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Der Bauer nahm den Henkelbecher mit beiden Händen. Er wusste, dass er jetzt nicht zögern durfte, auch wenn ihm die Klumpen in dem Wein nicht ganz geheuer waren. »Auf die Helden, die gegangen sind, und jene, die noch kommen werden.« Bei ihm hörte sich das leider nicht halb so feierlich an wie bei dem Barbaren.

Narek setzte den Kantharos an die Lippen und trank. Das Gefäß war kühl! Der Wein, der durch seine Gurgel rann, eisig. Fast hätte er sich verschluckt.

Der Hauptmann lächelte. »Ist sich Schnee von den Bergen.« Er deutete auf die hohen Gipfel im Nordosten. »Und Quellwasser. Kommt sich von Quelle, hoch wie Wolken schlafen.«

Narek blickte in den Henkelbecher und tippte einen der Klumpen an, die darin trieben. Schnee! Eigentlich gar kein schlechter Einfall an so einem heißen Tag. Daron würde ganz schön staunen, wenn er ihm die Geschichte erzählte, dass ein Barbarenfürst an einem heißen Tag Schnee aus den Bergen hatte holen lassen, um mit ihm kühlen Wein zu trinken. Er lächelte. Und Rahel würde mit ihm maulen, weil er dem Jungen eine Geschichte über ein Saufgelage erzählte. Narek seufzte. Er vermisste die beiden.

»Nicht gut?«

»Der beste Wein, den ich je getrunken habe«, beteuerte Narek eilig. Er schmeckte süß. Sogar ein wenig nach Honig. »Ich … es tut mir leid. Du beschämst mich …«

Der Barbar winkte ab. »Setzen und trinken.«

Narek gehorchte. Mochten die Götter diesen Wilden verstehen! Vielleicht hatte Volodi kein anderes Wort für Mädchen gewusst als Huren. Er beherrschte ja kaum ihre Sprache. Und er war ein Söldner. Da redete man wohl etwas ruppiger.

Der Hauptmann sagte ihnen nicht, warum er sie nicht gehen ließ. Narek beobachtete seine Kameraden. Obwohl sie tranken und sich faul im Schatten rekelten, konnte er ihre Sorge spüren. Es war, wie Lamgi gesagt hatte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Söldner tranken nicht einfach so mit Bauern.

Lamgi hielt sich immer von den drei Kriegern abgewandt.

Nach einer Weile nickte Narek ein. Dabei hatte er gar nicht so viel von dem Wein getrunken. Selbst mit Wasser verdünnt, machte einem dieser dunkle Rote die Glieder schwer.

Narek döste leicht betrunken im Schatten und beobachtete die drei Söldner. Sie ließen sich von jedem, der das Frauenlager betreten wollte, das Freudengeld zeigen. Außerdem sorgten sie dafür, dass niemand mit Waffen das Lager betrat. Bald stapelte sich eine stattliche Sammlung von Bronzedolchen, Schwertern und Dornäxten unter dem Sonnensegel. Manche gingen lieber fluchend davon, als sich von ihren Waffen zu trennen. Die meisten jedoch fügten sich. Niemand wagte es, sich mit dem Söldnerhauptmann anzulegen.

Der Nachmittag verging, und immer mehr kamen, um die Mädchen zu besuchen. Narek war inzwischen angenehm beschwipst. Ihm war ein wenig schwindelig, aber seine Laune war besser geworden. Es war das erste Mal seit sehr Langem, dass er einen ganzen Nachmittag lang faulenzen konnte. Eigentlich nicht schlecht. Vielleicht war es ein Geschenk der Götter?

Er staunte, wer alles zu den Mädchen ging. Priester, Heilkundige, Bauern, Adlige. Aber wer mochte auch kein gutes Essen oder dass einem nach einem harten Tag der Rücken durchgeknetet wurde?

Jetzt kam ein ganzer Tross aus dem Heerlager, angeführt von einem bärtigen Kerl, dessen langes Gewand über und über mit goldenen Amuletten geschmückt war. Ein Sklave hielt einen Sonnenschirm mit langen Fransen über ihn, obwohl die heißesten Tagesstunden längst vorüber waren. Ein anderer Sklave trug zwei lange Schwerter für ihn. Ein dritter einen Bogen. Schreiber, Höflinge und Krieger begleiteten diesen Fürsten. Sein Bart war mit kostbarem Öl eingerieben. Sein langes Haupthaar wurde von einem roten Stirnband zurückgehalten und war an den Schläfen zu kunstvollen Locken gedreht.

Narek grinste. Die Köchinnen im Frauenlager mussten verdammt gut sein, wenn so ein feiner Herr zu ihnen kam. Der hatte bestimmt einen eigenen Koch aus seinem Palast mitgebracht.

»Was ist hier los?« Der Würdenträger sprach in so herablassendem Tonfall zum Goldhaarigen, als habe er einen Sklaven vor sich.

»Ist sich geschehen ein Mord«, entgegnete der Söldner ein wenig steif. »Müssen sich besser beschützen Hu … Weiber.« Er warf Narek einen kurzen Blick zu.

Der Bauer war verwirrt. Welche Rolle spielte er bei dieser Sache? Was wollte Volodi von ihm?

»Hoffentlich war es keine der Hübschen.« Der Fürst lächelte dünn. »Gibt ohnehin nur wenige Huren in diesem Lager, deren Anblick einem nicht die Lust aus den Lenden saugt.« Er wollte an Volodi vorbei, doch der Hauptmann stellte sich ihm in den Weg.

»Was?«, herrschte der Würdenträger den Söldner an.

Narek fühlte sich schlagartig ein wenig nüchterner. Er rückte in den hintersten Winkel des Sonnensegels zurück. Mit diesem Streit wollte er nichts zu tun haben. Das war ein Fürst! Mit solchen Männern legte man sich nicht an.

»Musst du dich lassen deine Waffen hier, Bessos.« Jetzt war es Volodi, der lächelte. Narek war unbegreiflich, woran der Söldner seinen Spaß hatte.

»Du weißt also, wer ich bin«, sagte der Fürst eisig. Einige seiner Gefolgsleute griffen nach ihren Schwertern. Doch noch wurde keine Klinge gezogen. »Ich bin der Satrap dieses Teils von Garagum. Es ist mein Land, auf dem du stehst. Hier gilt mein Gesetz. Weiche zur Seite, oder dein Leben ist verwirkt!«

»Ich mich richtig verstehe … Für dich gilt sich nicht Befehl von Aaron, Unsterblicher von Aram und Herrscher aller Schwarzköpfe? Und ist mich totmachen deine Absicht, wenn ich mich nicht weiche und Befehl von Aaron ausfolge.«

Der Satrap wurde bleich vor Zorn, gab aber seinen Männern ein Zeichen, die Hände von den Waffen zu nehmen. »Natürlich würde ich mich niemals gegen das Wort des Unsterblichen stellen, obwohl dir allein schon für das, was du unserer Sprache antust, der Kopf abgeschnitten gehörte!«

In Narek wuchs der Ärger. So etwas war also ein Satrap. Ein Mann, für den keine Regeln galten und der glaubte, dass er jeden Aufrechten beleidigen und in den Staub treten konnte. Der Bauer war froh, dass sein Dorf zu unbedeutend war, als dass es dort solche Männer gab. Gleichzeitig empfand er Respekt vor Volodi, der das Gesetz des Unsterblichen durchsetzte und dem Satrapen die Stirn bot.

»Lasst eure Waffen hier«, befahl Bessos seinen Männern. Er griff nach seinem Schwert, zögerte, doch dann zog er die kostbare Klinge und legte sie neben den anderen Waffen in den Sand.

»Auch Dolche«, sagte Volodi, der die Situation sichtlich genoss.

Bessos stieß ein Zischen aus, riss den Dolch aus seinem Gürtel und ließ ihn mit der Spitze voran fallen. Nur zwei Fingerbreit neben dem Fuß des Hauptmanns bohrte er sich in den weichen Sand.

Narek zuckte zusammen. Wie machte das dieser Söldner? Er sah diesem parfümierten Aufschneider unverwandt ins Gesicht. Narek wünschte sich, er könnte auch so kaltblütig bleiben. Er stellte sich vor, wie er mit verschränkten Armen vor seinem Pachtherren stand und ganz ruhig sagte: »Ohne Wasser wächst auf deinen Äckern nichts. Du hättest die Kanäle auch für mich öffnen sollen. Ich habe Staub von dir bekommen, und mit Staub vergelte ich dir deinen Geiz.« Mit diesen Worten würde er eine Handvoll Staub vor den Augen seines Pachtherren herabrieseln lassen. Narek seufzte. Er wusste nur zu gut, dass er das nie wagen würde. Aber früher hätte er sich nicht einmal getraut, davon zu träumen.

»Lass mich durch!«, forderte Bessos mit befehlsgewohnter Stimme.

»Ist sich noch etwas, Herr.« Volodi streckte ihm die offene Hand entgegen. »Musst du geben mich Freudengeld. Das ist sich Gesetz von Unsterblichem Aaron.«

Der Satrap wandte sich zu seinem Gefolge um. »Gebt ihm eine Silbermünze, damit Aarons Kettenhund endlich aufhört zu kläffen.«

Volodi hob abwehrend die Hand. »Ist sich Freudengeld, das dir Freuden bringt.«

»Du dämlicher Barbar. Ich wollte dir eine Silbermünze überlassen. Dafür bekommst du zehn von diesen Kupfermünzen oder noch mehr.«

»Darum geht es aber nicht«, mischte sich Ashot ein.