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»Admiral Timbale ist kein Idiot«, widersprach Geary und versuchte, sich so noch einen letzten Rest an Ruhe zu bewahren.

»Sofern er noch das Kommando über Varandal hat.« Desjani sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Denken Sie daran, auf alles gefasst zu sein, wenn wir den Sprungraum verlassen.«

»Sie wissen aber noch, dass ich hier der Admiral bin, nicht wahr?«

»Dann empfehle ich eben respektvoll dem Admiral, auf alles gefasst zu sein, wenn wir den Sprungraum verlassen, Sir

Seufzend rieb er sich die Augen und setzte sich in seinem Kommandosessel gerader hin. Er wusste nur zu gut, dass er Tanya nichts davon sagen konnte, dass sie die gleiche Warnung aussprach, die er von Rione schon ein paar Tage zuvor zu hören bekommen hatte. Über so etwas habe ich nicht nachgedacht, als ich die befehlshabende Offizierin meines Flaggschiffs geheiratet habe.

»Was?«

»Ich habe kein Wort gesagt«, beteuerte er.

»Doch, Sie … ach, vergessen Sie’s. Wir sind gleich da.« Desjani warf ihm einen letzten ermahnenden Blick zu, dann konzentrierte sie sich auf ihr Display.

Er wandte sich seinem eigenen Display zu und sah, wie eines der Lichter des Sprungraums plötzlich genau vor ihnen auftauchte. Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, wie weit das Licht entfernt war, aber Geary kam es so vor, als würde die Dauntless genau in dieses Licht hineinstürzen, als das Schiff den Sprungraum verließ.

Da er hörte, wie andere auf der Brücke erschrocken nach Luft schnappten, wusste er, dass nicht nur er so empfunden hatte.

Dann kehrten die wohltuende Schwärze des Normalraums und das Licht der zahllosen Sterne zurück, darunter auch der grelle Schein eines deutlich größeren Lichtpunkts, der die Sonne Varandal darstellte.

Kein Alarm ertönte, als die Flottensensoren die Umgebung erkundeten. Als Geary das Gefühl der Benommenheit abgeschüttelt hatte, das ihn jedes Mal beim Verlassen des Sprungraums überkam, waren die gesammelten Daten bereits auf sein Display übertragen worden und zeigten die beruhigend routinemäßigen Aktivitäten der Menschen im System Varandal.

Bis das Display einmal kurz ruckelte und die Bilder von mehr als einem Dutzend getarnter Allianz-Schiffe nahe der Station Ambaru auftauchten. »Was machen die denn da?«

»Ambaru muss sie gesehen haben«, antwortete Desjani leise und überprüfte ihre Daten. »Deren Sensoren sind auf Emissionen ausgerichtet, und deshalb können wir sie auch aus dieser Entfernung sehen.«

Er rief die entsprechenden Daten und erhielt die Bestätigung. Die getarnten Shuttles gaben minimale Emissionen ab, die man für das Hintergrundrauschen in einem Sternensystem halten konnte. Nur Sensoren, die auf ganz bestimmte, in diesem Rauschen verborgene Muster eingestellt waren, konnten sie wahrnehmen. »Eine Übung? Zu welchem Zweck?«

»Vielleicht wissen die ja was«, gab Desjani zu bedenken und zeigte auf die Bilder von einem Leichten Kreuzer und zwei Zerstörern, die nur eine halbe Lichtstunde vom Sprungpunkt entfernt waren. »Die Coupe, die Bandolier und die Spearhand. Was haben die so weit draußen zu suchen?«

»Sie sind auf dem Rückweg zum Stern«, stellte Geary irritiert fest. »Und keine Spur von den sechs Syndik-Frachtern.«

»Aber auch keine Trümmer von ihnen«, machte Desjani ihm klar.

»Na, dann fliegen wir auch mal weiter. Wir senden die standardmäßigen Ankunftsberichte und sonst nichts, und dann warten wir ab, bis Timbale sich meldet.«

»Und wenn Timbale nicht mehr hier ist?«

»Dann hören wir eben von seinem Nachfolger.«

Das Ganze nahm natürlich einige Stunden in Anspruch. Die Coupe und die Bandolier gaben sich wortkarg, als Geary sie rief, und erklärten nur, sie hätten auf Befehl von Admiral Timbale einige spezielle Manöver ausgeführt. Allerdings liefen genügend Unterhaltungen zwischen den Schiffen und Stationen, um zumindest ein teilweises Bild der Geschehnisse zu erhalten, das von Lieutenant Iger zusammengesetzt wurde.

»Die Syndik-Fra-, ich wollte sagen: Die Midway-Frachter sind im System gewesen, Admiral. Sie sind hier eingetroffen und haben um die Freilassung der Gefangenen der Syndik-Reserveflotte gebeten. Es herrschte ziemlich große Aufregung. Kommandotruppen und Marines auf der Ambaru-Station, Kriegsschiffe, die in aller Eile hin und her geschickt wurden, sehr viel Nachrichtenaustausch, alles von höchster Priorität und streng geheim.«

»Aber die Frachter haben das System unversehrt verlassen? Zusammen mit Captain Bradamont?«

»Sir, Captain Bradamont wird mit keinem Wort erwähnt, aber es sieht so aus, dass die Frachter vor ein paar Tagen wieder abgereist sind.«

Als dann Admiral Timbales Nachricht eintraf, bestätigte er das. »Captain Bradamont war mit dabei, aber davon weiß nur ich etwas. Wenn gewisse Kreise herausgefunden hätten, dass sie sich auf einem der Frachter befand, hätte das Ärger ohne Ende gegeben. Es war schon so übel genug. Sie sprach davon, dass Sie Probleme mit dem Hypernet-Portal bei Midway hatten, aber nachdem Sie das System verlassen haben, waren die Schwierigkeiten schon bald wieder behoben. Laut Bradamont waren die Syndiks … oh, verzeihen Sie … waren die Bürger des freien und unabhängigen Midway-Sternensystems selbst völlig verblüfft. Aber sie waren auch davon überzeugt, dass die Syndikatwelten einen Weg gefunden haben müssen, einzelne Hypernet-Portale zu sperren. Auf diese Weise ist es ihnen möglich gewesen, Ihnen die Heimreise so schwer wie möglich zu machen.«

Timbale, der sich immer noch in einer Entfernung von drei Lichtstunden auf der Station Ambaru aufhielt, atmete gedehnt aus. »Es ist hier sehr … interessant zugegangen. Ich nehme an, Ihnen sind die getarnten Shuttles und die Kommandotruppen rings um Ambaru längst aufgefallen. Ich habe mich die letzten Tage über ständig von einem kompletten Zug Marines begleiten lassen, die mir auf Schritt und Tritt gefolgt sind, weil ich mir ziemlich sicher bin, dass mindestens ein Senioroffizier davon überzeugt ist, einen Grund zu wissen, weshalb ich unter Arrest gestellt werden sollte. Aber jetzt sind Sie ja da, so wie Captain Bradamont es angekündigt hat. Sie ist mit den Frachtern wieder heil von hier weggekommen, auch wenn es eine Weile auf Messers Schneide stand. Sie hat mir auch in groben Zügen davon berichtet, was Ihnen alles widerfahren ist. Das erbeutete Superschlachtschiff hat sie ebenfalls erwähnt, auch wenn ich mir bis vor ein paar Minuten nicht vorstellen konnte, wie riesig das Ding sein sollte. Und die sechs Tänzer-Schiffe. Ich wusste alles, was auf uns zukommt. Aber sonst war hier niemand auf irgendetwas vorbereitet, weshalb Sie einen verdammt dramatischen Auftritt hingelegt haben. Aber das gehört bei Ihnen ja schon dazu.« Bei den letzten Worten lächelte Timbale, um zu unterstreichen, dass das als Kompliment gemeint war. »Ich habe hier immer noch das Sagen, jedenfalls für den Augenblick. Ich bin froh, dass Sie wieder da sind, um mir den Rücken zu stärken. Ich glaube, jetzt wird endlich sehr schnell Ruhe einkehren, und das Flottenhauptquartier wird es sich noch einmal überlegen, mir wegen Verrats, Fehleinschätzung einer Situation oder einfach nur aus Prinzip meinen Posten zu entziehen. Na, was sage ich? Die Kommandotruppen sehen ganz so aus, als würden sie jetzt endlich den Heimweg antreten. Ich schätze, alles ist wieder in bester Ordnung, und wir sind alle wieder Freunde.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Ich freue mich schon sehr darauf, in Ihrem detaillierten Bericht zu lesen, was Sie so alles getrieben haben. Mann, das ist ein verdammt großes Schlachtschiff. Auf die Ehre unserer Vorfahren. Timbale, Ende.«

Die nächsten Tage waren von hektischer Betriebsamkeit geprägt. Die Flotte musste ins innere Sternensystem gebracht werden, etliche Schiffe schwenkten in Parkorbits ein, die für Allianz-Kriegsschiffe reserviert waren, andere nahmen Kurs auf orbitale Raumdocks, damit dringende Reparaturen durchgeführt werden konnten. Befreite Allianz-Gefangene mussten per Shuttle zur Station Ambaru gebracht werden, um ihre Personalien aufzunehmen. Berichte mussten erstellt und verschickt werden. Kurierschiffe rasten zum Hypernet-Portal bei Varandal, um nach Unity und zum Flottenhauptquartier zu reisen und dort von Black Jacks Rückkehr zu berichten. Andere, private Kurierschiffe, die von Nachrichtenorganisationen gemietet worden waren, verließen Varandal ebenfalls, um die Neuigkeit zu verbreiten, dass Black Jack lebte und zurückgekehrt war. Auch hielten sie keinesfalls mit den weiteren Nachrichten von der Flotte hinterm Berg: dass er Tausende von Allianz-Angehörigen aus den Fängen der Syndiks gerettet hatte, allesamt Männer und Frauen, die man seit Langem für tot gehalten hatte. Dass er neue Verbündete für die Menschheit gewonnen hatte. Dass er von den Syndiks hintergangen worden war und er die Enigmas erneut geschlagen hatte. Dazu kamen noch andere Meldungen über ihn, auf die Geary gern verzichtet hätte. Etwa die, dass Black Jack nun im Besitz des größten jemals gebauten Schlachtschiffs war – und dass er es benutzen wolle, um die Menschheit zu beschützen oder um die Allianz zu übernehmen oder um die Syndiks ein für alle Mal auszulöschen oder …