Выбрать главу

Frieda grinste und rieb sich die Augen. Trude nahm gähnend die Brille ab und legte sie unter ihr Kissen. Todmüde kuschelten sie sich aneinander, zogen die Decken bis an die Nasen und lauschten in die nächtliche Stille. »Wehe, du schnarchst wieder«, sagte Melanie und knuffte Trude in den Rücken.

»Und wehe, du quatschst wieder im Schlaf«, murmelte Sprotte hinter ihr.

»Können wir das Licht anlassen?«, fragte Wilma. »Klar«, murmelte Frieda. »Hat eine den Wecker gestellt?« Sprotte hob noch mal den Kopf und guckte nach. »Alles klar«, sagte sie und gähnte schon wieder. »Oje, schon eins. Da werden wir ja richtig frisch sein morgen.« »Verdammt!« Frieda setzte sich auf. »Wir haben vergessen, Rose anzurufen.«

»Ist nicht mehr zu ändern«, sagte Melanie. »Leg dich wieder hin.«

Mit einem Seufzer legte Frieda sich wieder zwischen die ändern.

»Da draußen war was!«, flüsterte Wilma. »Blödsinn«, murmelte Melanie. »Außerdem - du hast ja deine Wasserpistole, oder?«

Dann schliefen sie ein. Ein Huhn nach dem anderen. Wilma als Letzte.

24

Drei Nächte verbrachte Steve bei Willi auf dem Teppich, obwohl er schon nach der ersten Nacht behauptete, dass ihn das für den Rest seines Lebens zum Krüppel machen würde. Melanie legte das Funkgerät neben ihr Kissen, wenn sie ins Bett ging, und gewöhnte sich daran, jeden Abend mit Willi zu tuscheln, bevor sie einschlief. Steve kommentierte die Gespräche der beiden mit tiefen leidvollen Seufzern. An dem Abend, an dem er glücklich wieder in sein eigenes Bett kroch, waren alle nervös, aber nichts passierte, und Willi erzählte Melanie übers Funkgerät, dass er Steves Geschnarche nicht eine Nacht länger ausgehalten hätte. Willis Vater schrieb einen Beschwerdebrief über Frau Rose an den Schuldirektor, aber er schickte ihn nicht ab. Willi fand die Fetzen im Abfalleimer. Am sechsten Tag nach seiner Rückkehr fing er sich die erste Ohrfeige, weil er zu spät zum Abendbrot kam. Danach ging er in sein Zimmer und hängte sich einen großen Zettel in den Schrank, mit einem Kästchen für jeden Monat, der noch bis zu seinem sechzehnten Geburtstag vergehen musste. Reichlich viele waren das noch.

Zwei Tage später fanden Fred und Torte einen idealen Baum für das neue Pygmäen-Baumhaus. Ausgerechnet in dem Wald, an den das Grundstück von Trudes Vater grenzte. »Wenn wir uns da oben in der Astgabel noch einen Aussichtsplatz bauen«, sagte Fred, während die Pygmäen den Platz besichtigten, »dann können wir den Hühnern fast auf ihren Wohnwagen spucken.« Die ändern grinsten. »Aber diesmal bleibt unser Hauptquartier geheim«, sagte Torte mit einem Blick auf Willi. »Nicht, dass hier irgendeiner Mädchen mitbringt.«

»Mach mich nicht an«, fuhr Willi ihn an. »Ich hab Melanie nicht als Erster ins Baumhaus eingeladen. Das warst du, soweit ich mich erinnere.«

»Stimmt«, meinte Steve und ging einmal um den Baum herum. »Torte hat sie als Erster mitgebracht. Aber der nervt die Weiber so, dass sie ihm gleich wieder weglaufen.« »Ach ja?« Torte wollte ihn packen, aber Steve versteckte sich kichernd hinter dem nächsten Baum. »Vor dir laufen sie weg, wenn sie dich bloß sehen!«, rief Torte ihm wütend hinterher. »Hört auf«, schnauzte Fred die beiden an. »Morgen bringen wir das Holz her. Wir brauchen endlich wieder ein Hauptquartier.«

Aber ihr letztes Baumhaus hatten die Pygmäen nicht im Winter gebaut. An manchen Tagen war es so kalt, dass ihnen fast die Hämmer aus den steif gefrorenen Fingern fielen. Außerdem wurde es mit jedem Tag früher dunkel, und oft dämmerte es schon, wenn sie endlich mit den Hausaufgaben fertig waren.

Willi konnte an etlichen Nachmittagen nicht mitbauen, weil er mit Frau Rose nachholen musste, was er verpasst hatte, und Zeitungen austrug, um das Geld für die Baggerscheibe abzustottern. Viel Zeit zum Baumhausbauen blieb da wirklich nicht. Dass Willi sich außerdem regelmäßig mit Melanie traf, erzählte er den Pygmäen natürlich nic ht. Aber die Hühner wussten es, denn Wilma war Melanie irgendwann nachgeschlichen, als sie einen ihrer angeblichen Hautarzttermine hatte. Es war Wilma verdächtig vorgekommen, dass Melanies Pickel weniger, die Arzttermine aber immer häufiger wurden.

In der Schule ließen Melanie und Willi sich selten zusammen sehen. Manchmal lag morgens unter Melanies Tisch ein zusammengefalteter Zettel, den sie unauffällig in ihrer Tasche verschwinden ließ, manchmal waren sie und Willi in der Pause nirgends aufzutreiben, aber ansonsten hielten die beiden geheim, was sowieso jeder wusste. Dafür schmachtete Torte Frieda weiter in aller Öffentlichkeit an. Plötzlich bekam sie statt der Beschimpfungen wieder Liebesbriefe, seitenlang, gespickt mit abgeschriebenen Gedichten und Songtexten in ziemlich wildem Englisch. Frieda ließ Torte von den ändern Hühnern ausrichten, dass er sich eine andere Brieffreundin suchen sollte, sie schlug ihm sogar Kandidatinnen vor, aber nichts half.

Torte schrieb ihr weiter.

»Daran ist bloß Steve mit seinen blöden Karten schuld«, schimpfte Frieda jedes Mal, wenn wieder ein Brief in ihrer Schultasche steckte, aber Steve wies alle Schuld von sich. In fastjeder Pause bekam er inzwischen Besuch von jemandem, dem er die Karten legen sollte. Sogar aus den oberen Klassen kamen Ratsuchende. Meistens waren es Mädchen, aber ab und zu schlich sich auf dem Schulhof auch ein bohnenstangenlanger Junge an Steve heran und flüsterte ihm unauffällig sein Anliegen ins Ohr.

Steve hatte die Preise deutlich gesenkt, um das Geschäft anzukurbeln. Eine Mark kosteten Auskünfte über Versetzungen und andere schulische Leistungen (ohne Garantie natürlich), einsfünfzig Voraussagen zum Liebesglück und zwei Mark Angaben zu beruflicher Zukunft, Reichtum, Berühmtheit und so weiter. Das war deshalb am teuersten, begründete Steve, weil es noch in weiter Zukunft lag und deshalb komplizierter vorherzusagen war. Meistens verschwand er mit seinen Kunden in der Schulbücherei, wo es zwischen den Regalen ein paar lauschige Ecken gab. Als sich das herumsprach, tauchten immer öfter Schüler in der Bibliothek auf, die sich die Pause damit vertrieben, hinter den Bücherregalen zu stehen und Steve bei seinen Vorhersagen zu belauschen.

Die Baumhausbaustelle der Pygmäen blieb tatsächlich ungewöhnlich lange Zeit geheim. Vielleicht, weil die Hühner viel zu sehr mit ihrem eigenen Hauptquartier beschäftigt waren. Sprotte hatte durch Oma Slättbergs Haus- und Gartenverbot plötzlich unendlich viele freie Nachmittage, die sie fast immer beim Wohnwagen verbrachte. Auch die ändern kamen fast jeden Tag. Trude machte dort sogar meistens ihre Hausaufgaben mit Sprotte zusammen, und Wilma tauchte auf, sobald sie ihre fertig hatte. Frieda fehlte nur an ihren Gruppendienstagen, und manchmal brachte sie Luki mit, aber der störte nicht weiter. Stundenlang suchte er im Stall nach Eiern oder hielt den Hennen durch den Zaun kleine Steine hin, die sie immer noch nicht fressen wollten. Was Melanie betraf, die musste eben ab und zu zum Hautarzt, aber sonst war auch sie sehr oft im Wohnwagen zu finden. Der Wagen sah von Tag zu Tag mehr wie das Hauptquartier der Wilden Hühner aus. Melanie hatte den Bandennamen mit Goldfarbe auf die Tür gepinselt, und Frieda brachte ihre Hühnersammlung mit, die bisher lukisicher ganz oben bei ihr im Regal gestanden hatte. Dreiundzwanzig Hühner waren es: Gipshühner, Strohhühner, Glas- und Porzellanhühner. Sogar welche aus Marzipan, Schokolade und Kuchenteig waren dabei. Auf dem Regal, das Trudes Vater für seine Biergläsersammlung aufgehängt hatte, machten die Hühner sich wirklich gut. Die Biergläser kamen in die hinterste Ecke vom Küchenschrank. Wilma schließlich fädelte Massen von Hühnerfedern auf, die sie und Trude mit endloser Geduld im Stall und im Auslauf gesammelt hatten, und hängte sie vor die Fenster. Sprotte und Frieda fanden das toll, nur Melanie rümpfte die Nase, aber die Federn blieben, wo sie waren.