Выбрать главу

»Lass das!«, zischte Narek und war doch gleichzeitig stolz auf seinen Freund. »Das bringt nur Ärger.«

Ashot erhob sich. »Ich glaube, Ihr seid es, der nicht begriffen hat. Das Freudengeld muss verdient werden. Man bekommt es nicht wegen der Leistungen seiner Ahnen. Im Schweiße Eures Angesichts müsst Ihr es Euch erarbeiten, hoher Herrscher!« Die letzten Worte sprach sein Freund voller Verachtung.

»Barbaren, die an die Ketten gelegt sind, und Bauern, die sich für Philosophen halten.« Der Satrap klatschte in die Hände. »Ein treffliches Narrenstück, das ihr hier aufführt. Doch Worte sind billig, Bauer. Nun lass mich prüfen, welches Gewicht sie wirklich haben.« Er wandte sich zu einem Grauhaarigen in seinem Gefolge um. Die beiden besprachen kurz etwas, dann drückte der Alte seinem Herrscher etwas in die Hand.

Bessos trat nun unter das Sonnensegel und baute sich dicht vor Ashot auf. Er hob die Hand. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt er eine große Münze, die golden im Licht der tief stehenden Sonne schimmerte. »Ein Goldstück, Bäuerlein. Ich schätze, es ist mehr wert als die Ernte eines ganzen Jahres. Ich tausche sie gegen dein Freudengeld. Nun? Wie viele Monde musst du auf deinem Acker schwitzen, um dir ein Goldstück zu verdienen? Nie wieder wirst du so leicht reich werden können.«

Ashot schob eine Hand in seine Geldkatze, und Narek sank das Herz. Eine Goldmünze … Das war wirklich zu verlockend!

Sein Freund holte das Freudengeld hervor, das er sich vor ein paar Tagen damit verdient hatte, einen ganzen Tag lang wie ein Besessener mit einem hölzernen Spieß nach einem strohgefüllten Sack zu stoßen und später sogar gegen einen Söldner anzutreten, der sich hinter einen mannshohen, mit Kuhhaut bespannten Schild geduckt hatte.

»Das hier ist mit Schweiß und Mut erworben.« Ashot lächelte abfällig. »Versucht es doch auch einmal, edler Fürst. Überrascht Euch damit, dass vielleicht ein Mann in Euch steckt, den Ihr noch gar nicht kennt.«

»Dieses Lager hier steht unter dem Befehl des Unsterblichen«, entgegnete Bessos eisig. »Doch eines Tages wirst du es verlassen müssen, Bauer, und dann stehst du auf meinem Land und unter meiner Herrschaftsgewalt. So wie du das Unkraut auf deinen Feldern entfernst, werde ich dich aus dieser Welt entfernen lassen. Gepfählt an dem Ort, an dem man dich aufgreift. Aufsässige Bauern sind die Pest. Und ich werde nicht dulden, dass Männer wie du den Geist der Rebellion dorthin tragen, wo ich herrsche.« Er wandte sich von Ashot ab und musterte die übrigen Bauern aus ihrer Gruppe.

Narek sank das Herz in die Hose, als der Blick des Satrapen auf ihm ruhte. Am liebsten hätte er dem Kerl rechts und links eine gewatscht. Aber das sollte er nicht einmal denken! Bessos war ein Satrap und er nur ein Bauer.

»Und du, Dickerchen? Hast du dir auch Freudengeld verdient?«

Narek nickte.

»Gib es mir!« Bessos schnippte die Goldmünze in die Luft und fing sie wieder auf. »Nie wieder in deinem Leben wirst du so reich entlohnt werden, kleiner Mann.«

Es war der Gesichtsausdruck des Fürsten, der Narek bis aufs Blut reizte. Man konnte an seinen Zügen ablesen, dass er vollkommen davon überzeugt war, dass ein Dickerchen niemals Widerstand leisten würde. Ein Dickerchen konnte man beleidigen. Man konnte darauf herumtrampeln, und am Ende würde es sich noch artig dafür bedanken. Narek war schon oft in seinem Leben so behandelt worden. Damals war er nur Bauer gewesen. Aber jetzt war er auch Krieger. Und was noch wichtiger war, wenn er jetzt nachgab, dann würde er es immer wieder tun. Jetzt musste sich sein Leben ändern, oder eines Tages würde sein Sohn Daron danebenstehen, wenn er so behandelt wurde, und der Junge würde für immer alle Achtung vor ihm verlieren. Narek konnte sich die großen Augen seines Sohnes ganz deutlich vorstellen, und plötzlich war eine nie gekannte Wut in ihm.

»Du glaubst, ich würde dein Gold nehmen, du aufgeblasener, in Duftwasser getränkter Haufen Satrapenscheiße? Nicht für alles Gold der Welt bekommst du mein Freudengeld!«

Bessos griff an seinen Gürtel, doch da waren keine Waffen mehr. Die Leibwächter aus seinem Gefolge drängten vor. Plötzlich hatte Volodi seine beiden Schwerter gezogen. »Hier rührt sich niemand an meinen Freund!«

Bessos bückte sich nach seinen Waffen. Er war ganz ruhig. Das machte Narek viel mehr Angst, als wenn der Adlige ihn mit dem Tod bedroht hätte.

»Wir gehen«, sagte Bessos, während seine Eskorte ebenfalls ihre Waffen einsammelte.

Ashot trat zu Narek und legte ihm die Hand auf die Schulter. Es war erstaunlich, wie sehr eine solche Kleinigkeit alles verändern konnte. Ihm schlotterten nicht mehr die Knie.

»Ich bin stolz auf dich.«

Narek seufzte. Das hatte er in seinem Leben noch nicht oft zu hören bekommen. Er war niemand Besonderes, das wusste er …

»Sich in Duftwasser getränkter Haufen von Satrapenscheiße …« Volodi schob seine Schwerter in die Scheiden zurück. »Das ist sich Bessos! Ist sich genau so ein Kerl. Hast du dich gut gesprochen.«

Narek wurde ganz verlegen. Auch die übrigen Bauern sahen ihn an und grinsten verschwörerisch. Wenn jetzt doch Rahel und Daron hier wären und ihn sehen könnten!

»Du hast uns hierhergeholt, damit das passiert, nicht wahr, Volodi?«, sagte Ashot plötzlich. »Du wolltest uns auf die Probe stellen. Und wahrscheinlich war dir auch völlig egal, wer hier wartet. Es ging nie um uns. Es ging um die Bauern, Tagelöhner und Handwerker im Allgemeinen.«

Narek seufzte. Warum musste Ashot nur so sein? Hätte der Augenblick des Triumphs und des gemeinsamen, zufriedenen Grinsens und Schulterklopfens nicht ein wenig länger dauern können?

Das Lächeln war aus Volodis Zügen gewichen. »Stimmt sich. Aber kenne ich Löwen von … Beckbeck … ähm … Kenne ich euch. War ich mich stolz, mit euch zu machen das.«

»Warum tust du das?«, fragte der hagere Lamgi verständnislos.

»Muss ich mich wissen, mit wem kämpfe ich.« Er klopfte sich auf die Brust. »Ist sich hier ein Herz, kein Stein, auch wenn ich mich bin Söldner. Kämpfe ich für Unsterblichen Aaron, für Gold und für alte Schuld. Ist nicht mehr lange, bis kommt sich der Tag von Schlacht. Muss ich mich wissen, was sind für Männer mit mir. Wer ist sich an meiner Seite? Für wen gebe ich mich mein Blut.« Er sah Narek an, und plötzlich grinste er wieder. »Werde ich gut kämpfen an Seite von kleinem Mann mit Herzen von Löwen. Viel besser als mit sich in Duftwasser getränkter Haufen von Satrapenscheiße.«

Narek spürte einen dicken Kloß im Hals. Er war zu leicht gerührt. Er wusste das … Aber die Worte von diesem riesigen, stammelnden, goldhaarigen Barbaren hatten ihn im Innersten berührt. Der Kerl hatte gerade erklärt, er würde für ihn sein Blut vergießen. Was sollte er dazu sagen? Das würden sie ihm in Belbek niemals glauben, wenn er zurückkehrte. Wenn er diesen Kerl doch nur für einen einzigen Tag mit ins Dorf nehmen könnte!

»Ist sich genug geschwatzt jetzt. Endet sich meine Wache hier, wenn Sonne sich schlafen geht. Macht ihr mich Ehre? Geht ihr euch trinken Wein mit Volodi? Heute ist sich Tag von Wein! Tag von Blut muss sich noch warten.«

Ein Schaudern überlief Narek. Er hatte Angst vor dem Tag der Schlacht.

In den Slanga-Bergen

Tylwyth mochte diese Gegend nicht. Ihre Reise durch die Snaiwamark war ohne Zwischenfälle verlaufen. Am Morgen hatten sie für den Eissegler ein sicheres Versteck gefunden. Nun aber drangen sie in den Weißen Wald in den südlichen Ausläufern der Slanga-Berge vor. Niemand, der bei Verstand war, ging freiwillig in dieses Tal! Einmal war er mit Cullayn bereits hier gewesen. Das war mehr als genug gewesen. Nur Dummköpfe forderten ihr Glück unnötig heraus.

Sie folgten einem Wildwechsel durch einen Wald, der an eine weite, von Säulen getragene Halle erinnerte. Eigentlich war es schon Nacht. Aber nicht hier. Immer wieder strich ein geisterhaftes, weißes Licht zwischen den Stämmen umher. Es hatte keinen deutlich zu erkennenden Ursprung, war unstet, verlosch manchmal, um dann plötzlich an anderer Stelle wieder aufzutauchen.