»Barbaren«, spie Carabali aus.
Daraufhin sah Rione wieder zu Geary, doch anstatt dieses heikle Thema zu vertiefen, kehrte sie mit ihren nächsten Worten zu dem zurück, worüber sie unmittelbar davor gesprochen hatten. »Soll ich eine Mitteilung an die Bürger des Simur-Sternensystems ausarbeiten?«
»Machen Sie das«, bekräftigte Geary. »Aber senden Sie nichts, was ich nicht zuvor freigegeben habe.«
»Was ist mit der ausgedehnten Formation?«, wollte Desjani wissen.
»Damit warten wir noch. Erst mal müssen wir uns so weit wie möglich von der Falle entfernen, und dann stellen diese vier Gruppen unsere Hauptbedrohung dar. Die Tänzer halten sich immer noch dicht bei der Invincible auf, den Vorfahren sei Dank. Und wenn das Glück weiter auf unserer Seite ist, werden sie dort auch bleiben.«
Sieben Minuten später war auch das letzte Shuttle in seinen Hangar zurückgekehrt. Geary holte seine Flotte aus dem Orbit dicht um den Planeten und ließ sie in einen neuen Orbit jenseits der Flugbahnen der Monde einschwenken, die um die Welt kreisten. Damit waren sie weit genug von dem Gefahrengebiet gleich über dem Gefangenenlager entfernt. Die Tänzer blieben weiter in der Nähe der Invincible und bereiteten Geary ausnahmsweise einmal kein zusätzliches Kopfzerbrechen.
»Was sollen wir tun?«, fragte Desjani leise. »Die Bewohner dieses Sternensystems können keine Rebellion anzetteln, wenn sich so viele Syndik-Kriegsschiffe hier aufhalten, von denen sie daraufhin bombardiert werden könnten. Wir können uns nicht in die Nähe des Lagers begeben. Die Syndiks können uns nichts anhaben, solange wir diese Formation beibehalten. Aber im Gegenzug hält uns unsere Formation davon ab, dass wir uns diese Syndiks vornehmen können.«
»Eine Pattsituation«, bestätigte Geary. »Und noch schlimmer als zuvor. Ich weiß nicht, Tanya. Die Syndik-CEOs spielen so falsch, wie es nur geht. Wie gehen wir dagegen vor? Wie holen wir die Gefangenen da raus, wenn sie buchstäblich auf einem riesigen Pulverfass sitzen?«
Sie begann den Kopf zu schütteln, unterbrach sich dann aber, setzte sich gerader hin und sah ihn eindringlich an. »Wie wird die Waffe abgefeuert? Wenn wir den Zünder abschalten, dann können wir die Gefangenen rausholen.«
Zum ersten Mal seit einer ganzen Weile verspürte er wieder einen Anflug von Hoffnung. »Das ist eine Idee, mit der wir uns näher befassen sollten.« Es war Zeit, sich wieder bei Lieutenant Jamenson zu melden.
»Aber erst mal«, schlug Desjani ihm vor, »sollten Sie den übrigen Befehlshabern der Flotte sagen, was hier eigentlich los ist.«
Der kleine Konferenzraum musste für diese Treffen nicht per Software virtuell erweitert werden. Geary, Desjani, Rione und Lieutenant Iger waren persönlich anwesend, die virtuell Eingeladenen waren Captain Smythe, Lieutenant Jamenson, General Carabali sowie eine Commander Hopper, die von Smythe vorgestellt wurde als »eine Zauberin, eine Hexerin, die sich mit allem auskennt, was mit Komm-Verbindungen, Verschlüsselungen und ferngesteuerten Signalen zu tun hat«. Ob es stimmte, musste Geary dahingestellt lassen, auf jeden Fall strahlte die schlanke Frau mittleren Alters eine beruhigende Aura und Kompetenz aus.
»Haben Sie noch irgendetwas finden können?«, wollte Geary als Erstes von Lieutenant Jamenson wissen.
Sie schüttelte den Kopf, ihre Augen wirkten durch die Anspannung leicht glasig. Ihr grünes Haar bildete unverändert einen deutlich Unterschied zu ihrer nach wie vor fahlen Haut. »Nein, Sir. Hatte ich recht, Sir?«
»Das glauben wir schon. Captain Smythe?«
Der Mann lächelte schief. »Mir wäre das nicht aufgefallen. Ich habe zuvor allerdings auch noch nie von einem solchen Projekt gehört. Aber nachdem ich mir Lieutenant Jamensons Resultate angesehen habe, muss ich ihnen zustimmen.«
Lieutenant Iger nickte missmutig. Eine Ingenieurin war auf eine gewaltige Bedrohung gestoßen, die eigentlich von Igers Team hätte entdeckt werden müssen. Aber für Iger sprach auf jeden Fall, dass er nicht versucht hatte, Jamensons Erkenntnisse in Abrede zu stellen. »In den Geheimdienstakten stand nichts über dieses Programm, aber nach dem zu urteilen, was uns die Ingenieure geliefert haben, passt das alles zusammen, Admiral. Entweder die Syndiks haben von den Experimenten der Allianz gehört und sie nachgebaut, oder aber sie sind ganz von allein auf diese Idee gekommen.«
»Sie wollen sagen, die Syndiks könnten so etwas aus eigener Kraft entwickelt haben?«, fragte Rione.
»Aber ja«, gab Smythe zurück. »Als Ingenieur gesprochen ist das ein richtig cooles Konzept. Die dicke fette Bombe, die alle anderen dicken, fetten Bomben alt aussehen lässt. So was würde ich gern bauen und zünden, nur um mir das Spektakel ansehen zu können. Aber natürlich benötigt man dafür einen Planeten, der für nichts anderes mehr gebraucht wird.«
Rione sah Smythe an und zog eine Augenbraue hoch. »Mein Eindruck von der Syndik-CEO fügt sich in unsere übrigen Schlussfolgerungen ein. Von Anfang an war sie sonderbar interessiert daran, dass wir die Gefangenen aus dem Lager holen, und dann wurde sie extrem nervös, als wir die Evakuierung abgebrochen haben. Sie hat wiederholt nach dem Grund für die Verzögerung gefragt und schwammige Warnungen ausgesprochen, dass etwas passieren könnte, wenn wir die Gefangenen nicht bald rausholen.«
»Die wollen, dass wir wieder hinfliegen«, erklärte Iger.
»Was wissen wir über den Zünder dieser Waffe?«, fragte Geary in die Runde. »Wir können nicht dagegen vorgehen, ohne gleichzeitig die Gefangenen zu töten.«
Smythe spreizte die Hände, dann wanderte sein Blick von Jamenson zu Hopper, gleich darauf zu Iger. »Die wenigen Unterlagen, die uns zu dem Konzept vorliegen, enthalten keine Details zu diesem Punkt.«
»Der Zünder ist die Schwachstelle«, erklärte Jamenson. »Man kann sich nicht einfach eine solche Waffe hinstellen und dann riskieren, dass sie versehentlich hochgeht. Oder dass sie nicht hochgeht, wenn sie es eigentlich soll. Der Zünder muss extrem zuverlässig und extrem gesichert sein.«
»Eine Überlandleitung?«, warf Smythe.
»Eine gepanzerte Überlandleitung«, stimmte Hopper ihm zu. »Und vergraben, um sie zusätzlich zu schützen.«
»Müsste es dann nicht nur einen einzelnen Ort geben, von dem aus der Feuerbefehl erteilt werden kann?«, überlegte Jamenson.
Diesmal nickte Hopper zustimmend. »Ein einziger Standort. Mehrere Standorte würden das Risiko eines verirrten Signals nur unnötig erhöhen, außerdem besteht dann eine erhöhte Gefahr, dass sich jemand in die Kabel einklinkt, die außerdem erst noch mit viel Aufwand verlegt worden sein müssen. Vor allem hat man bei nur diesem einen Ort die Lage viel besser unter Kontrolle. Und der Zünder darf nur der hochrangigsten Autorität auf dem Planeten zugänglich sein. Das Ganze ist ja schließlich eine richtige Weltuntergangswaffe.«
»Wie stehen unsere Chancen, dass wir dieses Kabel ausfindig machen und es durchtrennen oder umlenken können?«, wollte Carabali wissen.
»Astronomisch winzig«, gab Hopper zurück. »Das kann nicht einfach ein Standardkabel sein. Es muss massiv gepanzert und gegen Strahlung abgeschirmt werden, außerdem würde man es mit mehreren Lagen eines Materials überziehen, das eine Entdeckung oder Durchdringung verhindern soll. Ganz zu schweigen von einer Menge Sensoren, die dem gleichen Zweck dienen. Ich bin mir sicher, man könnte nicht mal eine Nanosonde nahe genug an ein solches Kabel heranbringen, ohne irgendeinen Alarm auszulösen.«
»Damit bleibt nur noch der Zünder«, sagte Carabali.
»Ja. Wenn Sie an den Zünder kommen, können Sie entweder die Bombe vorzeitig hochgehen lassen oder verhindern, dass ein anderer sie zündet. Aber erst einmal müssen Sie wissen, wo der Zünder ist, und dann müssen Sie ihn unter Ihre Kontrolle bringen. Er dürfte sich an einem Ort befinden, der besser gesichert ist als alles andere auf diesem Planeten.«
»Können wir unbemerkt ein Einsatzteam auf den Planeten bringen?«, wollte Geary wissen.