»Belästigt? Hat sie das so formuliert?«
»Vermutlich nicht. Ich kann sie nicht erübrigen, Admiral.«
»Das verstehe ich, Captain, aber wir müssen auch an ihre Karriere und an ihr Wohl denken. Ich werde sie Ihnen nicht wegnehmen, aber wenn sie sich verändern möchte, dann hoffe ich, dass sie von uns beiden die Unterstützung erhält, die sie sich verdient hat.«
Smythe seufzte übertrieben. »Sie haben ja recht. Wenn man guten Leuten keine Möglichkeit gibt, sich zu entfalten, dann enden wir noch wie die Syndiks. Übrigens, die Reparaturen auf der Revenge, der Colossus und der Fearless sind fast abgeschlossen. Bevor wir springen, sind sie komplett fertig. Es sei denn, es geht was anderes kaputt – auf den Schiffen oder irgendwelchen anderen Schiffen.«
»Wir sind bald zu Hause, dann haben wir Zeit, an allem zu arbeiten«, sagte Geary. »An allem, außer an meinem Bericht über die Dinge, die sich seit unserer Abreise von Varandal ereignet haben. Den muss ich aber abliefern, sobald wir zurück sind. Das wird wahrscheinlich ein dicker Wälzer werden.«
»Zu schade, dass wir nicht so wie die Enigmas Nachrichten mit Überlichtgeschwindigkeit verschicken können, nicht wahr? Es wäre manchmal bestimmt ganz nützlich, wenn man nicht extra ein Schiff losschicken muss, um eine Mitteilung zu versenden.«
Das könnte aber auch nach hinten losgehen, wenn das Flottenhauptquartier in die Lage versetzt wird, mir über Lichtjahre hinweg in Echtzeit alles Mögliche vorzuschreiben. »Wenn Sie das Prinzip entdeckt haben oder wenn die Enigmas Ihnen verraten haben, wie sie das anstellen, lassen Sie es mich wissen.«
Nachdem er mit Smythe gesprochen hatte, wandte er sich schnell an Lieutenant Iger, weil er fürchtete, das sonst wieder zu vergessen. »Nur damit alle Formalitäten beachtet werden: Geben Sie mir Bescheid, wenn Lieutenant Jamenson alle Dateien vernichtet und alle Papiere unterschrieben hat, die sie zur Geheimhaltung verpflichten.«
Iger nickte eifrig. »Ich erwarte da keinerlei Problem, Admiral. Kleeblatt nimmt ihre Arbeit sehr ernst.«
»Kleeblatt?«
»Äh … Ich meinte natürlich Lieutenant Jamenson, Sir.«
Geary achtete darauf, dass ihm kein Lächeln anzusehen war. »Dann haben Sie also keine Vorbehalte mehr gegen sie?«
»Keinerlei, Sir! Lieutenant Jamenson hat darum gebeten, die Dauntless zu besuchen und sich die Geheimdienstabteilung anzusehen, wenn wir zurück in Varandal sind. Ihr Einverständnis, Admiral, und das von Captain Desjani selbstverständlich vorausgesetzt.«
Offenbar fühlte sich Jamenson gar nicht so belästigt. Kein Wunder, dass Smythe fürchtete, sie zu verlieren. Geary hoffte für Lieutenant Iger, dass ihr Interesse nicht allein der faszinierenden neuen Welt des Geheimdienstes galt. »Da sehe ich kein Problem, Lieutenant.«
Probleme gab es auch am Sprungpunkt nicht. Vielleicht waren den Syndiks in dieser Region die Minen ausgegangen.
Geary verspürte Erleichterung, als die Sterne von Simur verschwanden und das Grau des Sprungraums auftauchte. Nein, das war nicht nur Erleichterung, sondern auch ein Gefühl, dass sie für den Augenblick die letzte große Hürde genommen hatten.
Ob dieses Gefühl sich bewahrheiten sollte, das würde sich zeigen, wenn sie Padronis erreicht hatten.
Zwölf
Bei Padronis gab es so gut wie nichts.
Die Flotte verließ den Sprungraum und war auf alle Überraschungen und Bedrohungen gefasst, aber im Sternensystem hielten sich nur zwei Schiffe auf.
Unter normalen Umständen wäre sogar das überraschend gewesen, denn der Weiße Zwerg konnte weder einen Planeten noch einen Asteroiden in seinem Orbit vorweisen. Weiße Zwerge sammelten nach und nach Helium in ihrer äußeren Hülle an und wurden in großen zeitlichen Abständen zur Nova. Falls irgendwann einmal ein natürliches Objekt seine Bahnen um Padronis gezogen hatte, war dieses Objekt längst weggeschleudert worden, lange bevor die Menschen zum ersten Mal diese Region des Weltalls erreicht hatten.
Der vormals zu den Syndiks gehörende Leichte Kreuzer, dessen Crew eine Meuterei angezettelt hatte, bewegte sich zügig auf den Sprungpunkt nach Heradao zu und war bereits weit von der Stelle entfernt, an der Gearys Kriegsschiffe soeben ins System gekommen waren.
Die verlassene Syndik-Station, die sie schon beim letzten Transit durch Padronis gesehen hatten, existierte noch immer und zog einsam ihre Bahnen um den Stern, von dem sie eines Tages in Stücke gerissen werden sollte. An dieser Station befand sich das zweite Schiff, ein Frachter, der dort angedockt hatte. Die Station war vor über hundert Jahren von den Syndiks gebaut worden und hatte als Anlaufstelle für Schiffe gedient, die das System benutzten, um von einem Sprungpunkt zum nächsten zu gelangen. Mit dem Aufkommen des Hypernets war die Station überflüssig geworden, also hatte man sie geschlossen und in diesem System zurückgelassen, da ein Abtransport mehr gekostet hätte, als die Station überhaupt noch wert war.
»Was macht der Frachter denn da?«, fragte Geary. Außer dem Frachter und der Station war im System nichts zu entdecken, obwohl die Flottensensoren selbst nach winzigsten Anomalien Ausschau hielten. »Stellen Sie sicher, dass die Geräuschfilter nicht irgendwas Ungewöhnliches schlucken, das von den Sensoren aufgefangen wird. Ich will, dass auch der Schrott gründlich untersucht wird, der nur nach Schrott aussieht.«
»Da ist wirklich gar nichts«, erwiderte Desjani kopfschüttelnd. »Und dieser Frachter ist drei Stunden von uns entfernt, also stellt er keine Bedrohung dar.«
»Captain«, meldete Lieutenant Castries. »Wir beobachten, dass Material in den Frachter geladen wird.«
»Material?«
Im gleichen Moment ging eine Mitteilung von der Tanuki ein, die zwar nicht als dringlich gekennzeichnet war, die Geary dennoch sofort annahm, da er sonst nicht viel zu tun hatte. »Was gibt’s denn, Captain Smythe?«
Der verzog den Mund zu einem flüchtigen Lächeln. »Dieser Frachter da, er plündert die Station.«
»Er plündert sie? Ganz sicher?«
»Es wäre zwar nicht auszuschließen, dass die Syndiks das Schiff gechartert haben, damit das hier Material abholt, das woanders benötigt wird, aber so was ist höchst unwahrscheinlich. Nachdem die Regierung der Syndikatwelten hier nur noch wenig zu sagen hat und sich mit Wichtigerem beschäftigen muss, ist dieser Frachter hergekommen, um die eingemottete Station zu plündern und alles mitzunehmen, was sich irgendwo zu Geld machen lässt, und wenn es nur als Altmetall ist.«
Geary betrachtete einen Moment lang das Bild des Frachters. Sein Instinkt forderte von ihm, irgendwas zu unternehmen – aber was? »Auch wenn man diese Station eingemottet hat, dürften sich immer noch Vorräte und Ausrüstungsgegenstände dort befinden, die für Schiffe überlebenswichtig sein könnten, die mit einem schweren technischen Problem nach Padronis kommen.«
»Richtig«, stimmte Smythe ihm zu. »Aber den Plünderern ist das egal. Denen geht es nur darum, Geld zu machen, auch wenn das für das nächste Schiff eine Tragödie bedeuten kann. So was kommt dabei heraus, wenn eine zentrale Verwaltung zusammenbricht, Admiral. Die Reichen und Mächtigen können immer noch gut auf sich selbst aufpassen. Es sind die Hilfsbedürftigen, die am meisten darunter leiden. So wie fast immer.«
»Danke, Captain Smythe. Das heißt wohl, wir können gar nichts dagegen unternehmen.«
»Nein. Wir könnten zwar diese Plünderer verjagen, aber sobald wir weg sind, werden die nächsten hier aufkreuzen und da weitermachen, wo die anderen aufgehört haben.« Smythe beendete das Gespräch mit einem resignierten Schulterzucken.
»Admiral«, sagte Desjani. »Sehen Sie sich die Tänzer an.«