Выбрать главу

»Eine Flotte?«, platzte Desjani heraus. »Es gibt Leute, die glauben, Sie würden eine Flotte aus Schiffen vom Typ Invincible bauen? Haben die irgendeine Ahnung, was dafür notwendig wäre?«

»Nein«, antwortete er mürrisch. »Die haben überhaupt keine Ahnung. Deshalb glauben die ja auch, ich würde so was machen.« Sie befanden sich in seinem Quartier. Die Luke stand offen, und Geary fragte sich zum x-ten Mal seit der Ankunft in Varandal, wann er und Tanya wohl endlich die Gelegenheit bekommen würden, ein paar Stunden als Ehemann und Ehefrau zu verbringen und nicht als Admiral und Captain.

Eine weitere Nachricht ging ein, und Geary hätte sie beinahe auf die Mailbox umgeleitet, doch dann sah er, von wem sie kam. »Sie leben noch«, berichtete Dr. Nasr mit schwachem Lächeln. »Wir haben die letzten beiden gefangen genommenen Bärkühe am Leben erhalten können, bis wir Allianz-Gebiet erreicht haben, damit sich jemand anders ihrer hier annehmen kann.«

»Meinen Glückwunsch, Doctor«, erwiderte Geary. Er konnte die verhaltene Freude des Mannes gut verstehen. Hatten sie das Richtige getan? Und was würde nun mit den beiden Kiks passieren? Nasr war mehr als jeder andere um sie besorgt, schließlich waren sie seine Patienten. Und während der gesamte Rest der Flotte sie nur noch als Kiks bezeichnete, benutzte der Doctor weiterhin den höflicheren und respektvolleren Begriff »Bärkühe«, wenn er von den beiden redete.

»Ich habe den Befehl erhalten, sie an das Shilling-Institut zu übergeben«, fuhr Nasr fort und verzog den Mund. »Da arbeiten gute Leute, gute Ärzte. Es ist der richtige Platz für Behandlungen der schwierigsten Art. Mir gefällt es nur nicht, die Bärkühe jemandem zu überlassen, der sie nicht kennt. Wir haben genug Erfahrung gesammelt, um ihnen die richtige Dosis verabreichen zu können, damit sie ruhiggestellt bleiben, auch wenn es in den letzten Tagen einige schwierige Momente gegeben hat.«

»Aber die zuständigen Stellen werden doch sicher Ihre Erfahrungen berücksichtigen, oder nicht?«, fragte Geary. »Sie sagten doch, die Ärzte des Shilling-Instituts sind fähige Leute.«

»Das sind sie auch. Aber sie stellen die Elite da. Wir sind bloß Flottenärzte, Admiral«, antwortete Dr. Nasr voller Ironie. »Aus der Sicht der Elite sind wir nur eine niedere Form von Chirurgen. Sie hören uns zu, manche werden unsere Ratschläge befolgen. Aber ich befürchte, dass andere darüber hinweggehen und ihre eigenen Fehler machen werden.« Jede Spur von Humor war verflogen. »Und dann müssen die letzten beiden Bärkühe vielleicht auch noch sterben. Nicht, weil die Leute, in deren Obhut sie kommen, etwas Böses beabsichtigen, sondern weil Menschen Fehler machen, und das selbst dann, wenn es nicht um niedlich aussehende Kreaturen geht, die anders denken als wir und die sich anders entwickelt haben als wir.«

Geary presste die Lippen zusammen und kämpfte gegen ein Gefühl der Sinnlosigkeit an, das der Doctor zweifellos mit ihm teilte. »Wir haben getan, was wir konnten. Ich wüsste nicht, was wir sonst noch hätten tun können.«

»Ich auch nicht, Admiral. Ich wollte Sie nur davon in Kenntnis setzen. Vielleicht bin ich ja völlig grundlos pessimistisch, vielleicht bin ich der typische Arzt, der seinen Patienten nicht einem anderen Arzt überlassen will. Womöglich leide ich ja unter dem Irrglauben, dass ich mehr weiß als alle anderen.« Einen Moment lang machte er einen fast wehmütigen Eindruck. »Es ist schon bedauerlich. Die Bärkühe werden nie begreifen, wie sehr wir uns darum bemüht haben, sie zu retten und sie am Leben zu erhalten. Stattdessen glauben sie bereits zu wissen, was wir mit ihnen machen werden, und aus dem Grund wollen sie uns nicht zuhören, nicht mal ein paar Sekunden lang. Wie erklären wir das anderen? Denen, die uns die Schuld geben werden? Ich kann sie schon reden hören. Wie konnten Sie nur gegen sie kämpfen? Wie konnten Sie sie nur töten?«

»Sie haben uns keine Wahl gelassen.«

»Das dürften unsere Aufzeichnungen deutlich belegen«, stimmte der Doctor ihm zu. »Es sei denn, diese Leute wollen unseren Aufzeichnungen nicht glauben.«

»Danke, Doctor. Für alles.« Geary drehte sich zu Tanya um, da ertönte der helle Pfeifton, der den Erhalt einer dringenden Nachricht ankündigte.

Captain Hiyens Gesichtsausdruck erinnerte an einen Mann, vor dem sich ein Erschießungskommando aufgestellt hatte; eine Kombination aus Resignation vor dem Unausweichlichen und Entschlossenheit, dem Schicksal trotzig in die Augen zu sehen. Es war ein pessimistischer Gesichtsausdruck, den kein Befehlshaber bei einem Untergebenen gern sah, erst recht nicht an einem Ort wie Varandal, an dem sie alle in Sicherheit sein sollten. »Admiral, ich muss mit Ihnen reden – unter vier Augen und so bald wie möglich.«

Das Schlachtschiff Reprisal war nur ein paar Lichtsekunden entfernt, sodass eine normale Unterhaltung möglich war, bei der man nicht nach jedem Satz minuten- oder sogar stundenlang auf eine Antwort warten musste. »Um was genau geht es?«, fragte Geary und gab Desjani hastige Zeichen.

»Es geht … um die Schiffe der Callas-Republik. Und ich glaube, es geht auch um die Schiffe der Rift-Föderation. Bitte, Admiral. Es bleibt vielleicht nicht mehr viel Zeit.«

Rione hatte ihn gewarnt, dass das lange Schmoren der Crews sich schon bald explosionsartig entladen könnte. Geary hielt kurz inne und überlegte, dann sah er zu Tanya, die ihm seine Sorge längst angemerkt hatte. »Captain Desjani, begleiten Sie mich bitte in den Hochsicherheitskonferenzraum.« Ein Gespräch unter vier Augen. Von wegen! Er musste andere Leute an seiner Seite haben, die mit ihm zusammenarbeiten konnten, wenn es hier tatsächlich um die Angelegenheit ging, die er befürchtete. Und wenn diese Angelegenheit die Schiffe der Callas-Republik betraf, dann … Geary betätigte eine interne Komm-Taste. »Gesandte Rione, kommen Sie so schnell wie möglich in den Hochsicherheitskonferenzraum.« Rione war Co-Präsidentin der Callas-Republik gewesen, und sie wurde von den Besatzungen dieser Schiffe ebenso respektiert wie von denen der Rift-Föderation. Zwischenzeitlich hatte man sie im Laufe einer ganzen Serie von Neuwahlen abgesetzt, die die politische Ordnung der Allianz erschüttert hatte. Die Callas-Republik und die Rift-Föderation hatten sich seinerzeit nur aus Angst vor den Syndikatwelten der Allianz angeschlossen, und da die Bevölkerung diese Verbindung nun wieder trennen wollte, war vielen von ihnen Riones Loyalität gegenüber der Allianz unangenehm aufgefallen. Das hatte sie etliche Wählerstimmen gekostet.

»Die Nachricht kam von der Reprisal«, stellte Tanya fest, als sie in Richtung Konferenzraum gingen. Sie bewegten sich zügig durch die Korridore, aber nicht so schnell, dass Crewmitglieder hätten misstrauisch werden können.