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Um sie herum schloss sich eine Mauer aus grauem Fleisch. Die Trommeln der Trolle hatten aufgehört zu schlagen. Hasserfüllt starrten die Hünen sie an. Es waren Hunderte. Ganz gleich, wohin sie blickte. Überall hoben Trolle Keulen, Steinmesser und Speere.

»Lasst uns ziehen, und ich schenke euch eure Leben.« Gonvalon sagte das mit einer Gelassenheit, die beunruhigender wirkte als Drohungen oder Geschrei. Einige Trolle wichen tatsächlich vor ihm zurück.

»Ihr ängstlichen Welpen!«, ereiferte sich die Schamanin. »Das ist nur ein Elf. Ein einziger Elf! Zerreißt ihn!«

Gonvalon ließ sie auf den Stein zurücksinken, dann sprang er ohne Hast hinab und ging der Schamanin entgegen.

»Tötet ihn!« Das blinde Weib zeigte mit seinen gichtkrummen Fingern auf den Elfen. »Los!«

Einzelne Steine wurden geworfen. Gonvalon wurde getroffen, ignorierte es aber einfach. Ja, es kam Nandalee so vor, als prallten die Steine völlig wirkungslos von ihm ab, als sei er selbst aus Stein gemacht. Dabei bewegte er sich mit der zielstrebigen Eleganz einer Raubkatze auf der Pirsch.

Zwei Trolle mit Speeren stürmten Gonvalon entgegen, um ihn aufzuhalten. Ein Schwerthieb wie ein Blitzschlag kappte die Steinspitzen von den armdicken Schäften, sodass sie durch die Luft wirbelten. In fließender Bewegung traf die Klinge mit einem Rückhandhieb den linken Troll und öffnete ihm mit einem wuchtigen Schlag den Brustkorb. Ohne an Kraft verloren zu haben, glitt das Schwert höher und durchtrennte dem zweiten Krieger die Kehle. Dabei hatte Gonvalon nicht einen Augenblick innegehalten. Immer noch ging er zielstrebig der Schamanin entgegen.

Nandalee wurde von hinten gepackt und an einen nach ranzigem Fett stinkenden Leib gezogen. Sie hätte aufschreien und sich dem Griff entwinden sollen, doch sie vermochte den Blick nicht von Gonvalon zu wenden, ganz als sei sie durch Zauberbann an den blonden Elfenkrieger gefesselt.

Gonvalon fing eine der abgetrennten Speerspitzen im Flug, wirbelte auf dem Absatz herum und schleuderte ihr das steinerne Stichblatt entgegen. Die Waffe verfehlte sie nur um eine Handbreit. Ein kehliges Röcheln erklang hinter ihr. Die Hand, die sie gepackt hatte, sank herab. Sie konnte spüren, wie der Leib, an den sie gepresst worden war, erschlaffte. Gonvalon hatte sich bereits wieder der Schamanin zugewandt. Obwohl Hunderte Trolle in der weiten Grotte versammelt waren, war es totenstill geworden.

Die blinde Vettel wich vor Gonvalon zurück. Sie packte die Krieger, die rechts und links von ihr standen, und sprach dabei ein Wort der Macht. Es war ein kurzer, harter Laut.

Gonvalon hatte die Schamanin fast erreicht, als sie ihr Maul weit aufriss und schwarzer Nebel daraus hervorquoll. Gleichzeitig veränderten sich die beiden Trollkrieger, die sie gepackt hielt. Ihre Haut schrumpelte, sah bald aus wie die Haut eines alten Apfels. Sie sackten in sich zusammen. Das Fleisch schmolz ihnen von den Knochen, ihre Augen sanken tief in den Schädel zurück und wurden zu dunklen Löchern.

Todbringer schnellte vor. Die lange Klinge des Bidenhänders zerteilte den Nebel, und unstetes Licht flackerte um den Stahl wie fernes Wetterleuchten in einer schwülen Sommernacht. Die Alte stieß einen hohen, erschreckten Schrei aus. Gonvalon trennte mit einem einzigen, eleganten Hieb ihren Kopf vom Rumpf. Er packte ihn bei einem der Ohren und hielt ihn hoch, sodass alle Trolle ihn sehen konnten.

»Gibt es hier noch jemanden, der glaubt, er könne mich aufhalten? Ich habe den Immerwinterwurm erschlagen, und eure Schamanin vermochte mich nicht aufzuhalten. Gibt es jemanden, der es versuchen will? Ich bin ein Drachenelf. Ich bin der fleischgewordene Zorn der Himmelsschlangen. Wer will mich herausfordern?«

Nie war er ihr so unüberwindlich erschienen. Gonvalon schien von innen heraus zu strahlen. Er war nicht einfach nur ein Elf mit einem Schwert. Was er gesagt hatte, war wahr. Er verkörperte den Zorn der Himmelsschlangen.

Achtlos schleuderte er den Kopf der Schamanin zur Seite und ging zum Opferstein zurück, ohne sich noch einmal umzuschauen. Er streckte ihr die Hand entgegen. »Komm, Nandalee, wir gehen.«

Als er sie berührte, durchflutete sie ein Abglanz seiner Kraft. Sie wollte ihn umarmen, küssen, ihn lieben, aber sie wusste, dass sie noch nicht außer Gefahr waren. Sollten die Trolle ihren Mut wiedererlangen und alle gemeinsam angreifen, würde Gonvalon all seine Schwertkunst nichts mehr nutzen. Die schiere Masse der Feinde würde am Ende auch ihn besiegen. Sie mussten den Augenblick des Schreckens und der Verwirrung nutzen, um zu fliehen.

Doch Gonvalon schien keine Eile zu haben. Er half ihr liebevoll auf und stützte sie. »Bringt meiner Geliebten ihr Schwert zurück«, forderte er mit einer Stimme, in der die Gelassenheit vollkommener Macht mitschwang. Nandalee war erstaunt, wie sehr er sich verstellen konnte. Oder war das einfach nur eine Seite, die sie noch nie an ihm gesehen hatte? Hätte er so auch auf Nangog gehandelt, wenn Bidayn nicht beschlossen hätte, ihnen den Weg freizukämpfen?

In die Trolle kam Bewegung. Es wurde getuschelt. Nandalee glaubte Bromgars Stimme zu erkennen.

Sie lehnte sich an Gonvalon und fühlte sich einfach nur glücklich. Es war absurd, das wusste sie in einem fernen Winkel ihres Hirns, denn sie waren der Gefahr noch nicht entkommen, aber ihr Gefühl entzog sich jeglicher Vernunft. Es war einfach wunderbar, dem Tod entronnen und wieder mit Gonvalon vereint zu sein.

Ein Troll trat aus der Reihe der Gaffer. Er hielt das verlorene Schwert auf eine Art, als sei es ihm unangenehm, die Waffe zu berühren. Vorsichtig legte er die Klinge auf den Boden und zog sich hastig in die Sicherheit der Menge zurück.

»Glaubst du, du kannst es tragen?«

Seine Fürsorge rührte sie, aber diese Frage war schon ein wenig übertrieben. Sie hob die Waffe auf. Es war gut, wieder eine Klinge in der Hand zu halten. Nandalee verdrängte die Erinnerung an Demütigung und Misshandlung. Herausfordernd blickte sie die Trolle an. Kalte Blicke begegneten ihr und machten ihr deutlich, dass nicht sie es war, die den Hofstaat im Zaum hielt.

»Gehen wir«, sagte Gonvalon leichthin, als würden sie ein Sommerfest an einem der Fürstenhöfe Arkadiens verlassen.

In dem Wall aus grauen Leibern bildete sich eine Gasse. Weiter hinten, wo man sie beide nicht sah, begann es zu rumoren. Stimmen wurden laut. Der Bann drohte zu brechen, doch Gonvalon beschleunigte nicht etwa seinen Schritt, er lächelte die Trolle an. Und so unfassbar es war, einige lächelten zurück, als seien auch sie durch seinen Glanz geblendet.

Endlich erreichten sie den Eingang eines Tunnels, der sie tiefer in den Berg führen würde. Gonvalon setzte die Spitze von Todbringer auf den gewachsenen Fels und zog knirschend eine dünne Linie auf dem Boden. »Wer diese Linie vor dem Morgengrauen überschreitet, um uns zu folgen, der wird sterben.« Mit diesen Worten wandte er sich ab und ging weiter in die Dunkelheit. Dabei hielt er Nandalee bei der Hand. Sie fühlte sich geborgen wie an der Hand eines Vaters. Er schien ihr unüberwindlich, viel mächtiger, als er sich ihr je gezeigt hatte. Gonvalon hatte es nicht nötig, Zauber zu weben. Er war der Schwertmeister Albenmarks, der beste Fechter, den ihre Welt je gesehen hatte. Sie war unendlich stolz auf ihn. Und sie begehrte ihn wie nie zuvor.

Sie waren noch nicht lange gegangen, als sich der Tunnel gabelte. Gonvalon führte sie nach links in einen Gang, der steil abwärts führte. Nandalee war verwirrt. »Wollen wir nicht zu Cullayn und Tylwyth?«

»Wir werden die Trolle ein wenig in die Irre führen und von unserer Spur abbringen.«

Nandalee räusperte sich verlegen. »Sie … ähm … Sie werden unserer Witterung folgen. Was in meinem Fall wohl nicht sonderlich schwer sein wird.«

Er wandte sich zu ihr um, und obwohl er nicht mehr als ein Schattenriss im Dunkel des Tunnels war, wusste sie, dass er sie anlächelte. Sie konnte es spüren, und ein geradezu euphorisches Glücksgefühl ergriff sie. Sie war dem Tod entronnen, und an ihrer Seite war ein Mann, der alles für sie wagte.