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Dann hatte Sprotte noch die Idee, von jeder Henne ein großes Foto an die Wand zu hängen. Frieda >lieh< sich den Fotoapparat von Titus, und Sprotte fotografierte die Hennen, während Trude sie auf dem Arm hielt. Trude wurde dabei zweimal von oben bis unten voll gekackt, aber die Fotos wurden toll. Wilma schrieb mit Goldfilzer auf jedes den Namen der Henne, und dann hängten sie die Fotos in einer langen Reihe an die Wohnwagenwand. Viel Platz für Mela nies Poster blieb da nicht, das von ihrer Lieblingsgruppe passte noch an die Kühlschranktür und ihr Lieblingsschauspieler klebte schließlich draußen im Plumpsklo, wo ihm schon am zweiten Tag ein Knutschfleck verpasst und am dritten ein schwarzer Schnurrbart gemalt wurde. Sehr tragisch nahm Melanie das aber nicht. Die Poster würde sie sowieso bald auswechseln, ihre Begeisterung für Stars nutzte sich genauso schnell ab wie ihr Nagellack.

»Ist wirklich schön geworden«, sagte Frieda, als sie an einem eisig kalten Freitagnachmittag nebeneinander auf der großen Matratze lagen, heiße Milch mit Honig schlürften und sich aufs Wochenende freuten. »Das allerallertollste Hauptquartier!«, sagte Sprotte und schlug die Beine übereinander. »Die Pygmäen sind innerlich bestimmt schon schimmelgrün vor Neid.« »Jetzt, wo wir hier fertig sind«, meinte Wilma, »werde ich ihnen mal wieder etwas hinterherspionieren. Spätestens nächste Woche weiß ich, wo sie ihr neues Baumhaus bauen. Hühnerehrenwort.«

»Jetzt müssen wir uns nur noch ein gutes Versteck für die Hühnerschatz­ Schatulle ausdenken«, stellte Frieda fest. »Draußen im Hühnerstall kann sie auf die Dauer nicht bleiben, sonst ist sie irgendwann vollkommen voll gekackt.« »Quatsch, ich hab natürlich eine Plastiktüte drumgemacht, bevor ich sie unterm Stroh versteckt hab«, sagte Sprotte -und verbrannte sich die Zunge an ihrer heißen Milch. »Ich find auch nicht gut, dass der Schatz draußen ist«, sagte Wilma. »Wie sollen wir denn da an das Verteidigungsspray kommen, wenn hier doch mal einer rumschleicht?« Wegen Wilmas ständiger Rumschleicher-Angst lag in der Hühnerschatz-Schatulle inzwischen eine Dose Verteidigungsspray, aber draußen im Stall nützte die natürlich wirklich nicht viel.

»Du denkst wohl gar nicht an die armen Hühner, Wilma«, sagte Frieda und kicherte. »Die wollen sich doch auch irgendwie verteidigen.«

»Ha, ha!«, Wilma wischte sich ärgerlich etwas Milch vom Knie. »Für das Bandenbuch haben wir auch keinen richtigen Platz. Oder soll das ewig unter der Matratze liegen?«

»Ich finde, das Geheime Bandenbuch schaffen wir ab«, verkündete Melanie. »Abstimmung! Wer ist dafür?« Sie hob die Hand.

»Genau, das Geheime Bandenbuch ist sowieso kein bisschen geheim!«, rief Frieda, hob gleich beide Hände und kicherte mit Melanie um die Wette.

»Ihr nehmt das alles nicht ernst!«, fuhr Wilma die beiden empört an. »In dem Buch stehen alle Codenamen und die ganzen Geheimsprüche!«

»Mich nervt dieser Geheimkram ehrlich gesagt auch langsam«, murmelte Trude. »Es macht doch viel mehr Spaß, es sich zusammen gemütlich zu machen, was zusammen zu unternehmen und so - außerdem vergess ich die Codewörter und all das sowieso dauernd. Ich frag mich, wie ihr euch die bloß alle merken könnt.«

»Gar nicht!«, antwortete Melanie und prustete vor Lachen so in ihre Milch, dass ihr Gesicht danach weiß gesprenkelt war. Frieda hielt ihr kichernd ein Taschentuch hin. »Nun sag du doch mal was!«, drängte Wilma Sprotte, die die ganze Zeit nur still auf dem Bett gehockt und ihre Milch geschlürft hatte.

Sprotte stellte ihre Tasse auf den Fußboden, sah sich im Wohnwagen um - und zuckte die Achseln. »Ich finde, Trude hat Recht«, sagte sie.

Fassungslos starrte Wilma sie an. »Was? Aber, aber was ist denn dann mit den

Wilden Hühnern':'«

»Na, wir sind die Wilden Hühner«, antwortete Sprotte. »Diese ganze Geheimsache, die Stinkbombenstreiche, die Geheimschriften, das ist doch alles unwichtig. Okay, ich wüsste auch gern, wo die Pygmäen ihr neues Baumhaus bauen, aber ich hab ehrlich gesagt keine große Lust mehr, stundenlang hinter ihnen herzuschleichen. Ich finde es viel toller, zusammen Gemüsebeete anzulegen oder den Stall sauber zu machen oder einfach nur hier rumzuliegen und zu quatschen. Ich hör mir sogar den ganzen Nachmittag Mellis Sülzmusik an, wenn wir dabei zusammen sind.«

»Aber das ...«, Wilma machte ein ganz verzweifeltes Gesicht, »das reicht doch nicht für eine richtige Bande.« »Klar reicht das«, sagte Melanie und stopfte sich ein Kissen in den Rücken. »Ich finde, wir waren noch nie ’ne bessere Bande, und ob das Geheimwort für den Hühnerstall >Chemiesaal< oder >Schulhof< heißt, ist doch scheißegal!« Zerknirscht guckte Wilma in ihre Tasse. »Ach, komm.« Frieda warf ihr ein Kissen gegen den Kopf. »Du kannst dir ja weiter Codewörter ausdenken. Wir müssen sie ja nicht unbedingt auswendig lernen, oder?« »Genau«, sagte Melanie. »Und wo das neue Baumhaus von den Pygmäen ist, das wüsste ich auch zu gern. Mit dem Spionieren musst du also ebenfalls nicht aufhören.« »Na, dann ist ja gut«, murmelte Wilma. Und grinste. »Ich werd hinter Steve herschleichen. Den kann man ganz leicht beschatten.«

»Na, wunderbar!«, Sprotte ließ sich mit einem tiefen Seufzer auf den Rücken fallen. »Ist doch alles wunderbar. Meine Oma kann den Hühnern nicht mehr die Köpfe abhacken, die Wilden Hühner haben das beste Hauptquartier der Welt, und meine Mutter redet nur noch jeden vierten Tag von Amerika. Bleibt uns bloß noch eine Sorge.« »Und die wäre?«, fragte Frieda.

»Melanies Pickel«, sagte Wilma und bekam dafür schon wieder ein Kissen an den Kopf.

»Es sind frische Kratzspuren am Hühnerstall«, antwortete Sprotte. »Und verdächtiger Kot.« Sie malte mit dem Finger einen Fuchs in die Luft. »Oje!«, stöhnte Trude.

»Ich hab gestern geträumt, dass wir herkommen und alle Hühner sind weg«, sagte Frieda. »Nur Federn lagen überall rum, und wir waren schuld, weil wir die Hennen hergebracht haben.«

»Na, nun mach mal halblang«, sagte Melanie. »Ohne uns wären die längst alle ohne Federn und ohne Köpfe dazu.« »Trotzdem«, sagte Trude und guckte zu der langen Reihe Fotos, die sie von den Hennen gemacht hatten. »Das ist wirklich eine Sorge. Wer soll uns die vom Hals schaffen?«

25

Oma Slättberg schaffte ihnen die Sorge vom Hals. Am Sonntag rief sie an, als Sprotte gerade das Bettfrühstück wegräumte, während ihre Mutter unter der Dusche stand. »Was ist mit eurem Telefon los, Herrgott noch mal?«, schimpfte sie Sprotte ins Ohr. »Entweder der Anrufbeantworter piept mir ins Ohr, oder es ist besetzt. Kommst du jetzt in dieses alberne Alter, wo du stundenlang mit deinen Freundinnen telefonierst, obwohl du sie gerade erst in der Schule gesehen hast?«

»Mam bekommt im Moment ziemlich viele Anrufe«, antwortete Sprotte. Drei Männer hatten an diesem Morgen schon wegen Wilmas Anzeige angerufen. Sprottes Mutter ging schon gar nicht mehr dran. »Kerle, die Sonntagmorgens vor zwölf anrufen«, sagte sie, »kommen sowieso nicht in Frage.« »Wieso bekommt sie viele Anrufe?«, fragte Oma Slättberg barsch.

»Keine Ahnung«, antwortete Sprotte und schnitt dem Tele fon eine Fratze. Natürlich hatte Mam O. S. nichts von der Kontaktanzeige erzählt. Wozu auch? Inzwischen hatten sich ziemlich viele Männer bei der mittelalten Taxifahrerin gemeldet, aber Sprottes Mutter hatte sich mit keinem getroffen, zu Wilmas großer Enttäuschung. Über jeden Anruf wollte Wilma Bescheid wissen, aber Sprotte hielt sich an ihr Ehrenwort und erzählte den anderen Hühnern nichts mehr über die Männerangelegenheiten ihrer Mutter. Na ja, so gut wie nichts. Sie selbst versuchte über das Thema auch nicht allzu viel nachzudenken. Ihre Mutter redete immer noch englisch beim Frühstück, und in ihrem Nachttisch, neben einer rosa Babysocke von Sprotte, lagen zwei Flugtickets nach New York, für die Frühjahrsferien. Dreimal schon hatte Sprotte geträumt, dass sie in einer Schule saß, in der sie kein einziges Wort verstand.