Geary erkannt, dass die Überlegungen von Dr. Shwartz wesentlich ergiebiger waren als das, was die anderen Akademiker zustande brachten.

»Nein, hat sie nicht.« Charban lehnte sich nach hinten und sah zur Decke. »Admiral, was sehen Sie da oben?«

»An der Decke?« Geary legte den Kopf in den Nacken. Über ihm verliefen Kabelschächte, Rohre, Leitungen, so wie es überall auf den Dauntless und auch auf jedem anderen Kriegsschiff der Fall war. »Ausrüstung. Sozusagen der Blutkreislauf eines lebenden Wesens. Durch die Leitungen wird alles verteilt, was das Schiff benötigt, um zu funktionieren, und über ähnliche Leitungen laufen auch die Signale, die man als das Nervensystem des Schiffs bezeichnen könnte. Das wird nicht verkleidet, damit man leichter Reparaturen erledigen kann.«

Charban nickte. »Sehen Sie da Muster? Oder Bilder?«

»Manchmal ja. Geht das nicht jedem so?«

»Jedem Menschen, ja. Aber was sehen die Tänzer? Wir haben das Innere ihrer Schiffe noch nicht gesehen. Sind die ›Organe‹ ihrer Schiffe auch so frei zugänglich? Oder ist innen alles genauso glatt und stromlinienförmig wie außen? Wie würden die Tänzer beschreiben, was wir gerade sehen? Wäre es für sie ein obszönes Durcheinander? Würden sie Bilder sehen, und wenn ja, welche? Oder Muster? Wir wissen es nicht. Dabei wären es schon diese Dinge, die uns weiterhelfen würden, die Tänzer zu verstehen. Wir teilen diese Dinge mit anderen Menschen, wir bilden eine Verbindung, ein gemeinsames Verständnis, selbst mit Menschen, die wir verabscheuen. So ist es uns möglich, die Motivationen anderer Menschen einzuschätzen, ihre Beweggründe für alles, was sie tun. Aber die Tänzer? Aus welchem Grund tun sie etwas?«

Geary sah ihn eine Weile an, dann erwiderte er: »Was ist mit den Mustern? Mit der Art, wie sie zu denken scheinen?«

»Da bin ich einer Meinung mit Dr. Shwartz. Die Tänzer denken sehr wahrscheinlich in Mustern. Sie sehen alles in Form von Komponenten, die ineinandergreifen und so irgendwelche Bilder zeigen, die sie auf ihre eigene Art verstehen können.« Charban spreizte abermals hilflos die Hände. »Aber welchen Platz nehmen wir in diesem Muster ein? Darüber können wir nur spekulieren. Ihr Verhalten mir gegenüber würde ich als … nun, höflich bezeichnen. Aber höflich sein kann man gegenüber einem gleichwertigen Partner, einem Vorgesetzten und genauso gegenüber jemandem, der gesellschaftlich weit unter einem steht. Noblesse oblige, wie man früher zu sagen pflegte. Aber es gibt noch eine andere Alternative. Das ist die Möglichkeit, dass die Tänzer selbst gar nicht so recht wissen, was sie von uns halten sollen, so wie wir uns ja auch nicht im Klaren darüber sind, was wir von ihnen halten dürfen. Bei uns erzeugt so etwas widersprüchliche Impulse. Wir begegnen den Tänzern mit Ehrfurcht, aber zugleich nehmen wir sie auch wie verantwortungslose Kinder wahr, die ständig beaufsichtigt werden müssen.«

»Wollen Sie damit sagen, die Tänzer überlegen sich im Einzelfall, wie sie reagieren sollen?«

»Es ist denkbar. Sie reagieren auf jedes einzelne Ereignis nicht so, als hätten sie ein in sich stimmiges und geschlossenes Bild von uns, sondern als würden sie das tun, was sie in der jeweiligen Situation für das Beste halten.« Charban schwieg einen Moment lang und dachte angestrengt nach. »Ich habe den Eindruck, dass … Admiral, wenn jemand irgendetwas Bestimmtes vorhat oder beabsichtigt, dann kann man ihm das anmerken. Es ist egal, wer das ist, man merkt es immer. Derjenige ist in Gedanken, er ist zielstrebig, wie immer Sie das auch bezeichnen wollen. Manchmal habe ich bei den Tänzern diesen Eindruck. Bevor wir Midway verließen, war das deutlicher zu spüren. Es war so, als wollten die Tänzer unbedingt aufbrechen und die Allianz erreichen, aber als wollten sie es nicht offen zugeben.«