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»Das hängt im Einzelfall von der Situation ab«, erwiderte Geary. »Außerdem lasse ich die Adroit als letzte Verteidigungslinie bei der Formation. Halten Sie sich auf jeden Fall bereit, sofort zum Angriff überzugehen, sobald ich den Befehl gebe.«

Desjani grinste ihn wölfisch an. »Dazu bin ich doch immer bereit. Oder ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?«

Geary lächelte sie an, dann rief er Captain Tulev auf der Leviathan, Captain Badaya auf der Illustrious und Captain Duellos auf der Inspire, um ihnen die gleiche Warnung zu übersenden.

Die vier Gruppen aus Syndik-Kriegsschiffen waren bis auf wenige Lichtsekunden herangekommen, um die Allianz-Schiffe zu ärgern und die Flotte auf diese Weise dazu zu zwingen, ihre dicht geschlossene Formation beizubehalten. Als Geary das Treiben beobachtete, musste er unwillkürlich lächeln. Nicht mehr lange, und ihr müsst auf uns reagieren. Dann bekommen wir vielleicht endlich die Gelegenheit, euch in die Zange zu nehmen.

Ein leises Signal machte Geary darauf aufmerksam, dass die Marine Scouts von verschiedenen Sturmtransportern zum Start angesetzt hatten. Dabei wurden sie über spezielle Rutschen ausgestoßen, ohne dass Energie oder irgendeine Art von Beschleunigern zum Einsatz kam, die von womöglich wachsamen Syndiks beobachtet und als Zeichen dafür gedeutet werden konnte, dass irgendetwas Ungewöhnliches geschah.

Sein Blick kehrte zurück zu dem Planeten unter ihnen, dessen Nordpol sich derzeit rechts hinter der Flotte befand, während der Südpol links vor ihnen lag. Die Stadt, in der das Kommando- und Kontrollzentrum der Syndiks untergebracht und der Zünder für die Weltuntergangswaffe versteckt war, zog rechts unten an ihnen vorbei. Am Horizont kam soeben das Gefangenenlager ein wenig links von Geary in Sichtweite. Auf dem Planeten selbst lagen Lager und Zünder weit voneinander entfernt, doch von hier oben konnte man sie beide gleichzeitig sehen.

Die Marines rasten unterdessen in ihren Schutzanzügen auf die Erde zu. Die Spezialmonturen sorgten dafür, dass sich ihr Fall allmählich verlangsamte und trotzdem kein bekannter Sensor ihre Annäherung wahrnehmen konnte. Allerdings waren diese Anzüge nicht vollkommen, denn wenn leistungsfähige Sensoren im richtigen Moment auf die richtige Stelle ausgerichtet waren, konnten die zumindest feststellen, dass sich da irgendetwas Ungewöhnliches abspielte. Doch im Augenblick waren sämtliche Syndik-Sensoren und die Blicke all ihrer Bedienmannschaften auf die Allianz-Flotte gerichtet, die Kurs auf das Umfeld des Lagers genommen und damit begonnen hatte, Shuttles loszuschicken.

Wie war das bloß für die Marines? Sie rasten Kilometer um Kilometer in die Tiefe, während das Land unter ihnen immer näher kam und sie wussten, dass Augen, Ohren und Waffen des Feindes nach Eindringlingen suchten. Das Innere der Rüstung wurde mit der Zeit immer heißer, da die Oberfläche alle Reibungshitze absorbierte, die nicht abgegeben werden konnte, weil sie sonst die Position ihres Trägers verraten hätte. Und dann sollten diese gepanzerten und massiv bewaffneten Marines auch noch so sanft auf dem Planeten landen, dass nicht einmal seismische Sensoren etwas Außergewöhnliches feststellen konnten.

Und mitten in dieser Gruppe befand sich Commander Hopper, die bis auf eine Sitzung im Simulator so etwas noch nie mitgemacht hatte. Diesmal konnte Geary nicht die Verbindung aktivieren, die es ihm erlaubte, das Geschehen aus dem Blickwinkel der Marines zu erleben. Die Scouts mussten fast völlige Funkstille wahren, ausgenommen die gelegentlichen niederenergetischen Mikroimpuls-Übertragungen, mittels derer sie sich untereinander verständigten.

»Alle Shuttles sind gestartet«, meldete Lieutenant Castries.

Geary nickte. »Sehr gut.« Er konnte nur hoffen, dass seine Stimme fest und gelassen klang, auch wenn er innerlich ein Nervenbündel war.

Achtzig Shuttles waren auf dem Weg zur Planetenoberfläche und bewegten sich dabei mit solcher Eleganz, dass sie ihren Spitznamen ›Vögel‹ durchaus verdient hatten. Im Gegensatz zu den Marine Scouts waren diese Shuttles nur mit der Standardausrüstung ausgestattet, die eine Entdeckung verhindern oder zumindest erschweren sollte. Davon abgesehen waren sie aber für eine Vielzahl von Sensoren klar und deutlich zu erkennen.

Er konzentrierte sich wieder auf die vier Syndik-Gruppen, die sich nach wie vor in der Nähe aufhielten, aber sich eben noch immer nicht ausreichend angenähert hatten. »Das hätte uns beim ersten Anlauf stutzig machen sollen. Warum hat keine von diesen vier Gruppen versucht, ein paar Shuttles abzuschießen oder zumindest die Operation zu stören? Weil sie nicht riskieren durfte, dass wir die Operation unterbrechen, die Flotte aufteilen und sie verfolgen.«

»M-hm«, machte Desjani.

»Ich könnte mir nicht mal vorstellen, so eine Operation wie diese Marine Scouts mitzumachen. Der Flug zum Planeten, das ständige Bemühen, nicht beim nächsten Schritt vom Feind entdeckt zu werden, einfach alles.« Geary wusste, er redete zu viel, aber das war die einzige Möglichkeit, seine Nerven ein wenig zu beruhigen, solange er nichts tun konnte, als dazusitzen und zuzusehen. »Ich weiß nicht, wie die dazu in der Lage sind.«

Desjani warf ihm einen Seitenblick zu. »Die sind dazu in der Lage, weil sie verrückt sind. Marine Scouts sind sogar noch verrückter als die anderen Marines.«

»Woher wissen Sie so viel über die verschiedenen Marines-Typen?«

Sie schaute wieder auf ihr Display. »Es gibt Dinge über meine Vergangenheit, die Sie vermutlich lieber nicht wissen wollen. Zum Beispiel mit wem ich alles ausgegangen bin.«

»Da … haben Sie wahrscheinlich recht.«

Er wurde davor bewahrt, noch mehr dazu zu sagen, da er in diesem Moment von der Geheimdienstabteilung gerufen wurde. »Admiral«, meldete sich Lieutenant Iger, »die Drohnen auf dem Planeten berichten von einem ungewöhnlichen Maß an Aktivitäten rund um die Position des Auslösers.«

Während er versuchte, sich von dieser Neuigkeit nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, sah er sich die Aufnahmen an, die Iger ihm mitschickte. »Ist da irgendein Alarm losgegangen? Wird da die Bewachung verstärkt?« Wenn die Syndiks festgestellt haben, dass die Marines auf dem Weg zu ihnen sind …

»Nein, Sir. Soweit wir das beurteilen können, herrscht nur ein verstärktes Kommen und Gehen. Sie bereiten sich eindeutig auf irgendetwas vor, aber erhöhte Sicherheitsaktivitäten sind nicht feststellbar. Vielmehr sind die Wachposten sogar ein wenig abgelenkt, weil sie so viele eintreffende und weggehende Besucher überprüfen müssen.«

Bei einer normalen Operation hätte man diese Informationen und die Bilder an die Marines weiterleiten können. Aber bei einem getarnten Einsatz würde man durch den Aufbau der Komm-Verbindung nur riskieren, dass der Gegner die Anwesenheit der Marines feststellt. »Sorgen Sie dafür, dass General Carabali diese Bilder zu sehen bekommt.«

»Ja, Sir. Die Marines müssten inzwischen auf dem Planeten gelandet sein. Dass die Syndiks bislang keinerlei Reaktion darauf erkennen lassen, ist ein gutes Zeichen.«

Kaum war Igers Bild verschwunden, tauchte Rione an seiner Stelle auf. »Ich habe wieder eine Nachricht von CEO Gawzi erhalten. Eine ausdrückliche Warnung: Wenn wir diesmal nicht endgültig damit anfangen, die Gefangenen raufzuholen, könne sie für deren Sicherheit nicht länger garantieren. Das bestätigt, wie verzweifelt die Syndiks darauf hoffen, dass wir ihnen in die Falle gehen. Und die Tatsache, dass nicht CEO Gawzi selbst mit mir gesprochen hat, sondern ein digitaler Avatar, zeigt deutlich, dass spätestens jetzt die Innere Sicherheit da unten das Sagen hat.«

»Wie sicher sind Sie sich, dass es ein Avatar war?«, hakte Geary nach.