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Zärtlich küsste sie die Stirn der Toten. »Du hast mir gezeigt, wie groß und wunderbar unsere Welt ist, ohne dass wir dafür auch nur unser Zelt verlassen hätten. Das werde ich dir nie vergessen.« Ein Wort der Macht brach den Zauber, ließ die dunkle Macht zu ihrem Ursprung zurückschnellen. Sie hörte einen erschrockenen Schrei.

Kalte Wut erfasste sie. Sie wollte sich ihren Gefühlen nicht hingeben, wie an jenem Tag, an dem Sayn gestorben war. Aber sie würde die Trolle dafür büßen lassen, was sie Elleyna angetan hatten.

»Du also bist Nandalieh.«

Einer der Trolle sprach elfisch! Zwar mit starkem Akzent, aber doch verständlich. Verblüfft blickte sie zum Rand der Felsmulde hinauf. Sie vermochte nur Schatten zu erkennen. Große Schatten!

»Wir sind vor deinem Überfall gewarnt worden.«

Nandalee meinte eine Spur Häme aus der Stimme herauszuhören, die sich so sehr mit dem Elfischen abmühte.

»Ich wusste, dass du kommen würdest. Ich habe einen starken Jagdzauber gewoben, der dich hierher zurückführen musste. Irgendwann … Du bist kleiner, als ich erwartet hatte. Aber um mit Pfeilen zu töten, braucht man weder Mut noch Kraft. Holt sie mir. Lebend!«

Die Schatten stürmten die Felsmulde.

Trolltrauer

Nandalee ging in den tiefen Stand der Schwertmeister und hob ihre Klinge schräg über den Kopf. Das Licht, das von Gonvalons Schwert ausging, war ein wenig heller geworden. Doch immer noch trank es die Farben. Alles, was es der Dunkelheit entriss, sah grau und leblos aus. Sieben Trolle stürmten in die Senke hinab. Sie würden sich gegenseitig bei ihren Angriffen behindern, dachte Nandalee und machte einen Schritt auf den vordersten Angreifer zu. Er war ein bulliges Ungeheuer, das sie um mehrere Haupteslängen überragte. Seine Haut hatte die Farbe von hellem Granit, mit dunklen Einsprengseln. Schmucknarben, die wohl einen stilisierten Wolfskopf darstellen sollten, bedeckten Bauch und Brust ihres Angreifers. Wenn sie ihm Glück bringen sollten, hatte ihr Zauber versagt. Sie unterlief seinen Keulenhieb und zog ihm die Klinge über den fettglänzenden Bauch. Als er zurücktaumelte, quollen ihm die Eingeweide aus dem Leib, und er brachte zwei seiner Gefährten zu Fall.

Nandalee setzte nach, hechtete zwischen den Beinen eines Angreifers hindurch und hieb ihm im Aufstehen das Schwert in die Kniebeuge. Die Trolle waren ungelenke Geschöpfe, mit zu langen Armen und kurzen, muskulösen Beinen. Kein Haar wuchs auf ihren Körpern, und sie trugen kaum Kleidung, allenfalls einen Lendenschurz oder ein Fell, um die Hüften geschlungen. Viele hatten sich mit Ruß bemalt. Muster aus Streifen und Punkten bedeckten Arme und Beine. Geschwärzte Lider ließen ihre Augen riesig erscheinen. Ihre Münder erinnerten an kurze Hundeschnauzen und ragten leicht aus dem Profil des Kopfes hervor.

Eine Steinaxt sauste nieder. Sie wich seitlich aus, gerade so weit, dass sie der Hieb verfehlte, dann stieß sie dem Angreifer das Schwert in den Bauch. Sie wollte den Troll, der zu ihr gesprochen hatte, den König. Wenn sie ihn tötete, dann wäre die Blutfehde endlich beendet.

»Wie viele deiner Krieger willst du für dich sterben lassen?«, schrie sie und wich einem Fausthieb aus, der ihr die Rippen hätte zerschmettern können. Sie wiederholte die Worte in der Sprache der Trolle. Ungelenk. Kein Elf war in der Lage, diese Laute nachzuahmen, die sie eine Sprache nannten.

Sie spürte einen Angreifer hinter sich, ließ sich zu Boden fallen und rollte zur Seite. Ein Troll versuchte nach ihr zu treten. Ihre Klinge schnellte vor. Er verlor drei Zehen.

»Komm hier herunter und kämpf mit mir allein, wenn du ein Krieger bist!« Diesmal bediente sie sich gleich der Sprache der Trolle. Alle sollten es hören. Sie wollte, dass dieser König all sein Ansehen verlor. Seine tumben Gefolgsleute sollten klar erkennen, dass er ein Feigling war. Das musste auch in ihre dicken Schädel gehen.

Ihr Schwertgriff war rutschig vom Blut geworden. Sie wechselte aus dem beidhändigen Griff nach links, duckte sich und drückte ihre Rechte in einen Sandstreifen am Rand der Mulde.

»Zurück!«, rief der Trollkönig. »Zurück! Sie hat einen Daimon in sich!«

»Diesen Daimon habt ihr beschworen, als ihr meine Sippe gemordet habt! Gebt die Meinen heraus! Das ist der einzige Weg, mich zu bannen.«

»Steine! Werft Steine nach ihr! Aber tötet sie nicht.«

Hastig gehorchten seine Krieger. Sie zogen sich zurück. Doch Nandalee blieb an ihrer Seite. Löse dich nicht von einem fliehenden Feind, bis er endgültig geschlagen ist. Der Satz ging ihr durch den Kopf. Eine der zahllosen Kriegsweisheiten, die ihr in der Weißen Halle eingetrichtert worden waren. Sie hieb nach den Trollen, ihr Schwert zerteilte Fleisch, spaltete Knochen. Schreckensschreie begleiteten jeden ihrer Hiebe. Wer in ihrer Nähe war, versuchte auszuweichen. Gleichzeitig formierten die Trolle sich in ihrem Rücken neu.

Ein Stein verfehlte sie und traf einen Troll neben ihr. Gonvalons leuchtende Klinge wob tödliche Runen in die Luft. Sie zuckte auf und nieder, stieß vor.

»Erschlagt sie!«

»Wo steckt der Schwertdaimon?«

»Kämpft, ihr Feiglinge!«

Sie schrien durcheinander.

Nandalee wich einem Speerstoß aus. Ein rascher Hieb kappte die steinerne Spitze vom Schaft. Ein Keulenhieb verpasste sie. Zu knapp! Sie verlor ihre innere Ruhe! Klirrend lenkte sie mit der Klinge einen Stein ab, der fast ihren Kopf getroffen hätte. Riesige Hände griffen nach ihr und zuckten wieder zurück, als zwei Fingerkuppen zu Boden purzelten.

Sie trat in eine Pfütze aus Blut und rutschte leicht zur Seite. Der Speer ohne Spitze stach erneut nach ihr. Sie warf sich herum, rutschte weiter, schlitterte ein Stück in die Senke zurück und wurde von einem Stein in den Rücken getroffen. Pfeifend wich ihr die Luft aus den Lungen. Sie duckte sich unter einem Keulenhieb, vermochte einem Tritt aber nicht mehr auszuweichen. Noch im Fallen ließ sie das Schwert in blitzendem Kreis um sich wirbeln. Eine Hand packte ihr Haar und schlug ihren Kopf auf den Boden. Nandalee stach ihre Klinge in eine Wade, dann wurde ihr Arm herabgedrückt. Ein schwerer Fuß presste ihn auf den Felsboden.

»Bringt sie nicht um! Sie gehört mir!«

Nandalee wurde emporgerissen. Etwas Stumpfes schlug auf ihre Schwerthand. Sie spürte, wie Knochen brachen. Die Waffe entglitt ihr. Wieder wurde an ihrem Haar gezerrt. Ihr Kopf ruckte hart zur Seite, schlug gegen einen eingefetteten Wanst.

Ein Troll schwang grinsend eine goldene Haarsträhne vor ihrem Gesicht, an dem ein blutiger Fetzen ihrer Kopfhaut hing.

»Genug! Ihr bekommt alle etwas von ihr! Später.«

»Ich will ihre Schwerthand«, tönte eine schmerzverzerrte Stimme. »Sie hat zwei Finger von meiner guten Hand abgeschlagen.«

»Ich will ihre Augen. Ich will …«

»Zurück! Keiner von euch wird einen Lappen ihres Fleisches bekommen, wenn ihr nicht gehorcht. Sie hat euch alle beschämt! Ein Elfenweibchen, das hierherkam in meinen Königssitz und so viele von euch verletzte!« Ein breites Gesicht beugte sich über sie. Ein Schwerthieb hatte vor langer Zeit die Oberlippe des Trolls zerteilt und ihn einen seiner Reißzähne gekostet. Wucherungen bedeckten seine Wangen. Beulen aus Fleisch, die an große Tränen erinnerten. Seine Nüstern wölbten sich. Er schnupperte an ihr, nahm Witterung auf.

»Das also ist dein Geruch. Hast gut gekämpft. Das beruhigt mich. Es macht Schande, von einem Weibchen getötet zu werden. Mit der Waffe der Feiglinge. Dem Tod, der auf dem Wind reitet. Du hättest ihn auch mit dem langen Lichtmesser besiegt. Warum nicht?«

Er würde nicht verstehen, warum sie seinen Sohn getötet hatte. Dass der einzige Grund ihr Jähzorn gewesen war und der Zufall, dass ein ungezielt geschossener Pfeil das Auge des Trolls durchbohrt hatte.

Einer der Krieger versetzte ihr einen Tritt. »Rede!«

»Lasst sie. Bringt sie zum Fressplatz und macht Feuer.«