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Kurz spielte ein Lächeln um Kuruntas Lippen. »Ich bin mir sicher, dass sich die Notwendigkeit ergeben wird. Doch sollte sie am Tag ihrer Hochzeit nicht mit blauen Flecken und Striemen bedeckt sein. Du kennst die Vorlieben des Unsterblichen.«

Shaya fragte sich, wovon die beiden sprachen und was sie auf der Zikkurat erwartete.

Die Mutter der Mütter schürzte ihre Lippen. »In den letzten Jahren bevorzugte er Mädchen mit einer Haut so weiß wie Stutenmilch.« Sie bedachte Shaya mit einem abfälligen Blick. »Ich verstehe nicht, was er an diesem Barbarenmädchen findet. Es geht um ein Bündnis, nehme ich an.«

Kurunta hob in zweifelnder Geste die Hände. »Die Wege der Unsterblichen sind unergründlich.«

Tabitha trat nun dicht vor sie. »Sie stinkt«, sagte sie ärgerlich, wobei Shaya ihren säuerlichen Atem roch. »Und sie sieht nicht gut aus. Was ist mit ihren Lippen geschehen?«

Kurunta seufzte. »Sie hat sich geweigert zu trinken. Ich sagte ja schon, sie hat noch nicht begriffen, welche Ehre ihr dadurch zuteilwurde, dass der Erzkönig sie erwählte.«

Ihre künftige Aufseherin kniff sie in die Arme, den Bauch und den Hintern. »Ihr Fleisch ist zu fest. Das können wir in der kurzen Zeit nicht mehr ändern. Und warum redet sie nicht? Hat sie keine Zunge?« Die Augen Tabithas weiteten sich vor Schrecken. »Jetzt sag mir nicht, dass dieses Unweib auch noch stumm ist!«

Kurunta winkte ab. »Nur störrisch, Mutter der Mütter. Doch bitte verzeih, ich muss mich nun zurückziehen, bevor sich das Tor wieder schließt. Es steht mir nicht zu, die Kräfte des Silbernen Löwen über Gebühr zu beanspruchen.«

Die Priesterin bedachte Kurunta nur mit einem flüchtigen Blick. »Ich wünsche dir eine gute Reise und einen sicheren Tritt auf den Goldenen Pfaden.« Sie bohrte ihren Zeigefinger in Shayas Kinn und zwang ihren Kopf hoch. »Du klug, Mädchen?« Sie betonte jedes Wort übermäßig und sprach sehr langsam. »Dann gut gehorchen. Gut dienen machen!«

»Obwohl ich eure Sprache so schroff und kalt wie eure Berge finde, habe ich mich der Mühe unterzogen, sie zu erlernen, werte Großmutter. Das ist übrigens das Wort, das man in meiner Sprache für die Mutter einer Mutter benutzt.«

Zwei steile Falten stachen über Tabithas Nasenwurzel empor. »Du schätzt also das offene Wort, Prinzessin. Dann lass dir sagen, dass man eine wie dich in unserer Sprache Hure nennt. Ein Weib, das sich vor aller Augen nehmen lässt, eine Geliebte für eine einzige Nacht. Mehr wird es nicht werden, das kann ich dir versprechen, kleines Flittchen. Und solltest du kein Kind empfangen, werde ich drei Schritt neben dir stehen, wenn man dir die Kehle durchschneidet, um mit deinem Blut die Götter zu besänftigen und um Fruchtbarkeit für unsere Äcker zu bitten.«

Shaya hatte ein Gefühl, als wachse eine Kugel aus Eis in ihren Gedärmen. Jedes dieser Worte war wahr. Sie wusste es, auch wenn nie jemand in dieser Deutlichkeit mit ihr darüber gesprochen hatte.

»Da steht sie nun, unsere scharfzüngige Barbarin, und glotzt wie ein Fisch auf dem Schlachtbrett.« Tabitha winkte den Frauen. »Kommt und versetzt ihr ein paar Hiebe, damit ihr meine Worte auch in Erinnerung bleiben und sie die Demut lernt, die eine Hure zeigen sollte, der es gestattet wird, unter Priesterinnen zu leben.«

Die Priesterinnen gehorchten der Mutter der Mütter ohne einen Augenblick des Zögerns. Eine junge, pausbäckige Frau war die Erste, die an sie herantrat und ihr einen zögerlichen Schlag mit der flachen Hand versetzte.

»Du sollst sie nicht streicheln, Kara. Es geht darum, sie zu bestrafen, um sie auf den Weg der Demut zu führen. Malnigal, komm her und zeige ihr, was ich meine. Zwing sie auf die Knie!«

Eine kräftige Priesterin mit einem weißen Eschenstab löste sich aus der Gruppe. Ihr stand die Vorfreude auf das Kommende in die Augen geschrieben. »Knien soll die Barbarenhure?« Ihre Stimme klang so grotesk hoch, dass Shaya unwillkürlich lächeln musste. Ihre Stimme passte ganz und gar nicht zu diesem Weib, das aussah, als könne es einen Ochsen in die Knie zwingen.

»Du darfst ihr nur nicht ins Gesicht schlagen, Malnigal. Schließlich wollen wir nicht das letzte bisschen Schönheit dieser Schlampe zerstören.«

Die Priesterin ließ spielerisch ihren Eschenstab herumwirbeln, dann holte sie aus. Mitten im Schwung packte Shaya ihr Handgelenk, nutzte die Kraft der Bewegung, um sie gegen Malnigal zu wenden und ihr Handgelenk zu verdrehen, bis es mit einem trockenen Krachen brach.

Shaya nahm den Stab aus der kraftlosen Hand und stieß mit seinem Ende leicht gegen Tabithas Brust, die erschrocken vor ihr zurückwich. »Hört mir alle gut zu, denn ich sage dies nur ein Mal.« Sie hatte ihre Stimme erhoben und sprach im gleichen Tonfall, in dem sie inmitten von Schlachtenlärm ihren Kriegern Befehle zugerufen hatte. »Kurunta hat vergessen, euch einige Dinge über mich zu sagen. Ich bin eine Kriegerprinzessin. Ich habe in sieben großen Schlachten gekämpft und in Dutzenden Scharmützeln. Ich habe Männern die Kehlen aufgeschlitzt, ihnen meinen Speer in die Eingeweide gerammt und mit meiner Dornaxt ihre Schädel aufgeschlagen wie gekochte Hühnereier.« Sie ließ ihren Blick von Priesterin zu Priesterin wandern. »Ich sehe hier niemanden, den ich nicht mit bloßen Händen töten könnte. Ich bin mehr Barbarin, als ihr euch vorzustellen vermögt. Ich habe die Herzen tapferer Männer gegessen und aus ihren Hirnschalen Kelche machen lassen, aus denen ich vergorene Stutenmilch trank. Ich bin hier, weil es der Wille zweier Unsterblicher ist, und dem füge ich mich. Nicht fügen werde ich mich euch. Ihr folgt meinen Regeln.«

Shaya deutete mit dem Eschenstab zu den weißen Häusern hinauf. »Ich bewohne ein Haus für mich allein. Niemand nähert sich diesem Haus, ohne von mir gerufen worden zu sein. Niemand wagt es, von hinten an mich heranzutreten. Wer sich daran nicht hält, den betrachte ich als Meuchler, und ich werde ihm einen langen Tod schenken. Niemand spricht mich an, ohne dazu aufgefordert zu sein. Ich werde euer Leben als Betschwestern nicht stören. Stört auch meinen Frieden nicht, und ihr werdet noch leben, wenn ich den Tag der Himmlischen Hochzeit begehe.«

Priesterträume

Die Apsara hatte sie nicht darauf vorbereitet, was geschehen würde, wenn sie ein Band aus Fleisch mit einem Menschensohn knüpfte, dachte Ikuška. Nun war es zu spät! Sie hatte Teil an allem. Alle Erinnerungen und Gefühle des Menschensohns lagen offen vor ihr. Barnaba war kein schlechter Mann, auch wenn sie die Anlage, Böses zu tun, deutlich in ihm spürte. Da war ein unbändiger Hass auf den Unsterblichen Aaron, der sein Leben zerstört hatte, wie er wähnte. Wie sehr er selbst daran mitgewirkt hatte, indem er sich ganz und gar dem Hohepriester Abir Ataš verschrieben hatte, vermochte Barnaba nicht zu erkennen.

Der junge Priester war ihr ein Rätsel. Sie wusste von der Begegnung mit dem Steuermann, der ihm von der Xana erzählt hatte. Dieser eine Nachmittag hatte das Leben Barnabas geprägt. Die Geschichte war dem Jungen nie mehr aus dem Kopf gegangen. Er hatte sich nie in eine Menschentochter verliebt und stets davon geträumt, einer Xana zu begegnen. Obwohl er sie als Priester hätte verfolgen und töten müssen, wusste Ikuška, dass er das niemals tun würde. Dabei hatte er sich ganz und gar den Idealen der Priester verschrieben. Er war ein Mann voller Widersprüche!

Zärtlich strich sie über seine Brust. Barnaba war ausgezehrt. Er war nicht für ein Leben in der Wildnis geschaffen, auch wenn er sich das wohl selbst nicht eingestehen würde. Er verfügte über eine bemerkenswerte Sturheit, die es ihm erlaubte, einen einmal gewählten Weg beizubehalten, selbst wenn er an die Grenzen seiner körperlichen Möglichkeiten stieß. Er wäre ein bedeutender Mann geworden, wenn er am Hofe des Unsterblichen Aaron geblieben wäre.

Nachdenklich betrachtete sie das schmale, asketische Gesicht des Priesters. Es war erstaunlich, wie viele Haare den Menschensöhnen sprossen und an welchen Stellen. Sie lächelte versonnen. Sie hatte seinen Körper erkundet, äußerlich wie innerlich. Wenn sie sich tief in Gedanken versenkte und in ihn hineinfühlte, spürte sie, wie der Muskel seines Herzens arbeitete, sie konnte sehen, wie die Leber sein Blut reinigte, wie seine Wunden heilten. Er genas nur sehr langsam von seinen Verletzungen. Hätte sie nicht das Band aus Fleisch geknüpft, er wäre längst tot. Als sie es tat, war es vor allem Eigennutz gewesen, der sie bewegte. Sie hatte der Einsamkeit entfliehen wollen. Zu lange lebte sie schon hier, und sie wagte sich nicht fort, denn fern ihrer Quelle würde sie sich mit einem Schutzzauber umhüllen müssen, damit ihre empfindliche Haut nicht unter den Strahlen der unbarmherzigen Sonne verdorrte. Jeder Zauber aber war ein Risiko! Wer über das Verborgene Auge verfügte, würde erkennen, was sie war. Eine heimatlose Seherin, die vor ihrer Gabe und den Himmelsschlangen geflohen war. Eine Fremde in der Welt der Devanthar und Menschenkinder. Sie würden sie hier nicht dulden, wenn sie erfuhren, wo sie war.