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»Am Nachmittag hat ein Gesandter Muwattas eine Botschaft überbracht.«

Artax blickte auf. »Warum erfahre ich erst jetzt davon?«

»Mit Verlaub, du warst beschäftigt. Du warst bei den Männern.«

Du solltest ihm nicht länger gestatten, dich nach Lust und Laune zu duzen. Auch nicht, wenn es sonst niemand hört. Mir scheint, dass er langsam glaubt, dass er der Herrscher Arams sei. Du hättest ihm nie erlauben dürfen, mehr zu tun, als Feste zu organisieren und die Listen mit den Abgaben der Satrapien zu verwalten.

Artax bekam Kopfschmerzen. Die ständigen Sticheleien Aarons, die Eigenmächtigkeiten des Hofmeisters und die trockene Hitze, die selbst nachts kaum nachließ, zermürbten ihn. Er vertraute Datames dahingehend, dass der Hofmeister nur das Beste für Aram wollte. Aber es wäre gut, wenn er sich besser mit ihm absprechen würde. Sobald die Schlacht geschlagen war, würde er seine Zuständigkeiten wieder etwas zurückstutzen. Datames war zu eigensinnig geworden.

»Was will Muwatta?«

»Er möchte einen Tag für die Schlacht festlegen. Die bisherigen Absprachen diesbezüglich sind zum Teil widersprüchlich. Mal wurde gesagt, es würde im Mond nach dem Mittsommerfest gefochten, dann wieder, dass die Schlacht dreißig Tage nach dem Mittsommerfest ausgetragen werden soll. Er schlägt den zehnten Tag nach dem Fest vor.«

»Dann nehmen wir an«, sagte Artax müde. Er wollte allein sein und einfach nur schlafen.

»Das wäre nicht gut!«

»Warum?«, fragte der Unsterbliche gereizt und versuchte gegen die spöttische Stimme in seinem Kopf anzukämpfen. Wann würde er diesen Quälgeist endlich loswerden? Wann durfte er Frieden finden?

»Zum einen wäre es ein Zeichen von Schwäche, wenn wir uns von Muwatta den Tag der Schlacht diktieren lassen. Zum anderen nutzt es uns, wenn wir die Schlacht so weit wie möglich schieben. Der dreißigste Tag des Mondes nach Mittsommer wäre der beste für uns! Erst fünf Tage nach dem Fest beginnt der neue Mond. Wir könnten also insgesamt fünfunddreißig Tage gewinnen und würden uns noch gänzlich innerhalb der zuvor getroffenen Absprachen bewegen.«

Artax stellte sich vor, wie es wäre, noch weitere fünf Wochen in dieser Einöde zu verbringen. Es wurde mit jedem Tag heißer. Schon jetzt war das Wasser knapp. Jeder Tropfen musste durch das magische Portal herangeschafft werden. Der Aufwand dafür war ungeheuerlich! Und sollte die Versorgung abbrechen, würden ihre Vorräte kaum mehr als einen Tag reichen. »Ich halte es nicht für sinnvoll, unsere Truppen unnötig lange den Strapazen dieses Lagers auszusetzen. Du weißt, was dem Bauern geschieht, der zu lange wartet, seinen Weizen einzufahren?«

Datames sah ihn stirnrunzelnd an.

Eines Tages wird er darauf kommen, dass du in Wirklichkeit ein Bauer bist, höhnte Aarons Stimme.

»Er verliert die halbe Ernte in einem Sommersturm.«

»Tja …« Es war offensichtlich, dass Datames nicht wusste, was er darauf sagen sollte. »Ihr wisst aber, was wir gewinnen, denke ich. Muwatta verliert jeden Tag Hunderte Krieger, denn sein Lager ist eine stinkende Kloake. Seuchen gehen um, und es wird schlimmer. Um sein Heer bei den angestrebten fünfzigtausend Mann zu halten, muss er täglich neue Truppen nachziehen. Jeder Tag, den wir warten, ist eine gewonnene Schlacht, die uns kein Blut kostet.«

Artax strich sich nachdenklich über den Bart. »So will ich nicht gewinnen.«

Jetzt bist du wohl verrückt!, tönte es in seinem Kopf. Datames hat recht! Wir müssen die Schlacht hinauszögern.

»Herr, bei aller Mühe, die wir uns geben, die Kampfkraft und die Moral unserer Männer zu stärken, letztlich bleiben es Bauern. Wir dürfen keine Wunder erwarten. Wir werden nur dann auf einen Sieg hoffen können, wenn wir jeden Vorteil nutzen, der sich uns bietet. Würden wir heute kämpfen, wir würden aus dem Feld geschlagen. Aber in fünf Wochen wird Muwattas Heer nur noch ein Schatten seiner ursprünglichen Stärke sein.«

Artax ließ sich auf dem Faltstuhl hinter dem Tisch voller Tontafeln nieder. So viel Arbeit. Egal, wie viel er davon erledigte. Der Tisch wurde niemals leer. »Du hast dich so sehr für die Bauern eingesetzt, Datames. Du wolltest ihnen ein Ziel geben und hast mich überzeugt, eine Landreform durchzuführen, die mir die Mehrzahl meiner Satrapen zu Feinden macht. Auch wenn nur wenige es wagen, mir so offen die Stirn zu bieten wie Bessos. Aber nun vernichtest du alles, was du erreicht hast. Du bist kein Bauer, auch wenn ich nicht abstreiten will, dass du sie von ganzem Herzen unterstützt. Dir ist gar nicht klar, was du verlangst, wenn wir noch fünf Wochen warten. Oder irre ich?«

»Du meinst die Ernte?« Datames sagte das in einem Tonfall, dem anzuhören war, dass er daran noch keinen Gedanken verschwendet hatte, obwohl er sonst immer alles bis ins Letzte plante.

»Was glaubst du, wie lange werden sie vom Tag der Schlacht an brauchen, bis unsere Männer wieder in ihren Dörfern sind? Und ich meine jetzt nur jene Glücklichen, die ohne jede Schramme die Schlacht überleben?«

Der Hofmeister nickte bedächtig. Er begann zu begreifen. »Die Tontafeln, die ihnen ihr Land garantieren, müssen gefertigt werden. Sie können nur in Gruppen zurück. Proviant muss zusammengestellt und ein Handgeld gezahlt werden, damit sie, wenn sie durch das Palasttor treten, bis in ihre Heimat gelangen können, ohne unterwegs Hunger zu leiden. Bei manchen mag es zwei Wochen dauern, bis sie ihr Heim wiedersehen. Aber das werden nur wenige sein. Die meisten werden einen Mond und länger für den Rückweg brauchen.«

»Ihnen läuft die Zeit davon, Hofmeister. Die Männer sind bereits unruhig. Sie reden von daheim und von der bevorstehenden Ernte. Die meisten waren noch nie so lange von zu Hause fort. Wir können es uns genauso wenig leisten, noch lange hier zu lagern, wie Muwatta. Ich möchte den Tag, den er für die Schlacht vorschlägt, annehmen. Bringen wir es hinter uns!«

»Wir können nicht«, beharrte Datames mit einer für ihn ungewöhnlichen Entschiedenheit.

Artax war es müde zu streiten. »Meine Geduld ist am Ende. Wir werden Muwattas Angebot annehmen. Ich …«

»Bitte, Herr. Bitte hört mich bis zum Ende an und dann entscheidet frei.« Datames sank vor ihm auf die Knie. Das hatte er seit einer Ewigkeit nicht getan.

»Sprich!«

»Die vierzehnte Nacht nach Mittsommer haben wir Neumond. Wir müssen mindestens so lange warten. Ihr erinnert Euch an die zwanzigtausend Holzschuhe, die ich in Auftrag gegeben habe? Damit hat es folgende Bewandtnis …«

Legenden des Nordens, erlauscht bei Kobolden und Trollen

» … Für Nandalee, die Goldene, focht Gonvalon, der Weiße. Und ritt er hin auf Winterwind, als ihm entrissen ward sein Weib. Und schnitt sein Schwert so kalt wie Frost das Herz des Winterwurmes. Groß war sein Zorn, als er da sah die Goldene auf dem Opfersteine. Und schnitt sein Schwert so kalt wie Frost der Trolle Herz und Beine. Und wie er kam, so ritt er fort geschwind und wieder auf dem Winterwind. Noch ahnt er nichts vom Schrecken fremd, der hoch am Himmel lauert. Und Unheils Saat ist schon gepflanzt inmitten seines Lebens, denn wer des Königs Opfer stiehlt, darf nimmermehr sich Glück erhoffen.«

So überliefern die Kobolde der Mondberge die Sage von Gonvalon und Nandalee. Die Verse sind nur unvollkommen in ihre Sprache übertragen, und doch spüre ich ihr Alter in jedem der Worte. Aus ihrem Volk waren einst Hunderte Sklaven in den Königsstein verschleppt worden, um dort für die Trolle die natürlichen Höhlen zu erweitern, als das Volk der grauen Hünen stark geworden war. Für viele Jahre lebten sie zusammen mit den Trollen, und so fanden auch einige der ältesten Geschichten der Trolle Zugang in den Schatz der Sagen und Mythen, die man sich in den Mondbergen erzählt. Beklemmender noch empfand ich jedoch eine Geschichte, die ich in den weiten Steppen des Windlands bei Kentauren hörte, die ihr Winterlager am Lauf des Mika aufgeschlagen hatten.