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Dann verließen die Lichten Magier die Kette. Einige, um denselben einfachen und verständlichen menschlichen Handlungen nachzugehen. Doch die meisten, das wusste ich, würden bleiben und aufmerksam nach oben sehen, hinauf zum Dach des Hauses. Tigerjunges für alle Fälle mit schuldbewusster Miene. Semjon mit dem finsteren Lächeln eines Anderen, der schon ganz andere Stürme erlebt hatte, Ignat mit dem unweigerlichen aufrichtigen Mitgefühl.

»Ich konnte das nicht tun«, sagte Swetlana.»Es tut mir Leid, Geser. Ich konnte es nicht.«

»Du konntest es nicht«, bemerkte ich.»Und brauchtest es auch gar nicht…«

Ich öffnete die Hand. Sah auf das kleine Kreidestück, das in meinen Händen einfach nur ein feuchtes und klebriges Stück Kreide war. An einer Seite zugespitzt. An der anderen ungleichmäßig abgebrochen.

»Hast du es schon lange begriffen?«, fragte Geser. Er trat an mich heran, setzte sich zu mir. Sein Schild spannte sich über uns, das Heulen des Orkans verstummte.

»Nein. Eben erst.«

»Was geht hier vor?«, schrie Swetlana.»Anton, was passiert hier?«

»Jeder hat sein Schicksal, mein Mädchen«, antwortete Geser ihr.»Der eine muss fremde Leben lenken oder Imperien zerschlagen. Der andere einfach leben.«

»Während die Tagwache darauf gewartet hat, dass du den Eintrag vornimmst«, erklärte ich,»hat Olga sich die andere Hälfte der Kreide genommen und das Schicksal von jemandem umgeschrieben. So, wie das Licht es wollte.«

Geser seufzte. Streckte die Hand aus, berührte Jegor. Der Junge bewegte sich, versuchte aufzustehen.

»Gleich, gleich«, sagte der Chef zärtlich.»Alles ist vorbei, gleich ist alles aus.«

Ich nahm den Jungen in den Arm, bettete seinen Kopf auf meine Knie. Er beruhigte sich wieder.

»Sag, wozu?«, fragte ich.»Wenn du sowieso gewusst hast, was kommt?«

»Selbst ich kann nicht alles wissen.«

»Wozu?«

»Weil alles natürlich wirken musste«, erwiderte Geser leicht gereizt.»Nur so hat Sebulon an den Vorgang geglaubt. Sowohl an unsere Pläne wie auch an unsere Niederlage.«

»Das ist nicht die ganze Antwort, Geser.«Ich sah ihm in die Augen.»Bei weitem nicht!«

Der Chef seufzte.»Gut. Ja, ich hätte es auch anders machen können. Swetlana hätte eine Große Zauberin werden können. Entgegen ihrem eigenen Wunsch. Jegor wäre, obwohl die Wache auch so schon in seiner Schuld steht, zu unserem Instrument geworden.«

Ich wartete. Wollte unbedingt wissen, ob Geser die ganze Wahrheit sagen würde. Wenigstens einmal.

»Ja, ich hätte es auch so machen können.«Geser seufzte.»Nur, mein Junge… Alles, was ich neben dem großen Kampf zwischen dem Licht und dem Dunkel getan habe, alles, was ich im zwanzigsten Jahrhundert getan habe, war einem einzigen Ziel untergeordnet, selbstverständlich ohne dabei der Sache zu schaden…«

Mit einem Mal tat er mir Leid. Unerträglich Leid. Vielleicht, weil der Große Magier, der Helllichte Geser, der Vernichter der Ungeheuer und Hüter der Staaten, zum ersten Mal seit tausend Jahren gezwungen war, die volle Wahrheit auszusprechen. Die nicht so beredt und erhaben klang wie die, die er gewöhnlich vertrat.

»Schon gut, ich weiß es!«, schrie ich.

Doch der Große Magier schüttelte den Kopf.»Alles, was ich getan habe«, betonte Geser Silbe um Silbe,»war noch einem anderen Ziel untergeordnet. Nämlich die Leitung zu zwingen, Olgas Strafe vollständig aufzuheben. Ihr alle Kräfte zurückzugeben und ihr zu erlauben, die Schicksalskreide erneut in die Hände zu nehmen. Sie muss mir ebenbürtig sein. Sonst ist unsere Liebe zum Tode verdammt. Und ich liebe sie, Anton.«

Swetlana lachte los. Leise, sehr leise. Ich dachte, sie

würde dem Chef eine Ohrfeige verpassen, aber ich begriff sie wohl noch immer nicht vollends. Swetlana sank vor Geser auf die Knie und küsste ihm die rechte Hand.

Der Magier erschauerte. Als habe er seine grenzenlosen Kräfte verloren: Die Schutzkuppel erzitterte und schmolz. Wieder erstickte das Heulen des Orkans unsere Stimmen.

»Und das Schicksal der Welt werden wir abermals ändern?«, fragte ich.»Neben unseren kleinen persönlichen Angelegenheiten?«

Er nickte. Und fragte:»Freust du dich nicht darüber?«

»Nein.«

»Nun ja, Anton, man kann schließlich nicht immer gewinnen. Auch mir ist das nicht geglückt. Und dir wird es ebenso wenig gelingen.«

»Ich weiß«, erwiderte ich.»Natürlich weiß ich das, Geser. Aber trotzdem wäre es einfach zu schön.«