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»Warum sollten sie sich auch die Mühe machen, die Gefangenen zu verseuchen, wenn sie sie sowieso in ihre Atome zerlegen wollen?«, merkte Desjani an.

Geary erwiderte nichts, sondern betrachtete den Planeten, der unter ihnen vorbeizog. Das Gefangenenlager befand sich fast genau vor der kompakten Formation seiner Flotte.

Dabei kam ihm zum ersten Mal der Gedanke, dass sie gar nicht wussten, ob die Partikelstrahlen gerade nach oben gerichtet waren oder womöglich einen Winkel aufwiesen, sodass eine Formation bereits erwischt werden konnte, noch bevor sie sich genau über dem Lager befand.

Es wird Zeit. »Captain Armus, Ihre Streitmacht kann sich jetzt aus der Formation lösen, um die zuvor erteilten Befehle auszuführen. Captain Geary, Ihre Streitmacht kann sich jetzt aus der Formation lösen, um die zuvor erteilten Befehle auszuführen. An alle Einheiten der Ersten Flotte: Drehen Sie sofort fünf Grad nach Steuerbord.« Das würde die Flotte mit genügend Abstand passieren lassen, sollten doch noch Partikelstrahlen in den Orbit gejagt werden. Gleichzeitig würde sie nicht zu weit vom Kurs abweichen, sodass die Shuttles ohne Weiteres ein zweites Mal das Lager anfliegen konnten, um die Gefangenen abzuholen.

Achtzehn Schlachtschiffe lösten sich in einer majestätischen Drehung aus der Flottenformation, wobei Captain Armus seine acht Schlachtschiffe in einer grob kreisförmigen Anordnung dicht beieinanderhielt. Sobald sie ihre Position über der Stelle erreicht hatten, an der sich der Auslöser befand, würden sie in der Lage sein, den größten Teil ihrer Waffen auf die Planetenoberfläche abzufeuern. Jane Geary brachte zwei ihrer Schlachtschiffe oberhalb von Armus’ Formation in Stellung, die übrigen acht wurden paarweise um sie herum angeordnet.

»Shuttles starten«, meldete Lieutenant Yvon. »Zweite Welle ist unterwegs.«

Alarmsirenen erwachten zum Leben, um auf eine ganze Reihe von Problemen hinzuweisen: Auf der Revenge war die Energieversorgung einer Höllenspeer-Batterie ausgefallen; bei der Colossus hatte sich bei den Schilden ein Teilausfall ereignet; der vordere Teil der Fearless litt unter punktuellen Ausfällen der Energieversorgung an etlichen Positionen gleichzeitig.

Mit finsterem Blick betrachtete Geary sein Display. Er wusste, dass diese Systemausfälle die Folge einer zu großen Belastung von überalterten Komponenten auf Schiffen waren, die man nicht für eine so lange Lebensdauer ausgelegt hatte. Ich kann wohl froh sein, dass nicht noch mehr passiert ist. »An alle Schiffe der Ersten Flotte: Fahren Sie alle Systeme auf volle Leistung hoch.« Falls noch mehr ausfallen sollte, sollte es lieber jetzt passieren, damit noch Zeit blieb, um Reparaturen vorzunehmen oder um etwas zu improvisieren.

Etwas lenkte Gearys Aufmerksamkeit auf sich. Er sah zur Seite und beobachtete auf dem von der Drohne übertragenen Bild Explosionen, die sich rings um die Einrichtung ereigneten.

»Unsere Leute sind eingedrungen und haben den Eingangsbereich gesichert«, meldete General Carabali, als ihr Bild auftauchte. »Die Situation weiter im Inneren ist unklar. Ich weiß nicht, ob wir die Kontrolle über den Zünder übernommen haben. Ich bitte um alle verfügbare Unterstützung durch die Flotte, und das so nah an der Einrichtung wie möglich.«

»Captain Armus«, befahl Geary. »Sie haben die Erlaubnis, jedes beliebige Ziel unter Beschuss zu nehmen und mit Sperrfeuer zu belegen. Feuern Sie nur nicht auf die Einrichtung, in der unsere Leute sind. General Carabali klinkt sich jetzt in Ihren Koordinierungskanal ein.«

»Verstanden«, sagte Captain Armus so beiläufig, als hätte Geary der Flotte soeben Nachtruhe befohlen. »Wir eröffnen das Feuer.«

Das Bild von der Drohne geriet ins Schwanken, als Dutzende Partikelstrahlen der Höllenspeere vom Himmel geschossen kamen und mit äußerster Präzision ins Ziel trafen. Gepanzerte Fahrzeuge und Bunker erzitterten, als die Höllenspeere riesige Löcher in ihre Hüllen rissen.

Alarmsignale leuchteten über die ganze Flotte verteilt auf, da es auf ein paar Dutzend Kriegsschiffen zu Teil- oder Totalausfällen von zweitrangigen, aber auch wichtigen Systemen kam. Es waren nicht annähernd so viele wie bei Honor, und in keinem Fall hatte ein Defekt die Kampfunfähigkeit eines Schiffs zur Folge. Grund zur Sorge war das Ganze dennoch. Ironisch, aber auch nachvollziehbar war dabei, dass viele der nun betroffenen Schiffe bei den vorangegangenen Kämpfen von schweren Schäden verschont geblieben waren. Da es keine Notwendigkeit gegeben hatte, etwas zu reparieren und im Gefecht erlittene Schäden zu beheben, waren die veralteten Systeme unangetastet geblieben, sodass ihr Versagen nur eine Frage der Zeit gewesen war.

Geary widmete sich wieder dem Bild, das von Igers Drohne übertragen wurde. Für den Moment war gar nichts zu sehen, da die von den Schlachtschiffen abgefeuerten Projektile beim Aufprall auf den Boden explodierten und dichte Rauch- und Staubwolken aufstiegen. Die Projektile waren nichts weiter als raketenförmige Objekte aus massivem Metall, ihre Sprengkraft verdankten sie der immensen Energie, die sich in ihnen aufbaute, während sie vom Orbit aus in Richtung Planetenoberfläche fielen.

Um mehr sehen zu können, wechselte Geary zu einem Bild, das von Armus’ Schlachtschiffen übertragen wurde. Staub und Trümmer erfüllten die Luft rings um die Einrichtung, doch multispektrale Sensoren waren in der Lage, die dichten Wolken zu durchdringen und in Bewegung befindliche Objekte aufzuspüren. Weitere Höllenspeere zuckten vom Himmel und zielten auf alles Mögliche, von individuellen Syndiks bis hin zu Fahrzeugen, die mit quietschenden Reifen am Rande des unter Beschuss liegenden Gebiets zum Stehen kamen. Noch mehr Steine wurden von den Schlachtschiffen abgeworfen, die nicht nur die Syndiks davon abhalten sollten, sich der Einrichtung zu nähern, sondern auch darauf abzielten, allen dort unten die Warnung zukommen zu lassen, sich von dem Gebäude zu entfernen. Trümmer von einstürzenden Häusern ließen die Flottensensoren irrtümlich glauben, es handele sich dabei um sich bewegende Objekte, die gleich wieder unter Beschuss genommen wurden.

Die Einrichtung selbst blieb unversehrt, wenn man davon absah, dass umherfliegende Splitter die eine oder andere Narbe in die unscheinbar wirkende Fassade riss. Darunter kam die massive Panzerung zum Vorschein.

Geary zwang sich, nicht weiter dieses Geschehen zu verfolgen, sondern sich wieder um die Syndik-Kriegsschiffe zu kümmern. Wie lange würde es wohl dauern, bis sie ihren Einsatzbefehl erhielten?

Die Syndik-Führer standen im Augenblick zweifellos noch unter Schock und versuchten zu verstehen, was um sie herum geschah. Ihr Plan war mit einem Mal durchkreuzt worden, was umso verwirrender sein musste, da bis vor ein paar Sekunden alles noch genauso gelaufen war, wie sie es sich vorgestellt hatten – bis die Allianz-Flotte auf einmal die Spielregeln geändert hatte.

Die Flotte befand sich in sicherem Abstand zum Gefangenenlager, doch die Shuttles kehrten jetzt so schnell sie konnten dorthin zurück, wo dreitausend Allianz-Bürger noch darauf warteten, gerettet zu werden.

Wenn die Syndiks noch immer die Kontrolle über den Zünder hatten, dann würde das Gefangenenlager in Kürze von einer Apokalypse heimgesucht werden, der nicht nur die Gefangenen zum Opfer fallen würden, sondern auch die Shuttles und die Marines.

Ein Alarm ertönte, als sich alle vier Syndik-Gruppen schließlich in Bewegung setzten, um auf maximale Beschleunigung zu gehen. Zwei nahmen Kurs auf Armus’ Schlachtschiffe, die beiden anderen hatten es entweder auf die Flotte oder die Shuttles abgesehen, die bald wieder zu ihren Schiffen zurückkehren würden.

»Sie haben sich verrechnet«, sagte Desjani und grinste boshaft. »Sie teilen sich auf, und sie können nur etwas erreichen, wenn sie nicht länger am äußersten Rand unserer Feuerreichweite ausharren.«

»Ja, sie müssen schon näher kommen«, stimmte er ihr zu. »Berechnen Sie einen Abfangkurs für Gruppe Cable. Ich werde Duellos auch auf Cable ansetzen. Tulev und Badaya können sich Gruppe Delta vornehmen.«