Выбрать главу

Marwad warf sich herum und zog in fließender Bewegung das Messer in der Scheide an seinem Oberarm. Nicht der Hundefelsen, sondern der Felsen schräg hinter ihm veränderte sich. Sein Schatten zerschmolz und kam ihm entgegen.

Marwads Arm schnellte vor. Das Wurfmesser blitzte golden im Mondlicht. Der Schatten strauchelte. Augenblicklich setzte der Meuchler nach. Er zückte den Krummdolch, dessen Klinge aus kostbarem, luwischem Eisen gefertigt war.

Krallen schlugen nach Marwad. Zu langsam! Sein Dolch stieß vor, grub sich in weiches Fleisch. Die Kreatur bäumte sich auf, Krämpfe schüttelten sie, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Die Krallen sanken zu Boden. Ein Geschöpf wie dieses hatte Marwad noch nie gesehen. Eine Mischung aus einem Mann und einer großen, schwarzen Katze. Nein … Ein Krieger, der sich, so wie er selbst, mit Ruß eingerieben hatte. Doch der Meuchler trug das Fell einer großen, schwarzen Katze. Sein Kopf steckte in einem eigenartigen Helm, der …

Die Krallenhand zuckte hoch. Marwad wich zurück und hob seinen Dolch. Schwarze Steinkrallen trafen auf Eisen. Zugleich traf ihn ein Stich in der Ferse, und sengender Schmerz kroch seine Wade hinauf.

Marwad stöhnte auf, während die Krallenhand des Katzenmanns zu Boden sank. Wahrscheinlich war es nur ein letztes Aufbäumen dieses sterbenden Kriegers gewesen. Einen stummen Fluch auf den Lippen, drehte Marwad sich um. Er war auf den schwarzen Skorpion getreten, der eben noch an ihm vorbeigekrabbelt war.

Marwad schloss die Augen und kämpfte gegen den Schmerz an. Es fühlte sich an, als wüte ein Feuer in seiner Wade. Er musste fort von hier. Sofort! Er ließ sich auf alle viere nieder und kroch. Verzweifelt biss er auf seine Unterlippe. Er durfte nicht stöhnen. Der Schrei eben war schon unverzeihlich gewesen. Dieser seltsame Katzenmann war sicher nicht allein.

War da etwas in den Schatten? Marwad versuchte aufzustehen, doch sein verletztes Bein knickte sofort unter ihm weg. Er musste es nur bis zum trockenen Fluss schaffen. Auf der anderen Seite patrouillierten Wachen aus Muwattas Lager. Dort wäre er in Sicherheit.

Das Feuer kroch weiter in seine Kniekehle. Dieses Gift tötete nicht, dachte er und schmeckte Blut in seinem Mund. Er hatte sich die Lippe aufgebissen.

Sein Blick streifte den Hundefelsen. Der Buckel war verschwunden!

Ein Fluch entglitt ihm. Er verlor die Selbstbeherrschung. Er hatte so etwas schon oft erlebt als Jäger. Es geschah kurz vor dem Ende. Kurz bevor die Beute gestellt wurde. Wenn jemand wusste, dass sich die Schlinge um ihn zuzog.

Ihm würde das nicht passieren. Er schaffte es, auf die Beine zu kommen. Das Feuer wütete jetzt auch in seinem Oberschenkel. Er musste sich beherrschen! Er taumelte vorwärts, blieb aber wenigstens auf den Beinen. Nicht an den Schmerz denken. Er rief sich das Bild seines Vaters in Erinnerung. Du willst ihn jetzt also an die Würmer verfüttern. Findest du nicht, dass das sinnlose Verschwendung ist? Die Worte seines Vaters waren so klar in seiner Erinnerung, als habe er sie eben erst gehört. Als sei er noch hier …

Er hatte damals das Richtige getan, dachte Marwad. Das Richtige! Der Schmerz war vergessen. Er sah sich wieder mit dem Grabstock auf seinen Vater einschlagen, und ein anderer, unauslöschlicher Schmerz hielt ihn auf den Beinen, als er dem Flussbett entgegenwankte.

Ein einsamer Mann

»Herr! Herr, bitte! Ihr müsst kommen.«

Muwatta hasste diesen winselnden Tonfall. Er blinzelte. Ein schlanker Arm lag über seiner Brust. Draußen dämmerte der Morgen. Er hörte den Lärm des erwachenden Heerlagers. Der Rauch von Feuern hing in der Luft und der Duft von frisch gebackenem Brot.

»Herr!« Wieder diese winselnde, hohe Stimme vor dem Zelt.

Der Unsterbliche schob den Arm zur Seite und betrachtete das zierliche Mädchen. Sie und die beiden anderen hatten sich alle Mühe gegeben letzte Nacht. Wie sehr er das hasste. Er wollte kein bemühtes Schauspiel. Er wollte echte Leidenschaft. Niemals hätte er gedacht, dass er all dessen hier so schnell überdrüssig werden würde. Als er Muwatta geworden war, hatte ihn seine plötzliche Macht vollkommen erfüllt.

Er griff nach seinen Schläfen. Da waren sie wieder, die Stimmen in seinem Kopf, die unablässig auf ihn einredeten. Er musste sich betrinken, um sie zum Schweigen zu bringen. Wenn er die Wahl hätte, würde er wieder in sein altes Leben zurückkehren wollen. Aber er wusste, es gab kein Zurück. Wenn sie merkte, dass er seiner Machtfülle überdrüssig wurde, würde sie ihn ersetzen.

»Herr!«

Diese schreckliche Stimme! Er stand auf und warf einen letzten Blick auf die Mädchen. Sicher waren sie alle drei schon wach. Sie fürchteten seine Launen. Und er hasste es, dass alle, die ihn umgaben, ihm etwas vorspielten.

Er schlug die Zeltplane zurück. Sein Mundschenk stand dort, ein schwitzender, kleiner, dicker Kerl, dessen rote Nase deutlich verriet, dass er sich an Wein vergriff, der ihm nicht zugedacht war. »Herr, die geflügelte Išta befahl mir, Euch zu rufen. Ihr sollt zum Flussbett kommen. Sie sagte, ich solle Euch rufen.«

Wie er schwitzte, einfach widerlich. »Deinen Umhang, Kerl.«

Der Mundschenk löste mit zitternden Händen den blauen Umhang mit der breiten roten Borte von seinen Schultern, der Zeichen seines Amtes war. Muwatta schlang ihn sich um die Hüften und wandte sich an die Wachen neben dem Zelt. »Schneidet ihm den Schwanz ab. Seine Stimme missfällt mir.«

Der Mundschenk stieß ein ängstliches Quieken aus, als die Krieger ihn ohne zu zögern packten. »Herr, bitte … Ich bin ein Eunuch. Deshalb die Stimme … Bitte verzeiht.«

Muwatta sah ihn ärgerlich an. »Dann schneidet etwas anderes von dem fetten Kerl ab. Ein großes Stück. Und werft es ins Zelt zu den Mädchen, um sie zu wecken.«

Keiner der Krieger zuckte auch nur mit der Wimper. Sie würden seine Befehle ausführen. Die Schreie des Eunuchen amüsierten ihn … kurz. Er durchquerte das Lager. Kaum jemand wagte es, zu ihm aufzublicken. Er war nicht beliebt, das wusste er. Sie fürchteten ihn. So sollte Herrschaft sein! Wenn er einen Befehl gab, dann wurde er ohne zu zögern ausgeführt.

Der Morgen war noch jung, ein erster blutroter Hauch lag hinter den Bergen im Osten. Es war schon warm. Der Tag würde wieder unerträglich heiß werden. Wenn er auf die Berge blickte, ergriff ihn Sehnsucht. Dort im Osten lag der Gelbe Turm. Der Palast der Götter. Das Heim der Devanthar. Zu gerne hätte er die Felsenburg in der Einsamkeit gesehen. Wie lebten Götter? Welch ein Übermaß an Luxus musste es dort geben! Welch exquisite Freuden erwarteten den Besucher? Er musste Aaron besiegen und zum Ersten unter den Unsterblichen aufsteigen, dann würde er vielleicht dorthin gelangen.

Er ging an einer langen Grube voller Leichen vorbei. Seuchen suchten sein Heerlager heim. Täglich starben über hundert Krieger und noch weit mehr Sklaven. Seine Berater bekamen das einfach nicht in den Griff, ganz gleich, womit er ihnen auch drohte. Er wusste von Spitzeln, dass Aaron dieses Problem nicht hatte. Auf Kriegszügen waren Seuchen die steten Begleiter der Heere. So war es immer! Warum blieb Aaron verschont? Schützte der Löwenhäuptige die Männer Arams?

Ungelöschter Kalk war über die Leichen in der Grube gestreut. Bleich und verdreht lagen sie da in Schichten übereinander. Etwas bewegte sich. Ein streunender Hund zerrte am Arm eines stattlichen Mannes. Verärgert wandte Muwatta den Blick ab. Kerle wie der da unten sollten für ihn Aarons Bauern erschlagen! Was fiel ihm ein, einfach so zu verrecken!

Seine schlechte Laune kehrte zurück. Er wusste um die Zahlen, auch wenn er es gerne verdrängte. Es war ein Fehler gewesen, hier so lange zu lagern. Einige Tausend seiner erfahrenen Krieger waren inzwischen ebenso verreckt wie der dort unten im Graben. Der Kampf um Garagum hatte ihn schon jetzt mehr Männer gekostet, als in den letzten zehn Jahren in den Grenzscharmützeln mit Ischkuza gefallen waren. Dabei stand die Schlacht noch bevor!

Was lief bei Aaron anders? Alle Spitzel bestätigten, dass es in seinem Heerlager viel weniger Tote gab.