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»Guck mal, Frisa, is bin ein Pirat!«, krähte Luki, hob einen morschen Ast auf und fuchtelte damit so wild herum, dass Sprotte ihn gegen die Kniescheibe bekam. »He, pass doch auf, Zwerg!«, rief sie ärgerlich.

»Is bin kein Zwerg!«, sagte Luki und fuchtelte nur noch wilder mit dem Stock rum. »Du Aassloch!« »Jetzt reicht’s!«, sagte Sprotte und riss ihm den Stock weg. Luki stimmte ein ohrenbetäubendes Gebrüll an. »He, Süßer, guck mal!« Frieda zog ihn schnell zum Auslauf. »Da sind die Hühner. Siehst du?« Luki wischte sich die Tränen aus den Augen und stolperte auf den Zaun zu. »Na, das wird ja ein schöner Nachmittag«, murmelte Sprotte. Mit gerunzelter Stirn guckte sie zum Wohnwagen rüber. »Was machen die da?«, hörte sie Luki fragen. »Die scharren nach Würmern«, antwortete Frieda. »Hühner fressen unheimlich gern Würmer, weißt du?« Luki kaute auf seiner Unterlippe. Mit gerunzelter Stirn starrte er die Hühner an. »Die Würmer wolln aber nich gefressen werden«, sagte er. »Die sind so blöd, die Hühner.« Frieda kicherte und nahm ihn in den Arm. »Komm, wir füttern sie mit dem Salat, den wir mitgebracht haben«, sagte sie. »Den mögen sie nämlich auch. Okay?« Sprotte hockte sich neben die beiden und steckte einen Finger durch den Maschendraht. Neugierig staksten Dafne und Isolde näher.

Wenn es nach Oma Slättberg gegangen wäre, lägen sie jetzt gerupft in ihrer Kühltruhe, zusammen mit ihren dreizehn glucksenden, scharrenden, gackernden Schwestern. Aber es war nicht nach O. S. gegangen, und die Hennen scharrten in der Sonne herum, fühlten sich federweich und warm an.

Gut, dass ich Fuchsalarm gegeben hab, dachte Sprotte. Dame schüttelte den Kamm, und vor dem Stall stritten Loretta und Kokoschka sich laut gackernd um einen Wurm. Was für ein wunderbares Gefühl es war, sie gerettet zu haben! Sprotte raschelte ein bisschen mit der Tüte, die sie mitgebracht hatte. Neugierig ruckten die Hennen mit den Köpfen.

»Ach, übrigens, meine Mutter hat das mit Wilmas Anzeige rausgekriegt«, sagte sie.

Besorgt sah Frieda sie an. »O je, was hat sie gesagt?« »Na, begeistert war sie nicht gerade. Am meisten hat sie aufgeregt, dass Wilma unsere Telefonnummer angegeben hat. Aber so richtig wütend wird sie wahrscheinlich erst, wenn die Ersten anrufen. Dann krieg ich bestimmt noch was zu hören.« »Ach, vielleicht ist ja auch ein Netter dabei«, meinte Frieda. Sprotte schnaubte nur verächtlich.

»Okay, war eine alberne Idee, das mit der Anzeige.« Frieda drückte Luki ein Salatblatt in die speckige kleine Hand. »Guck mal, so, durch den Draht musst du das Blatt stecken.« »Dann fressen die doch meine Finger!«, sagte Luki und machte besorgt einen Schritt zurück.

»Nee, tun die nicht«, Sprotte hielt den Hühnern etwas Löwenzahn hin. »Siehst du, wie sie angerannt kommen?« Luki stellte sich vorsichtshalber hinter Sprotte, als die Hennen auf den Zaun zustürmten. Beunruhigt beobachtete er, wie sie Sprotte die Blätter aus den Fingern rupften.

»Die haben aber große Snäbel!«, stellte er beeindruckt fest. »Wieso haben die so komisse Augen?« »Komisse Augen?« Sprotte und Frieda kicherten. Da hörten sie plötzlich die Wohnwagentür aufgehen. »He, seid ihr schon lange da?«, rief Melanie und kam die Treppe runtergesprungen. »Wir haben euch gar nicht gehört.«

»Schwer zu glauben bei dem Geschrei, das Luki veranstaltet hat«, flüsterte Sprotte Frieda zu.

Melanies schlechte Laune wegen des Umzugs schien verflogen. Strahlend lief sie auf Frieda und Sprotte zu. Willi schlenderte zögernd hinterher.

Luki klammerte sich an Sprottes Pullover. »Sind das Piraten?«, flüsterte er.

Frieda lachte. »Unsinn. Das ist doch Melli, Süßer.« Aber Luki machte weiter ein misstrauisches Gesicht. »Wisst ihr was? Willi hat heute Nacht irgendwas verscheucht, das um die Hühner rumschlich!«, erzählte Melanie, als sie neben

ihnen stand.

»Was?« Erschrocken richtete Sprotte sich auf. »War irgendwas Kleines, Dünnes«, sagte Willi. »Kleiner als ein Fuchs jedenfalls.« Er riss einen Grashalm ab und zerpflückte ihn. »Ich war noch mal zu Hause gestern Abend, ist ja nicht weit von hier. Hab meiner Mutter ’ne Nachricht in den Briefkasten geworfen, damit sie sich keine Sorgen macht. Und als ich zurückkomm«, er zeigte zum Schuppen, »da veranstalten die Hennen einen Irrsinnsspektakel. Ich hab so ein Kratzen gehört. Und als ich hinrannte, huschte was weg.«

»Mist!«, murmelte Sprotte. Besorgt zählte sie, wie viele Hennen im Auslauf herumscharrten. Es waren alle da. Luki klammerte sich immer noch an ihren Pullover und starrte zu Willi hoch. »Is bin stärker als du«, sagte er. Willi grinste und ging vor ihm in die Hocke. »Klar«, sagte er. »Viel stärker. Jede Wette.«

Sprotte ließ die ändern stehen und lief zum Schuppen. Besorgt untersuchte sie die Holzwände, aber es war kein Loch zu entdecken, weder von innen noch von außen, kein Spalt, keine Lücke, durch die sich ein Wiesel zwängen konnte. »Hast du was entdeckt?«, fragte Melanie, als sie zurückkam. Sprotte schüttelte den Kopf.

»Na, ein Glück, dass Willi nachts hier schläft«, meinte Frieda. »Tut er aber schon bald nicht mehr«, sagte Melanie. Überrascht sahen Sprotte und Frieda sie an. Melanie warf Willi einen schnellen Blick zu. »Er weiß, dass er nicht ewig hier bleiben kann, außerdem macht er sich Sorgen wegen seiner Mutter, und ich hatte da so eine Idee«, sagte sie. »Ich ... «

»Wo ist Luki?«, unterbrach Frieda sie besorgt. »Da am Zaun«, sagte Willi. »Hält den Hühnern Steine hin und wundert sich, dass sie nicht wie wild drauflosstürzen.« »Also, was für eine Idee?«, fragte Sprotte ungeduldig.

»Willi geht morgen Abend nach Hause zurück«, sagte Melanie und strich sich die Locken aus der Stirn. »Aber nicht allein. Wir bringen ihn alle hin und Steve bleibt zwei, drei Nächte bei ihm.«

»Steve?« Sprotte guckte Willi ungläubig an. »Steve ist der Einzige, der mit meinem Vater noch keinen Arger hatte«, sagte Willi.

»Und außerdem ...«, Melanie le gte ihre Hand auf Willis Schulter, »... ist Steves Vater zwar nur eine Handbreit größer als sein Sohn und noch dicker, aber er ist bei der Polizei.« »Bei der Wasserschutzpolizei«, stellte Sprotte spöttisch fest. »Na und? Polizei ist Polizei«, sagte Melanie schnippisch. »Willis Vater wird sich nicht trauen, den Sohn von einem Polizisten anzurühren. Und Willi wird er auch nicht verhauen, wenn Steve dabei ist.« Gespannt sah sie die ändern beiden Hühner an. »Sagt schon, wie findet ihr meine Idee?« Frieda bohrte ihre Schuhspitze in die feuchte Wiese, und Sprotte guckte zu Luki rüber, der immer noch andächtig vorm Hühnerzaun kauerte und ohne Pause auf die Hennen einredete. »Steve als Willis Leibwächter«, murmelte sie. »Das ist wirklich eine ausgeflippte Idee, Melli.« »Na und? Hast du eine bessere?«, fauchte Melanie. »Nee, nee«, sagte Sprotte schnell. »Ich hab nicht gesagt, dass ich sie schlecht finde.«

»Habt ihr Willis Mutter schon davon erzählt?«, fragte Frieda. Melanie nickte. »Steve kann in Willis Zimmer auf dem Teppich schlafen. Er muss sich nur einen Schlafsack mitbringen. Steve hat zwar ein bisschen rumgenörgelt, dass er im Schlafsack kein Auge zukriegt, aber er macht's.« »Aha.« Sprotte kniff die Augen zusammen. »Moment mal, wann habt ihr das denn alles besprochen? Willis Mutter weiß schon Bescheid, mit Steve hast du auch schon geredet...« »Die Pygmäen waren hier«, sagte Melanie, ohne Sprotte anzugucken. »Vor einer halben Stunde. Ich hab sie gebeten herzukommen und ... «