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»Mensch, Willi«, sagte Torte spöttisch, »die Mädels passen aber gut auf dich auf. Hast du neuerdings ’n ganzen Harem?«

»Halt den Mund, Torte«, knurrte Fred. »Warum ist uns eigentlich nicht so was eingefallen?«

»Na ja, ihr stellt den Leibwächter«, sagte Melanie und klopfte Steve aufmunternd den Rücken. Verlegen nahm er die Brille ab und putzte sie umständlich. »Wir haben für euch bloß ein bisschen Abendproviant«, sagte Fred und stopfte Steve eine prall gefüllte Plastiktüte in den Rucksack. »Chips, Schokoriegel, Cola. Pass auf, dass Stevie nicht alles alleine frisst, Willi.«

Dann öffnete Sprotte die Wohnwagentür, und einer nach dem ändern traten sie hinaus in die Kälte. Die Hennen hatte Sprotte schon eingesperrt. Schweigend folgten die Pygmäen den Hühnern über die dunkle Wiese zur Straße zurück. Ab und zu sah sich einer von ihnen nach dem Wohnwagen um. Trude hatte das Licht brennen lassen, damit sie nachher leichter zurückfanden. Einladend sah der Wagen aus, mit den Glühbirnen unterm Dach und dem erleuchteten Fenster. Am liebsten wären sie alle zurückgelaufen, hätten sich in der Wärme zusammengesetzt, Mellis Kassettenrekorder aufgedreht und den ganzen Ärger einfach vergessen.

»Na, dann los«, sagte Fred, als Sprotte das Gatter hinter ihnen verschloss. Und fröstelnd stiegen Hühner und Pygmäen auf die Räder, um Willi nach Hause zu bringen.

Sie brauchten nicht mal zehn Minuten bis zu dem Haus, in dem Willi wohnte.

»Wenn meine Karten sich geirrt haben«, sagte Steve, als sie ihre Räder abschlössen, »und dieser Abend doch nicht so günstig ist, dann schneid ich sie eigenhändig in Stücke. Ehrenwort.« Mit einem tiefen Seufzer warf er sich den Schlafsack über die Schulter, rückte noch mal die Brille zurecht und ging mit Willi zur Haustür.

Melanie klingelte. Und gab Willi noch einen KUSS, flüchtig und schnell, bevor sie verlegen hinter ihn trat.

Willis Eltern wohnten im dritten Stock. Sosehr Hühner und Pygmäen sich auch Mühe gaben, leise zu sein, es machte reichlich Lärm, als sie alle hintereinander die Treppe hochstiefelten. Neugierig lugte jemand im obersten Stock übers Treppengeländer.

Willi war weiß wie die Wand, als er die letzten Stufen hochstieg, obwohl er die anderen hinter sich spürte. Seine Mutter fiel ihm schon um den Hals, als er noch auf der Treppe stand. Sie drückte und quetschte ihn, als hätte sie geglaubt, ihn niemals wiederzubekommen. Willis Vater lehnte in der offenen Haustür, die Hand gegen den Rahmen gestützt. »Die können hier aber nicht alle übernachten«, sagte er. »Nein, nein, nur ic h bleib hier«, sagte Steve und fummelte nervös an seinem Schlafsackreißverschluss herum. Willis Vater nickte nur kurz. Dann guckte er Willi an. »Was sollte das ganze Theater?«, schnauzte er. »Meinst du, ich hätte noch nie was eingeschmissen?« Willi sagte gar nichts. Er guckte ihn nur an, die Hände in den Jackentaschen, wo seine Finger gegen das Funkgerät stießen und gegen Melanies kleine Spraydose. Steve stellte sich ganz dicht neben ihn, das tat gut.

»Diese Lehrerin wollte den Schaden übernehmen«, sagte sein Vater. »Als ob wir so was annehmen würden. Dein Großvater wird die Scheibe bezahlen, und du stotterst es bei ihm ab. Das wird mindestens hundert Jahre dauern, aber du zahlst es zurück. Verstanden?«

Willi nickte. »Klar«, murmelte er.

Sein Vater gab den Weg frei. »Na, dann kommt rein«, sagte er. »Habt ihr schon was gegessen? Der Dicke da hat doch bestimmt immer Hunger.«

»Wir haben schon gegessen.« Willi drehte sich zu den ändern um. »Bis morgen«, sagte er.

»Bis morgen«, antwortete Melanie. »Und quatscht nicht zu lange heute Nacht, ihr beiden.«

»Darauf achten wir schon«, sagte Willis Vater mürrisch. »Macht, dass ihr jetzt nach Hause kommt, sonst fängt euch noch irgendwer von der Straße weg.«

Steve warf Fred und Torte einen letzten Blick zu und verdrehte die Augen.

Ohne ein weiteres Wort schob Willis Vater ihn und Willi in die Wohnung und schloss die Tür.

Die Hühner und die Pygmäen standen im Treppenhaus und rührten sich nicht.

Das Licht im Flur ging aus. »Verdammt, wo ist dieser Lichtschalter?«, schimpfte Fred und tastete an der Wand herum. Trude fand den Schalter.

»Kommt«, sagte Sprotte. »Lasst uns verschwinden, sonst bringen wir ihn womöglich gleich wieder auf die Palme.« Sie liefen die Stufen runter. Ab und zu blieb einer von ihnen stehen und lauschte. Irgendwo schrie ein Baby, und ein Fernseher lief so laut, dass man im Treppenhaus fast jedes Wort verstehen konnte. Als sie wieder auf die dunkle Straße traten und die Haustür hinter sich zuzogen, standen sie noch ein paar Augenblicke lang unschlüssig zusammen. »Na, wir machen dann mal, dass wir zum Wohnwagen zurückkommen«, sagte Sprotte schließlich. Die beiden Jungen nickten. Etwas verloren sahen sie aus. Trude warf ihnen einen mitfühlenden Blick zu. »Wir könnten doch auch zusammen ...«, sagte sie. »Ich mein ...«

»Nein!«, unterbrach Sprotte sie. »Tut mir Leid, aber ich will endlich mal ohne Pygmäen in unserm Hauptquartier sein!« »Ich ehrlich gesagt auch«, murmelte Frieda, ohne die Jungs anzusehen. Melanie sagte gar nichts. Sie guckte rauf zu den Fenstern im dritten Stock.

23

»Kein Problem«, sagte Fred und zog Torte mit sich. »Ich muss sowieso nach Hause. Seit der Sache mit dem Schrottplatz krieg ich schon Ärger, wenn ich ’ne Viertelstunde zu spät komme.« Er drehte sich noch mal zu Sprotte um. »War eine gute Idee, das mit dem Funkgerät«, sagte er. »Schlaf am besten drauf, damit du es nicht überhörst.« »Das überhören wir nicht«, sagte Melanie, während sie ihr Rad auf die Straße schob. »Ich mach heute Nacht sowieso kein Auge zu.«

Wie ein verwunschener Ort erschien der Wohnwagen den Mädchen, als sie ihre Räder wieder durch das Gatter schoben. Das Fenster leuchtete ihnen durch die Dunkelheit entgegen, und die Glühbirnen unterm Dach sahen aus wie ein Band aus Sternen. Das gefrorene Gras knisterte unter ihren Füßen. Die Nacht war still, nur aus der Ferne drang Autolärm herüber, dumpf und weit, weit weg.

Im Hühnerstall hockten die Hennen aufgeplustert auf ihren Stangen. Als Sprotte vorsichtig durch die Tür lugte, glucksten sie leise, als redeten sie im Schlaf.

Niemand schlich in dieser Nacht um den Stall oder den Wohnwagen herum, nur Wilma, mit schussbereiter Wasserpistole auf der Suche nach Einbrechern oder Schlimmerem. Sogar unter den Wagen leuchtete sie mit ihrer Taschenlampe, worauf Frieda feststellte, dass da unten höchstens steif gefrorene Verbrecher lagern könnten. Ihr Hauptquartier empfing sie mit Wärme und Licht. Jacken, Schals, Mützen, alles warfen sie auf einen großen Haufen, dann briet Frieda zehn von den Eiern, die ihre Hennen gelegt hatten, und Trude ließ den Alkohol aus zwei Flaschen Glühwein kochen, die ihr Vater im Vorratsschrank zurückgelassen hatte. Melanie fand das Abkochen albern, aber die anderen überstimmten sie.

»Willst du vom Rad fallen, wenn Willi sich heute Nacht meldet?«, fragte Frieda, und Sprotte drückte ihr das Funkgerät in die Hand und sagte, sie solle sich damit auf die Matratze verziehen, solange die ändern das Essen vorbereiteten. Wie ein Häufchen Elend hockte Melanie auf dem großen Schaumstoffbett, starrte das Funkgerät an und kaute auf einer Haarsträhne herum. Die Eier schmeckten köstlich.

»Im Frühling werden wir uns ein paar Gemüsebeete anlegen«, sagte Sprotte, während sie bei Kerzenlicht an dem kleinen Tisch aßen. »Bohnen wachsen

überall und Zwiebeln auch.«

»Ich mag keine Bohnen«, murmelte Melanie. »Tja, Kartoffelchips kann man nicht pflanzen, Melli«, stellte Wilma fest.

Trude musste kichern und fing sich einen bösen Blick. Als es im Funkgerät knackte, ließ Melanie vor Schreck die Gabel fallen.