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Die bewohnbare Welt im Simur-Sternensystem schien von einem Künstler angemalt worden zu sein, der nur über eine Auswahl an Brauntönen verfügt hatte. Selbst die kleinen Meere wirkten wie morastige Rostflecken. Die Sandwüsten am heißen Nordpol wiesen ein etwas helleres Terrakotta auf. Nahe dem Äquator waren ein paar grüne Flecken zu sehen, dies war jener schmale gemäßigte Streifen, in dem sich Bauernhöfe angesiedelt hatten, die sich dort verzweifelt festzuklammern schienen. Das Gefangenenlager befand sich ungefähr in der Mitte zwischen Äquator und Südpol. Die beim Bau in die Oberfläche geschnittenen Narben rings um das in einer weitläufigen und völlig kargen Ebene gelegene Lager wiesen alle nur erdenklichen Beigeschattierungen auf. Am kalten Südpol zeigte das Land einen schmutzigen Schokoladenton, so wie dicklichen Schlamm, durchzogen von Streifen aus schmutzigem Eis, das so dunkel war, dass man es fast schon als schwarz bezeichnen konnte.

»Was für ein Loch«, murmelte Desjani und sprach aus, was vermutlich jeder in der Flotte bei diesem Anblick dachte.

»Bringen wir es hinter uns, damit wir von hier verschwinden können«, meinte Geary zustimmend. »General Carabali, die Operation kann beginnen. An alle Einheiten der Ersten Flotte: Machen Sie sich darauf gefasst, auf jedes Kriegsschiff zu feuern, das die Shuttles oder das Lager in Gefahr bringt.« Wenigstens waren bei dieser kompakten Formation die Zeitverzögerungen bei der Kommunikation so minimal, dass sie sich nicht mehr wahrnehmen ließen.

Die vier Syndik-Gruppen waren alle weniger als eine Lichtminute entfernt, also nahe genug, um einen Grund zur Sorge darzustellen, aber nicht nahe genug, um eine Verschiebung der Evakuierung zu rechtfertigen. Die Lagerwachen hatten in den wenigen ihnen zur Verfügung stehenden Fahrzeugen die Flucht ergriffen, sodass niemand mehr die Gefangenen bewachte. Dennoch blieben sie gefangen, weil die weite Wüste ringsum jedes Entkommen aussichtslos machte.

Der Planet zog unter der Flotte hindurch, während die Shuttles starteten und in Wellen in Richtung Lager flogen.

Gearys Nerven waren bis zum Äußersten angespannt, während er auf sein Display schaute und nur darauf wartete, dass etwas Unerwartetes geschah und irgendeine Bedrohung enthüllt wurde, nach der sie bislang vergeblich gesucht hatten. Die erste Welle Shuttles drang in die Planetenatmosphäre ein, und als die Flotte hoch oben im Orbit allmählich näher kam, konnte man auch das Gefangenenlager deutlicher erkennen.

Der dringende Ruf, der im nächsten Moment Geary anbrüllte, kam aus einer völlig überraschenden Ecke. Welchen Grund hatte die Tanuki, sich jetzt zu melden?

Geary nahm den Anruf an. Seine Sorge steigerte sich um ein Vielfaches, als er Lieutenant Jamenson sah, deren grünes Haar einen deutlichen Kontrast zu ihrem blassen Gesicht bildete. »Admiral, Sie müssen die Operation sofort abbrechen! Da unten lauert die Mutter aller Fallen auf uns!«

Jamenson wartete Gearys Erwiderung gar nicht erst ab, sondern redete so hastig weiter, dass Geary sie kaum verstehen konnte: »Ich habe es alles zusammengefügt. Tut mir leid … ich … in den Syndik-Kommunikationen werden zwei Ingenieurseinheiten identifiziert. Sie haben sich vor Kurzem in diesem System aufgehalten, und ich kenne die Bezeichnungen für diese Einheiten. Sie sind beide das Gegenstück zu dem, was man in der Allianz als Planetenknacker bezeichnet. Also Ingenieure, die große und supergroße Waffen für ganz spezialisierte Aufgaben benutzen. Zwei von diesen Einheiten, Admiral. Und das Einzige, was hier im System neueren Ursprungs ist, das ist das Lager. Dort wurde sehr viel ausgeschachtet und noch mehr gebohrt. Ich habe die Codes für die Syndik-Ausrüstung wiedererkannt. Sie haben in letzter Zeit einige sehr tiefe Löcher gegraben.«

Fast ohne Pause fügte sie an: »In den Frachtmanifesten, in den Ladungsdokumenten, in den Bestellungen für Transporte und in den Gesprächen der Leute untereinander tauchen ein paar seltsame Materialien auf, mit denen man für sich genommen wenig anfangen kann. Wenn man sie aber zusammenführt, dann erinnert einen das an ein Forschungsprojekt der Allianz, das es vor gut fünfzig Jahren mal gegeben hat. Der Codename … ach, der ist jetzt auch egal … auf jeden Fall lautete der Spitzname für dieses Projekt Continental Shotgun. Dabei vergräbt man jede Menge sehr starke nukleare Munition und benutzt die bei ihrer Explosion entstehende Energie, um einen gewaltigen Partikelstrahl entstehen zu lassen. Das Projekt zielte darauf ab, ein Areal von hundert Quadratkilometern Planetenoberfläche in ein für kurze Zeit existierendes, sehr dichtes Feld aus Partikelstrahlen zu verwandeln, mit dem sich eine Invasionsflotte auslöschen lässt, sobald sie über dieses Gebiet hinwegfliegt.«

Jamenson musste einmal hastig Luft holen, bevor sie weiterreden konnte. »Das Projekt wurde jedoch abgebrochen, weil die Waffe letztlich den Planeten auslöschte, den sie eigentlich beschützen sollte. Die seismischen Folgen von so zahlreichen und gewaltigen Explosionen, die Masse an Planetensubstanz, die ins All geschleudert wurde, die immense nukleare Verseuchung … das alles zusammen führte dazu, dass der betroffene Planet praktisch nicht mehr bewohnt werden konnte. Hinzu kam natürlich das Problem, dass eine Invasionsflotte genau über diese Stelle hinwegfliegen musste, was sich nicht garantieren ließ.«

Wieder ließ sie eine kurze Verschnaufpause folgen. »Außerdem gibt es etliche Hinweise darauf, dass Senior-Befehlshaber der Inneren Sicherheit in den letzten Tagen den Planeten verlassen haben. Und mit ihnen ihre Familien. Ihr Ziel war offenbar etwas, das man als Luxusferienanlage auf dem größten Mond der bewohnbaren Welt bezeichnen kann – einem Mond, dessen Orbit ihn nie über das Gebiet hinwegführt, auf dem das neue Lager errichtet worden ist.«

Geary fragte sich, wie bleich er wohl in diesem Moment aussah. Lieutenant Iger hatte ihm zwar Berichte zukommen lassen, wonach Senior-Personal den Planeten verließ, aber das war das typische Verhalten hochrangiger Syndiks, wenn Gefahr drohte. Es war nichts, was ihn hellhörig gemacht hatte. Jetzt wurde ihm erst klar, dass die vier kleinen Kriegsschiffgruppen der Syndiks sich zu keinem Zeitpunkt genau über dem Gefangenenlager aufhielten. Wegen der anhaltenden Attacken dieser Gruppen hatte Geary die Flotte weiter in der augenblicklich extrem kompakten Formation gehalten, die sie zur perfekten Zielscheibe für einen gewaltigen Beschuss mit Partikelstrahlen machte, sobald sie ihre Position über dem Gefangenlager einnahm, um die Shuttles bei ihrer Operation vor Beschuss aus dem Orbit zu schützen, während die auf dem Planeten landeten.

Und damit auf einer riesigen Atombombe von unvorstellbarer Sprengkraft.

Ihm war kaum bewusst, wie er die Komm-Taste betätigte, die den Notkanal öffnete. »An alle Einheiten, hier spricht Admiral Geary. Brechen Sie sofort den Landevorgang ab! Ich wiederhole: Brechen Sie den Landevorgang ab und kehren Sie sofort zurück zu Ihren Schiffen!«

Kann ich den Kurs ändern, bevor die Shuttles zurückgekehrt sind? Wie viel Zeit bleibt mir? Ich kann das verdammte Lager sehen. Werden die Syndiks diese unfassbare Bombe zünden, wenn sie sehen, dass wir die Operation abbrechen? Werden sie versuchen wollen, so viele Shuttles wie möglich zu erwischen? Oder werden sie nichts tun und stattdessen darauf warten, dass wir hierher zurückkehren?

Sie müssen glauben, dass wir zurückkehren werden.

»Gesandte Rione, nehmen Sie sofort Kontakt mit den Syndik-Behörden auf und sagen Sie ihnen, wir müssen die geplante Operation abbrechen und verschieben, weil es Probleme wegen … einer möglichen Kontaminierung gibt. Wir glauben, unter den Gefangenen könnte eine uns unbekannte Krankheit grassieren. Deshalb werden wir die Testergebnisse noch einmal überprüfen müssen, bevor wir landen und Gefangene an Bord holen.«