Dann begannen sie alle gleichzeitig zu reden.
»Was denn für ein Frieden?«
»Fragen Sie die Menschen in der Allianz!«
»Wir können den Krieg nicht wiederaufleben lassen! Die Regierung würde zusammenbrechen!«
»Meine Mitsenatoren«, setzte Sakai mit ruhiger Stimme zum Reden an, die dennoch laut genug war, um von den anderen gehört zu werden. »Wie wir bereits festgehalten haben, müssen wir als Minimum die Freilassung aller Allianz-Bürger vorantreiben, die noch immer im Syndik-Gebiet oder im ehemaligen Syndik-Gebiet festgehalten werden. Solange das nicht geschehen ist, sollten wir den Syndiks keine rechtliche Handhabe bieten, um den Vertrag aufzukündigen. Vielleicht sollten wir jetzt zu einem anderen Thema wechseln.«
Geary wartete, während die Senatoren über Sakais Empfehlung nachdachten. Er fragte sich, ob irgendeiner von ihnen ihm seine Nervosität darüber anmerkte, dass ihn jemand danach fragen könnte, was er den Herrschern von Midway als Gegenleistung für die Syndik-Apparatur gegeben hatte, mit der sich verhindern ließ, dass ein Hypernet-Portal per Fernsteuerung kollabierte.
Aber der Große Rat verspürte offenbar kein Verlangen danach, weiter über das Hypernet zu reden.
»Nun«, sagte Navarro. »Es gibt gute Neuigkeiten, über die wir uns unterhalten müssen. In diesem erbeuteten Kriegsschiff steckt eine gewaltige Menge an … ähm … Kik-Technologie. Durch sie sollten wir in der Lage sein, mehr über diese Rasse zu erfahren.«
»Wir hätten mehr über sie erfahren können, wenn wir mit ein paar lebenden Individuen dieser Rasse reden könnten«, murmelte Senatorin Suva laut genug, um von allen gehört zu werden.
Rione machte eine knappe Geste, um Gearys reflexartiger Reaktion zuvorzukommen. »Wir haben es versucht«, sagte sie. »Wir haben es mit jeder denkbaren Methode versucht.«
»Die Spezialisten, von denen Sie begleitet wurden«, konterte Suva, »sagen, dass Sie mehrere Methoden unversucht gelassen haben, die hätten funktionieren können.«
»Einige von ihnen mögen das jetzt behaupten, aber zum betreffenden Zeitpunkt haben sie solche Methoden nicht vorgeschlagen«, machte Rione klar. »Ich persönlich habe sie wiederholt um Vorschläge gebeten. Wenn unsere akademischen Experten jetzt behaupten, ihnen seien andere Methoden bekannt gewesen, um mit den Kiks zu kommunizieren, dann kann es nur sein, dass sie diese Informationen absichtlich zurückgehalten haben. Vielleicht sollten Sie diese Leute fragen, warum sie das getan haben.«
Navarro verzog den Mund und tippte leicht mit der Hand auf den Tisch. »Meine Vermutung ist, dass diese Experten auch keine anderen Ideen hatten als Sie. Mir fällt jedenfalls nichts ein, was Sie nicht auch versucht haben. Vielleicht kommen wir ja noch auf eine Methode, wie wir die beiden lebenden Kiks aufwecken können.«
»Davon muss ich mit Nachdruck abraten«, warf Geary ein. »Sie werden sich das Leben nehmen.«
»Es kann sein, dass diese Entscheidung nicht in unseren Händen liegt, Admiral. Und was hat es mit diesen Geistern auf dem erbeuteten Schiff auf sich?«
»An Bord der Invincible geht etwas Seltsames vor«, erklärte er. »Es manifestiert sich auf eine Weise, als würden sich Kik-Geister um einen scharen. Ich kann niemandem empfehlen, sich irgendwo in diesem Schiff allein aufzuhalten. Das Gefühl stellt sich sehr bald ein und wird dann schnell stärker.«
»Diese Spezies verfügt doch über ein Gerät«, warf Unruh leise ein, »mit dem man Planeten vor einem Bombardement aus dem All schützen kann. Befindet sich irgendetwas an Bord dieses Schiffs, das uns zeigen kann, wie wir diese Technik auch anwenden können?«
Geary spürte förmlich die Welle der Hoffnung, die von den Senatoren ausgestrahlt wurde. Er schüttelte den Kopf, auch wenn es ihm noch so sehr zuwider war, diese Hoffnungen zu zerschlagen. »Das weiß ich nicht. Ihre Technologie und ihre Art, Ausrüstung zu konstruieren, unterscheidet sich grundlegend von unserer. Ich weiß, dass selbst die größten Kik-Schiffe wie die Invincible nicht in der Lage waren, kinetische Projektile auf diese Weise abzulenken. Die Flotteningenieure vermuten, dass diese Form der Verteidigung einen enormen Energiebedarf hat oder eine sehr große Masse benötigt, zum Beispiel die eines Planeten. Fazit ist aber, dass wir es einfach nicht wissen. Natürlich haben wir die Kik-Ausrüstung an Bord der Invincible nicht ausprobiert, weil wir nicht absehen konnten, was wir damit auslösen würden.«
»Müssen wir unbedingt weiter diese beleidigende Bezeichnung ›Kiks‹ benutzen?«, wandte Senatorin Suva ein. »Und warum beziehen Sie sich auf das Schiff, das wir ihnen abgenommen haben, indem Sie den Namen eines Schiffs unserer Flotte benutzen?«
»Ich kann sie auch Bärkühe nennen, wenn das angenehmer ist«, schlug Geary vor, da er keine Lust hatte, sich auf eine weitere sinnlose Diskussion einzulassen. »Wir wissen nichts darüber, wie sie sich selbst nennen. Dass ich das Schiff Invincible nenne, liegt daran, dass es als Invincible unsere Heimreise überstanden hat und dass mehr als ein Marine sein Leben dabei verloren hat, es als Invincible zu verteidigen.«
»Es wird sicher oberste Priorität für die Allianz sein, so viel wie möglich über die Technologie in Erfahrung zu bringen, die auf diesem Schiff zum Einsatz gekommen ist«, äußerte sich Senatorin Unruh in einem gefälligen Ton, mit dem sie dennoch deutlich machte, worauf sie hinauswollte. »Und was die Enigmas angeht – glauben Sie, da besteht Hoffnung auf Frieden?«
»Ich glaube, der Gesandte Charban liegt mit seiner Vermutung richtig, dass eine so sehr von ihrer Privatsphäre besessene Spezies unsere von Neugier getriebene Spezies als eine ernsthafte Bedrohung ansieht. Eine Zusicherung, nicht mehr über sie herausfinden zu wollen und auch nicht wieder in das von ihnen kontrollierte Gebiet zu fliegen, könnte als Grundlage hilfreich sein, um den Feindseligkeiten ein Ende zu setzen. Aber«, schränkte Geary sofort ein, »bislang haben die Enigmas auf unsere in diese Richtung gehenden Vorschläge nicht reagiert.«
»Und dann«, fuhr Unruh fort, »haben wir da noch die Tänzer.« Sie lächelte amüsiert. »Ich habe gesehen, wie sie ihre Schiffe bewegen. Das ist ein wirklich passender Name.«
»Sie haben einen von Menschen bewohnten Planeten gerettet«, warf Senatorin Suva wissbegierig ein. »Können sie uns zeigen, wie sie das gemacht haben?«
»Auch das weiß ich nicht«, sagte Geary. »Sie reden mit uns, sie erscheinen hilfsbereit und freundlich, aber sie verfügen auch über eine instinktive Fähigkeit, ihre Schiffe durchs All zu manövrieren, die über das hinausgeht, was wir Menschen mit unseren Sinnen und unserer Ausrüstung zu leisten imstande sind.«
»Aber können wir jemandem vertrauen, der so aussieht wie die?«, fragte Wilkes sichtlich angewidert.
Rione lächelte, als sie erwiderte: »Dann haben wir doch auf jeden Fall die Gewissheit, dass wir uns nicht von ihrer Schönheit blenden lassen werden.«
»Kommen die Verhandlungen gut voran?«, wollte Navarro wissen.
»Wir lernen immer noch, mit ihnen zu kommunizieren. In einer formalen Verhandlungsphase befinden wir uns derzeit nicht.« Rione ersetzte ihr Lächeln durch einen Gesichtsausdruck, der keine Deutung zuließ. »Nach unserer Ankunft hier in Varandal haben sie uns eine Nachricht übermittelt, die uns sehr überrascht hat. Der Gesandte Charban und ich haben die Mitteilung erst spät heute Nacht komplett verstanden. Sie wird also jetzt und hier zum ersten Mal publik gemacht. Ich wollte, dass der Große Rat als Erster davon erfährt.« Selbst die Senatorin, die Rione am liebsten mit Verachtung gestraft hätte, schien sich ein wenig aufzuplustern, weil die Bemerkung es so klingen ließ, als sei ihre Bedeutsamkeit hervorgehoben worden. »Die Tänzer haben uns mitgeteilt, dass sie irgendwo hinmüssen. Verhandlungen werden sie erst mit uns aufnehmen, wenn sie dort gewesen sind. Es wird nicht wie ein Ultimatum hingestellt, mehr als eine Wenn-Dann-Bedingung. Wenn wir sie annehmen, dann werden sie mit uns über andere Dinge reden.«