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Wortlos kehrte Melanie ihr den Rücken zu und fing an, sich die windzerzausten Haare zu bürsten.

»Weißt du es schon? Torte steht draußen«, flüsterte Trude Frieda zu. »Er starrt zu deinem Fenster hoch. Ich dachte, du hast Schluss gemacht?«

»Hab ich auch«, murmelte Frieda. »Aber er denkt, ich bin mit jemand anders zusammen. Völliger Blödsinn. Dauernd ruft er bei uns an, fragt, ob ich da bin, ob ich Besuch hab. Könnt ihr euch die Kommentare von Titus vorstellen?« »Er spioniert dir nach? Romantisch!« Wilma nieste in ihr Taschentuch und öffnete die Haustür. Vorsichtig lugte sie hinaus.

»Siehst du ihn?« Trude beugte sich über ihre Schulter. »Da, im Türeingang gegenüber lehnt er.«

»Vielleicht ist er gar nicht wegen Frieda hier.« Wilma schob den Kopf noch etwas weiter aus der Tür. »Vielleicht hat Fred ihn geschickt, als Kundschafter für die Pygmäen?«

»Kommt weg da.« Unsanft zog Frieda die beiden in den Hausflur und knallte die Tür zu.

»Kundschafter? Blödsinn!« Melanie verzog spöttisch den Mund. »Zufällig weiß ich, dass Torte sogar Ärger mit Fred hat, weil er ständig hinter Frieda herschleicht.« Fred war der Chef der Pygmäen. Melanie kniete sich vor ihren Fahrradspiegel und zupfte sich die Locken in die Stirn. »Fred hat ihm schon mit Baumhausverbot gedroht. Aber Torte ist verrückt vor Eifersucht.« Sie kicherte. »Schreibt er dir immer noch diese Wahnsinnsliebesbriefe?«

Frieda warf ihr einen genervten Blick zu. »Wir sind wegen Sprottes Fuchsalarm hier«, sagte sie. »Nicht wegen Torte.« Dann stieg sie ohne ein weiteres Wort die Treppe zum Keller hinunter. Die anderen Hühner folgten ihr. »Als Frieda >Fuchs< gesagt hat, ist mir vor Schreck fast das Telefon aus der Hand gefallen«, erzählte Trude und wich einer Spinne aus, die»sich vor ihrer Nase von der Kellerdecke baumeln ließ. »Könnt ihr euch vorstellen, warum Sprotte Fuchsalarm gibt?«

»Nee.« Frieda schloss die Tür zu ihrem Keller auf und knipste das Licht an. Ihre Eltern benutzten den Keller bloß zum Tischtennisspielen. Das Gerumpel stand auf dem Dachboden.

»Vielleicht hat Sprotte eine Entführung beobachtet«, näselte Wilma, während sie sich aus ihren Jacken schälten. »Oder einen echten Überfall!«

Melanie verdrehte die Augen. »Guckt euch das an, Titus hat schon wieder unsere Poster abgerissen!«, sagte sie. An der kahlen Kellerwand hing nur eine einzige Zeitschriftenseite. Ein Kochrezept samt Foto - gebratenes Huhn mit Mandeln.

»Idioten!«, murmelte Wilma und riss das Blatt ärgerlich ab. In einer Kellerecke türmten sich Plastikgartenstühle. Wilma und Trude schoben fünf an die Tennisplatte, während Frieda noch mal nach oben lief, um Verpflegung zu holen. »Hoffentlich kommst du ohne Brüder zurück!«, rief Trude ihr nach.

Melanie ließ sich seufzend auf einen Stuhl fallen und blinzelte in die nackte Glühbirne, die von der Kellerdecke hing. »Sehr gemütlich«, murmelte sie. »Wirklich, unheimlich gemütlich hier.«

Frieda kam ohne Brüder, aber mit einem voll gepackten Tablett zurück. »Glück gehabt. Die sind voll beschäftigt da oben«, sagte sie. »Titus hilft meiner Mutter gerade dabei, Wachskreide von Lukis Bauch zu schrubben. Bitte sehr!« Sie stellte das Tablett auf die Tischtennisplatte. »Heiß er Fliederbeersaft und Lebkuchen! Das ist doch mal was anderes als Tee und Kekse, oder?«

»Soll das nicht gut gegen Erkältung sein?«, fragte Wilma hoffnungsvoll - und nieste schon wieder. Melanie rümpfte misstrauisch die Nase. »Die Pygmäen streichen ihr Baumhaus schwarz«, erzählte sie. »Sieht gut aus.«

»Wie immer ganz auf dem Laufenden, was die Jungs treiben, was, Melli?«, sagte Sprotte hinter ihr. Mit einem Fußtritt knallte sie die Kellertür zu, zwängte sich zwischen Melanie und Trude durch und hockte sich neben Frieda auf die Tischtennisplatte. »Tut mir Leid, dass ich so spät komm, aber da waren zwei Frauen bei uns an der Tür, die mir unbedingt was über den Weltuntergang erzählen wollten. Die haben mich einfach nicht weggelassen.«

»Du hattest schon bessere Ausreden«, knurrte Melanie. »Und wie oft soll ich dir noch sagen, dass du mich nicht >Melli< nennen sollst! Warum hast du Fuchsalarm gegeben?«

»Merkst du was? Barbie sprießen wieder Pickel!«, wisperte Wilma Sprotte zu.

Melanie sah sie böse an, aber sie wurde klatschmohnrot. Sprotte rückte mit düsterer Miene ihre neue Zahnspange zurecht. »Ich hab Fuchsalarm gegeben«, sagte sie, während Frieda jedem Huhn einen Becher Fliederbeersaft eingoss, »weil... «

»Halt!« Hastig zerrte Wilma ein Ringbuch aus ihrem Rucksack. Der Einband war von oben bis unten mit Hühnerfedern beklebt. »Ich muss doch Protokoll führen!« »Vergiss das Protokoll, Wilma!«, fauchte Sprotte. »Es ist Fuchsalarm. Weißt du nicht mehr, was das heißt? Es geht um Leben und Tod.« Trude verschluckte sich an ihrem Fliederbeersaft. Frieda

hielt die Luft an, und Wilma begann panisch auf ihrem Stift rumzukauen. Nur Melanie runzelte ungläubig die Stirn. »Ach, komm!«, sagte sie. »Hör auf mit dem Theater. Du hast doch bloß Fuchsalarm gegeben, damit wir garantiert alle kommen. Ist es wegen Torte?«

»Blödsinn!« Ärgerlich rutschte Sprotte von der Tischtennisplatte. »Torte ist nicht mal Rattenalarm wert. Der ...« »Warte ...« Melanie schnippte mit den Fingern. »Der Freund von deiner Mutter will dich adoptieren! Das ist es!« »Mensch, Melli, sei endlich still!«, fuhr Sprotte sie an. Besorgt sah Frieda, dass Sprotte Mühe hatte, die Tränen zurückzuhalten. Das kam nicht oft vor. Sprotte hatte nicht so nah am Wasser gebaut wie Trude oder Frieda. »Meine Oma will die Hühner schlachten«, sagte sie, ohne die anderen anzusehen. »Sie will sie einfach schlachten. Alle fünfzehn. Nächste Woche schon. Das ist doch ein Grund für Fuchsalarm, oder?

3

Eine Weile blieb es totenstill im Tischtenniskeller. Keine wusste, was sie sagen sollte.

Fünfzehn Hühner besaß Sprottes Großmutter - fünf gescheckte, sechs braune, drei weiße und ein schwarzes. Sie hießen Emma, Isolde, Huberta, Lola und Kokoschka, Dolli, Klara, Dafne und Loretta, Ofelia, Dido, Salambo, Ronja, Leia und Isabella. Sprotte hatte sich die Namen ausgedacht und jedes Huhn mit ein paar Spritzern Regenwasser getauft. Sprottes Großmutter hielt nichts von Namen für Hühner. »Gefühlsduselei«, sagte sie. »Meinen Rosenkohlpflanzen geb ich ja auch keine Namen. Hühner schafft man sich zum Eierle gen an, nicht zum Freundschaftschließen. Das stört bloß beim Schlachten.«

Jetzt wollte sie die Hühner also schlachten. Alle. Ganz kalt wurde den fünf Mädchen bei dem Gedanken. Sie besuchten Oma Slättbergs Hühner, so oft sie konnten. Allerdings ging das nur , wenn Sprottes Großmutter nicht zu Hause war. Oma Slättberg mochte keinen Besuch. Geplatzt wäre sie vor Ärger, wenn sie gewusst hätte, wie oft Sprottes

Freundinnen sich in ihren Hühnerauslaufschlichen, um die weichen Federn ihrer Hennen zu streicheln. »Sie mögen es so gern, wenn man sie unterm Schnabel krault!«, murmelte Trude. »Sie kneifen immer so süß die Augen dabei zu.« Dann fing sie an zu schluchzen. Wilma gab ihr eins von ihren Taschentüchern. »Mensch, das ist allerdings ein Grund für Fuchsalarm«, murmelte sie. »Drei Hennen hat sie seit letztem Sommer geschlachtet!«, rief Sprotte. »Und nie haben wir was unternommen! Weil wir nicht wussten, wie wir es verhindern sollten, oder weil ich's nicht rechtzeitig erfahren hab. Diesmal müssen wir einfach was tun! Wenn sie das schafft, wenn sie die Hühner umbringt und wir tun einfach gar nichts, dann, dann ...«, Sprotte schlug so fest auf die Tischtennisplatte, dass heißer Fliederbeersaft auf die Finger schwappte, »dann können wir uns auch nicht mehr die Wilden Hühner nennen, find ich. Dann sind wir gar nichts mehr, höchstens wilde Waschlappen oder so was.« Sie leckte sich den süßen Saft von den Fingern.