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Sie seufzte. Sie machte sich etwas vor. Die Heilige Hochzeit zu feiern bedeutete, dass sie auf der Spitze einer Zikkurat, in dem Tempel, der die Stufenpyramide krönte, vor den Augen einer ganzen Stadt vergewaltigt werden würde.

»Bist du fertig?« Der schwere Filzvorhang am Eingang ihrer Jurte wurde zurückgezogen, und Kurunta trat ein. Er betrachtete sie abschätzend. Wieder fühlte sie sich wie ein Stück Vieh auf dem Markt.

»Das sieht ordentlich aus. So hatte ich mir das vorgestellt.« Er zog eine kleine Silbermünze hinter seinem Gürtel hervor und schnippte sie einer der Dienerinnen zu. »Komm nun, Prinzessin! Draußen wartet dein Reittier auf dich.« Er hielt den Filzvorhang hoch.

Shaya trat ins Freie. Unmittelbar vor der Jurte kniete ein weißes Kamel, das von zwei Sklaven gehalten wurde. Statt eines Sattels war etwas, das an einen kleinen bunten Turm erinnerte, auf seinem Rücken errichtete. Vier vergoldete Pfosten, an ihren oberen Enden durch ein Quergestänge miteinander verbunden, ragten über den Höckern in die Höhe. Zwischen den Pfosten war schwarzer, mit Weiß und Gold bestickter Stoff aufgespannt, der Pfauen in einem Palmengarten zeigte.

»Ich kann reiten …« Shayas Stimme war kraftlos.

»Und das zähle ich nicht zu deinen Vorzügen«, entgegnete Kurunta gallig. »Unter euch Barbaren mag das ja ein Vorzug sein, aber in zivilisierten Gegenden empfindet man den Anblick einer Frau, die breitbeinig auf einem Pferd sitzt, als überaus anstößig.«

Widerwillig stieg Shaya auf das Kamel. Sie wollte den Wandernden Hof so schnell wie möglich hinter sich lassen. Jetzt würde sie noch keinen Widerstand leisten. Aber wenn sie erst einmal draußen im Grasland waren, sollte sie dieser hässliche Fettwanst kennenlernen. Was konnte er ihr schon tun! Er musste sie unversehrt zu seinem Herrscher bringen. Das konnte sie gegen ihn einsetzen.

»Bindet sie!«, befahl Kurunta.

Die beiden Sklaven packten ihre Handgelenke, kaum dass sie sich auf dem Kamel niedergelassen hatte, und banden sie an den vergoldeten Holzpfosten fest. Shaya trat nach ihnen, doch geschah alles zu schnell. Sie war gefesselt, ehe sie es sich versah.

»Was soll das, Kurunta? Hast du vergessen, was ich bin? Ich werde dich auspeitschen lassen, sobald wir den Hof des Unsterblichen Muwatta erreichen.«

»Ich weiß vor allem, was du bist, Prinzessin. Ein Stück Fleisch … Der Unsterbliche Muwatta sieht in dir unbegreiflicherweise einen Leckerbissen, aber ich glaube kaum, dass du mehr sein wirst als das Mahl einer einzigen Nacht. Ich hingegen genieße seit vielen Jahren das Vertrauen meines Herrschers. Spar dir deinen Atem, Shaya. Ich habe mir sagen lassen, dass es in so einem Gefängnis aus kostbaren Stoffen sehr stickig werden kann.«

Wütend zerrte sie an ihren Fesseln. Die Stangen wackelten zwar, gaben aber nicht nach. Plötzlich wurde sie nach vorne geschleudert. Das Kamel erhob sich.

»Vorwärts!«, rief Kurunta mit befehlsgewohnter Stimme. »Wir haben schon zu viel Zeit verloren. Bis zum Abend werden wir keine Rast mehr einlegen.«

Shaya traute ihren Ohren nicht. »Was … was geschieht, wenn ich …«

»Wenn du pissen musst? Ich versichere dir, es stört das Kamel nicht, wenn du nicht an dich halten kannst. Tu dir also keinen Zwang an, Prinzessin. Ich habe eine Dienerin mitgenommen, die dich abends waschen wird. Und wir haben genügend Kleider für dich. Wegen solcher Kleinigkeiten wird die Karawane nicht anhalten. Du hast unsere Reise schon genug verzögert.«

Shaya malte sich in Gedanken aus, wie sie diesen fetten Drecksack erwürgte. Ganz langsam. Wie sein verbranntes Gesicht noch röter wurde. Seine kalten Augen aus den Höhlen hervorquollen und ihm die Zunge aus dem Maul hing.

Kurunta rief nach seinem Pferd und ließ sich von den beiden Sklaven, die sie gefesselt hatten, beim Aufsitzen helfen. Ihr Kamel setzte sich in Bewegung, und sie schlossen sich der kleinen Karawane an, die sich ganz in der Nähe auf dem Hammelmarkt versammelt hatte. Von dort zogen sie gen Westen. Shaya konnte durch den bestickten Stoff der Vorhänge kaum etwas sehen. Dunkler Stoff. Welcher Dummkopf hatte sich das ausgedacht! Was für … Nein, das war keine Dummheit, sondern Absicht, wurde ihr klar. Das niedrige Dach ihres Gefängnisses aus Stoff war sogar ganz schwarz. Die Hitze würde sich hier drinnen stauen und die Reise zu einer einzigen Tortur machen. Schon jetzt war es warm, und der Morgen war noch jung. Zur Mittagsstunde würde jeder Atemzug hier drinnen zur Qual werden.

Aber sie würde sich keine Blöße geben. Sie würde weder um Wasser betteln noch darum, dass sie befreit wurde, um ihre Notdurft zu verrichten. Sie war eine Ischkuzaia, ein Kind des weiten Graslandes. Sie würde die Härten der Reise ertragen. Besser als dieser fette Luwier, der glaubte, er könne in diesem Gefängnis ihren Willen brechen.

Shaya dachte an die Zwillingsmonde von Nangog. Sie versuchte alles um sie herum zu vergessen. Rief sich Aaron in Erinnerung und die Nacht, in der sie für ihn getanzt hatte. Ihr Körper wiegte sich sanft im Rhythmus der Schritte des Kamels. Sie versuchte sich vorzustellen, wie sie im gleichen Rhythmus auf dem Rücken des Wolkenfängers auf und nieder sprang, getragen von einer Melodie aus ihrer Kindheit, als sie für ihren Vater auf der Trommel tanzte. Sie glitt tiefer in die Trance, konnte Aarons Atem auf ihrem Gesicht spüren, der dicht vor ihr tanzte, und entfloh ihrem Gefängnis, so wie Shen Yi Miao Shou es sie gelehrt hatte.

Shaya hielt bis zum Abend durch. Ihr Kopf fühlte sich an, als hätten sich Hunderte der großen, schillernden Aasfliegen darin eingenistet. Ihre Zunge war geschwollen, ihre Lippen gerissen, aber sie hatte nicht um Wasser gebeten. Sie war so schwach, dass sie sich auf die Dienerin stützen musste, um zu ihrer Jurte zu gehen. Kurunta beobachtete sie dabei, kam aber nicht zu ihr herüber. Es würde also am nächsten Tag so weitergehen, dachte Shaya.

Sie duckte sich durch den Eingang und ließ sich erschöpft auf das vorbereitete Lager sinken. Ihre Seidengewänder waren mit dem Salz des getrockneten Schweißes auf ihrer Haut verbacken. Beim Versuch, sie auszuziehen, zerriss das Hemd, das sie unter dem Kleid getragen hatte.

»Ihr müsst etwas essen, Herrin.«

Shaya richtete den Blick auf die Dienerin. Die Prinzessin kannte die kleine, drahtige Frau nicht. Sie stand auf der Schwelle zum Alter. Erste Silbersträhnen schimmerten in ihrem Haar. Ihre Zähne waren fleckig, und die Falten, die im Kranz um ihre Augen lagen, waren so tief, dass sich an ihrem Grund der dunkle Staub des Graslands abgesetzt hatte.

Shaya wollte sie fortschicken, aber ihre geschwollene Zunge gehorchte ihrem Willen nicht mehr. Sie schaffte es lediglich, leicht die Lippen zu öffnen.

»Ich lasse ein frisch geschlachtetes Huhn für Euch kochen, Herrin. Mit viel Salz. Ich werde Euch später die Brühe bringen. Ihr dürft jetzt noch nicht trinken. Ich träufele nur ein wenig Wasser mit einem Tuch auf Eure Lippen.«

Shaya war zu erschöpft, um sich zu bedanken. Sie ließ es einfach geschehen.

Behutsam flößte die Dienerin ihr Wasser ein und tupfte ihr das Gesicht ab. Sehr langsam kehrten ihre Lebensgeister zurück.

»Kurunta ist ein böser Mann«, flüsterte die Dienerin und hielt dabei ihre Augen fest auf den Eingang zur Jurte gerichtet. »Es macht ihm Freude, Frauen zu quälen. Ich musste das schon oft mit ansehen. Er hat meine Tochter …« Sie presste die Lippen zusammen, und ihr Gesicht wurde eine Grimasse des Schmerzes. Die Dienerin ließ das feuchte Tuch sinken. Sie atmete schwer, erhob sich und verließ eilig die Jurte.